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Papers, Please – Das schwere Leben an der Grenzkontrolle

Wenn die Wahl zwischen zwei Stempeln zur kniffligen Moralfrage wird.

Nur noch eine halbe Stunde bis zum Ende meiner Schicht und schon wieder zeigt mir einer dieser Idioten nur die Hälfte seiner Papiere. Als ich ihn darauf hinweise, dass neben seinem Reisepass auch die nötige Arbeitserlaubnis fehlt, reicht er mir endlich das leicht zerknüllte Zertifikat nach. Schnell vergleiche ich die Informationen sowie Daten und entdecke einen Fehler. "Sir, die beiden Namen auf ihren Unterlagen stimmen nicht überein.", sage ich ihm mit ruhiger Stimme und versuche meine Mordfantasien im Griff zu halten. "Ach so. Ja, ich habe zwei verschiedene Namen", entgegnet er mir und fügt kurz darauf ein erzwungenes "Lang lebe Arstotzka!", hinzu.

Bleibt nur eine Kontrolle der Fingerabdrücke. Während er seine dreckigen Griffel auf das Blatt schmiert, suche ich zwischen dem angehäuften Blätterchaos seine Daten hervor und vergleiche. Natürlich keine Übereinstimmung. Mir platzt fast der Kragen. Wütend rufe ich die Wachen und lasse den Schwindler für seinen Betrug verhaften. Ein Blick auf die Uhr kündigt das Ende meines Arbeitstages an. Der Mistkerl hat mir wertvolle Zeit geraubt. Immerhin bezahlt mich der Staat nur für erfolgreich abgewickelte Kontrollen. Ängstlich nehme ich meine lausige Bezahlung entgegen und überlege auf dem Heimweg, wie ich damit gleichzeitig Miete und Essen bezahlen soll. Außerdem braucht mein Sohn dringend Medikamente. Wenn doch nur dieser Depp nicht meine Zeit verschwendet hätte. Ich hoffe, sie lassen ihn dafür in der Zelle schmoren.

Harte Zeiten

Ziemlich krasse Gedanken, die einem beim Spielen von Papers, Please durch den Kopf schnellen. Schon erstaunlich, welche Emotionen ein Titel hervorrufen kann, in dem es im Grunde nur um einen bürokratischen Akt geht. Ihr seid Bürger des glorreichen Staates Arstotzka, der nach dem Ende eines Krieges langsam wieder die Einreise ins Landesinnere zulässt. Natürlich gelten dafür bestimmte Regeln, die eingehalten werden müssen, und die ihr kontrollieren sollt. Zu Beginn eines Tages steigt ihr dazu in euer kleines Häuschen und bittet eine Person nach der anderen herein, um ihre Papiere auf Unstimmigkeiten zu prüfen.

Ihr seid Bürger des glorreichen Staates Arstotzka, der nach dem Ende eines Krieges langsam wieder die Einreise ins Landesinnere zulässt.

Stempeln fühlt sich genauso gut an wie im echten Leben.

Der Name des Spiels stammt von den zwei kleinen Wörtern, die ihr jedem Einreisenden zur Begrüßung an den Kopf werft und danach hoffentlich die richtigen Dokumente erhaltet. Denn eure Bezahlung bekommt ihr nur für korrekte Bearbeitung der Fälle. Lasst ihr eine Person mit ungültigen Papieren ins Land oder verwehrt ihm fälschlicherweise den Zugang, erhaltet ihr prompt eine Abmahnung, die einen netten Abzug eures Gehalts fordert. Geld ist knapp und ihr braucht jede Münze, um am Ende des Tages für Miete, Essen und Heizung zu sorgen. Gar nicht so leicht, wenn neben euch noch vier weitere Familienmitglieder in der Wohnung leben, die sich ohne Wärme Erkältungen zuziehen oder verhungern. Kassiert ihr sogar so viele Strafen, dass ihr die Miete nicht zahlen könnt, werdet ihr ohne zweiten Versuch sofort des Landes verwiesen. Und Fehler häufen sich schnell.

Zunächst beginnt eure Arbeit noch sehr einfach. Am ersten Tag sind die Kontrollen wesentlich straffer und so dürfen nur Staatsbürger mit einem gültigen Pass einreisen. Dazu zieht ihr das Dokument vom Pult auf eure Arbeitsfläche und untersucht die Daten. Passen Name, Geschlecht und Gültigkeitsdatum? Falls ihr Fehler bemerkt, könnt ihr Personen darauf hinweisen und euch ihre Erklärungen anhören. Im späteren Verlauf sind sogar Fingerabdrücke möglich. Erkennt ihr einen Betrüger, erhaltet ihr nach ein paar Tagen Spielzeit sogar die Erlaubnis, ihn verhaften zu lassen.

