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Far Cry 3: Blood Dragon und der Eiertanz zwischen zwei Sorten Schlechtigkeit

Es ist nicht einfach, ein dummes Spiel zu machen.

Man muss es Ubisoft schon lassen. Die Art, wie sie Far Cry 3: Blood Dragon ins Gerede gebracht haben, war schon schwer in Ordnung. Aus dem Nichts und wie zufällig tauchte im Web eine Seite auf, die aussah wie aus dem letzten Jahrtausend. Im schönsten *hust* Geocities-Look gehalten präsentierte dieser knallige Angriff auf die Augen vor pixeliger Copy-Paste-Tapete und einem Neon-Gitter, das vor zwanzig Jahren mal nach irgendwas mit "Cyber-" davor ausgesehen haben muss, einen kryptischen Teaser. Dazu eine passende Shop-Seite mit lächerlich teuren Memorabilia und fingierte Interviews mit Leuten mit sonderbaren Künstlernamen. Das musste einfach ein Scherz sein.

Und doch stand ich Montag auf Ubisofts Digital Day in Hamburg vor einem Poster-Artwork mit demselben Schriftzug und allem, was die frühen Neunziger gestalterisch so zu bieten hatten. In der geschmacksbefreiten Zone unterhalb eines Riesen-Godzillas posierten eine laszive Schönheit, ein muskelbepackter, stahlbekieferter Bösewicht und ein kybernetischer Soldat mit glühendem Auge. Was ich zunächst für einen verselbstständigten Aprilscherz hielt, war auf einmal Realität.

Ein alter Witz, neu erzählt

Nur, dass diese Realität trotzdem irgendwie ein Scherz ist, was jedoch nicht heißt, dass Far Cry 3: Blood Dragon kein Spiel wäre. Das ist es nämlich sehr wohl - und sogar eines, das man schon ab dem 1. Mai diesen Jahres per Download für PC, PS3 und Xbox 360 erstehen kann. Aber es ist eben eine lupenreine Persiflage. Anders, als man bei einer mit beiden Augen zwinkernden Hommage an den glorreich dummen Sci-Fi-Action-Schrott der späten Achtziger und frühen Neunziger Jahre vielleicht erwarten könnte, kommt dieser neuerliche Fortsatz der Marke aber nicht als 2-D-Ballerspiel daher. Im Gegenteil, er ist eine ausgewachsene, mit Absicht aber vollkommen verblödete Version dessen, was zuvor kam. In 3D, mit Kampagne und offener Insel mit Außenposten zu befreien.

Schlecht-schlecht oder gut-schlecht? Manchmal nur eine Frage der Betonung.

Trotzdem, das ausgewiesene Ziel von Creative Director Dean Evans ist ein "mieser 80's-Streifen mit fürchterlicher Geschichte, passendem Lizenzspiel, Spielzeugserie, Frühstücksflocken und Tauschkarten". Zur Handlung: Es ist die Zukunft - 2007. Die Erde wurde von einem Nuklearkrieg in genreüblichem Ausmaß weggekokelt, Sergeant Rex Power Colt muss auf einer Insel nun eine Biowaffe sicherstellen. Warum? Um den Frieden wiederherzustellen, natürlich. Ein Job wie jeder andere. Ein Job eben nicht wie jeder andere dürfte es gewesen sein, die ausgesprochen schöne Dunia-Engine, die Far Cry 3 befeuerte, so auf hässlich zu trimmen, dass man dem Spiel den Witz auch abkauft. Tatsächlich muss man erst den Teil vom Hirn abschalten, der einem sagt, dass 3D in diesem Detailgrad und Retro ein Bruch sind. Und zu 100 Prozent kam ich darüber auch nicht hinweg, wenngleich in Sachen Art Direction einiges an Aufwand betrieben wurde, um den Billig-Look zu erzeugen.