Sämtliche Anwendungen müssen dabei von Hand beziehungsweise per Maus einzeln durchgeführt werdet. Zieht die Dokumente zusammen mit dem Regelbuch sowie anderen Papieren auf den Tisch, versucht dabei, den Überblick zu behalten und wählt anschließend den richtigen Stempel aus. Fehler entstehen, sobald ihr euch in die Monotonie der Arbeit ziehen lasst und glaubt, die Situation im Griff zu haben. Schon entgeht euch das Geschlecht, ihr vergesst das aktuelle Datum oder überseht, dass der Pass an einem ungültigen Ausstellungsort erstellt wurde. Zu viel Zeit bei der Kontrolle dürft ihr euch allerdings auch nicht lassen, denn ihr erhaltet ansonsten weniger Geld. Da nach und nach die Preise steigen und sich eure Familie auch bei genügend Wärme Krankheiten einfängt, müsst ihr sowohl schnell als auch sorgfältig sein.

Ein wunderbares Logo.

Gar nicht so leicht, wenn von Tag zu Tag das Regelbuch dicker wird und sich die Fehlerquellen dadurch häufen. Plötzlich habt ihr es mit sechs unterschiedlichen Nationalitäten zu tun, die alle ihre eigenen Ausstellungsorte haben. Zudem brauchen Personen an bestimmten Tagen den korrekten Einreiseschein sowie Arbeitsvisum, auf denen sich erneut Fehler und gefälschte Markierungen verstecken. Sobald ihr auch noch die Karte beachten müsst, weil auf einmal nur Personen aus benachbarten Ländern einreisen dürfen, verliert ihr die komplette Übersicht. Ich hätte niemals gedacht, wie anstrengend eine ansonsten so monoton erscheinende Arbeit sein kann.

Damit neben der Schweißbeständigkeit eurer Fingern auch euer moralischer Kompass ab und zu auf die Probe gestellt wird, gesellen sich besondere Ereignisse hinzu, bei denen es keinen richtigen Ausweg gibt. So schiebt euch eine Frau nach der erlaubten Einreise plötzlich einen Zettel zu, auf dem ein Name steht. Die beschriebene Person soll sich anscheinend ebenfalls in der Warteschlange befinden und hinter der Dame her sein, um sie zur Prostitution zu zwingen. Später erscheint der schmierige Typ und besitzt natürlich die korrekten Formulare. Verweist ihr ihn des Landes, kassiert ihr eine saftige Strafe, die für ein Familienmitglied sogar den Tod bedeuten könnte. Lasst ihr den Kerl jedoch passieren, schnappt er sich die Frau. Die Folgen könntet ihr einen Tag später in der Zeitung lesen.

Neben diesen schweren Schicksalen versteckt sich aber auch die nötige Portion Humor in Papers, Please, damit ihr nicht ganz in Depressionen versinkt. So stattet euch öfters ein älterer Mann einen Besuch ab, der die Regeln nicht ganz versteht. Auch er versucht es mit einem gefälschten Pass, nur, dass er dessen Seiten selbst mit einem Stift geschrieben hat, auf dem Niveau eines Drittklässlers natürlich. Doch der Mann bleibt ebenso freundlich wie hartnäckig bei der Sache und startet weitere Versuche. Darüber hinaus sprüht die Aufmachung vor einer gewissen Selbstironie. Während Papers, Please die harte Realität durch persönliche Schicksale und gelegentliche Selbstmordattentate hinter der Grenze niemals aus den Augen verliert, bietet allein die Präsentation genügend Seitenhiebe auf die ehemalige Sowjetunion.

Manche Personen hinterlassen auch ein wenig mehr als nur ihren Pass.

Papers, Please befindet sich aktuell noch in der Beta, macht aber bereits jetzt einen wunderbaren Eindruck und setzt sich komplett vom restlichen Markt ab. Hinter der skurrilen Fassade versteckt sich ein durchdachtes Spielprinzip, das euch Stück für Stück in immer mehr Regeln und Ausnahmen einarbeitet. Zudem brachte es mich an einigen Stellen zum Nachdenken und ich fühlte mich nach einigen Entscheidungen wirklich unwohl. Nicht, weil ich dadurch einen spielerischen Nachtteil erlitt, sondern weil ich einer Person wirklich gerne geholfen hätte und nun weiß, dass sie ohne Einreiseerlaubnis in ihrem Heimatland wahrscheinlich erschossen wird.

Die endgültige Fassung muss trotzdem beweisen, wie weit das System ein komplettes Spiel tragen kann und ob bei erneuten Durchgängen genügend unterschiedliche Personenschicksale vorliegen, ohne sich ständig zu wiederholen. Habt ihr Lust bekommen, könnt ihr die aktuelle Beta-Fassung von Papers, Please selbst ausprobieren. Der Titel befindet sich ebenfalls auf Steam Greenlight, falls ihr das Spiel unterstützen wollt.

In diesem artikel

Papers, Please

iOS, PS4, PlayStation Vita, PC, Mac

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Björn Balg Avatar

Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.
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