Alle Farben sind übertrieben aufgeblasen, unnatürlich und wird man getroffen, meint man fast, der Videorekorder würde gerade das Band der Kassette fressen, bis einem einfällt, das man die Wörter "Kassette" und "Videorekorder" seit 2004 nicht mehr in geschriebener Form gesehen hat. Die Arbeitsanweisung für die Charakterdesigner dürfte im Zuge dessen auch eine der kreativeren gewesen sein: Die Cyborgs und Soldaten waren so zu entwerfen, dass ihre virtuellen Kostüme nicht mehr kosteten, als 150 gedankliche Dollar. Demzufolge tragen diese Killerroboter Motorradhelme, Sattelleder als Körperpanzerung und Toaster als Helme. In diesen Bereichen wird genau der angepeilte Effekt erzielt. Für die drei Mann hohen Blood Dragons, die ich später während meines Hands-On noch zu sehen bekam, hätte ich mir konsequenterweise allerdings auch Männer in dicken Gummikostümen gewünscht. Aber Dean Evans hat schon recht, wenn er sagt, dass die Film-Epoche eher von Stop-Motion und schlechten Computereffekten beherrscht wurde.

B-Film-Größe mit Humor.

Vollkommen in dieses filmische Biotop des Schreckens hinein passt auch der Schauspieler, der durch sein Cyborg-Auge so obercool von dem Poster auf den Betrachter herabschaut. Niemand geringeren als Michael Biehn ("Aliens", "Terminator" - und da hört die Liste der nennenswerten Filme auch auf) hat sich Ubisoft Montreal geangelt, um den Helden des Spiels zu geben. Nicht, dass man in den sparsam animierten, sehr kruden Zwischensequenzen im Super-Nintendo-Look - auch hier wieder ein Bruch mit der sonstigen 3-D-Optik - davon etwas sähe. Seine stimmliche Darbietung, wenn er tödlich-debile Oneliner wie MG-Salven durch die Gegend schießt, trifft aber den Charakter aller Kindheits-Heroen des Billigfilms auf den Punkt.

Niemand geringeren als Michael Biehn hat sich Ubisoft Montreal geangelt, um den Helden des Spiels zu geben.

Mit einer der schönsten Engines der Branche ein bewusst hässliches Spiel zu machen, ist nicht allzu einfach.

Doch nicht nur die ernst gemeinten Albernheiten der Filmindustrie von vor zwanzig Jahren will man auf die Schippe nehmen. Mit einem "vollkommen sinnlosen" (O-Ton Evans) Leveling-System und vielen Seitenhieben auf das Genre packt man sich auch ein bisschen an die eigene Nase, ohne allerdings so zu tun, als würde man es besser machen wollen, was vielleicht ein kleines Versäumnis darstellt. Rein spielerisch fühlt sich das nämlich am Ende trotzdem wie ein Far Cry 3 an, bei dem man Dinge wie die Tod-von-unten/oben-Moves, Kill-Kombos und Messerwürfe nach Stealth-Takedowns bereits von Anfang an freigeschaltet hat. Gut zum übertriebenen Spielablauf passt es in jedem Fall und wird, so die Versprechungen der Entwickler, Story-Missionen und Open-World auf dieser verrückten Insel ebenso vereinen, wie das Hauptspiel es schon tat. Das robuste Grundgerüst des Shooter-Highlights des letzten Jahres tilgt jedenfalls recht effizient Befürchtungen, die Schlechtigkeit würde auch vor der interaktiven Ebene nicht haltmachen.

Die Frage muss trotzdem erlaubt sein: Braucht es ein Spiel, das lachend mit dem Finger auf unsere Vergangenheit zeigt? Während durchaus der Eindruck entsteht, dass Ubisoft Montreal diese Streifen liebt, WEIL sie so schlecht sind, mögen viele Fans des Genres diese Filme eher, OBWOHL sie gängigen Qualitätskriterien nicht entsprechen. Und mit diesem Ansatz läuft man ein bisschen Gefahr, mit einem Best-of an Schlechtigkeit letzten Endes nur ein schlechtes Spiel zu machen.

Dagegen stemmt sich in der ausprobierten Fassung wie schon gesagt der spielerische Unterbau von Far Cry 3 mit nicht wegzudiskutierendem Erfolg. Alles sitzt noch dort, wo es hingehört, hat Tempo und Esprit. Und wenn der Bösewicht in 16 Farben vor dem vermeintlich geschlagenen Helden seine Rede hält und dabei auf und ab läuft, ohne die erwartete Animationsphase abzuspulen, kann man sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Okay, ich schätze, ich habe mir die Frage von oben soeben selbst beantwortet.

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