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Der Puppenspieler - Test

Wenn eine überragende Optik den eigenen Fokus blendet.

Tests zu Titeln wie Der Puppenspieler sind die schlimmsten. Man erkennt auf jedem Bildschirm die harte Arbeit, die in das Projekt floss. Überall warten neue Ideen darauf, vom Spieler entdeckt zu werden. Und trotzdem kämpft man sich mühsam bis zum Ende und bleibt mit der Erkenntnis zurück, dass das Erlebnis weit hinter den Erwartungen bleibt. Der Puppenspieler ist kein schlechtes Spiel. Nur stand mir beim Spielen die Enttäuschung buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Wie Kaugummi

Die Ursache dafür liegt hauptsächlich im zähen Pacing, das euch immer wieder Steine in Form von langatmigen Tutorials und einer nicht enden wollenden Flut an Zwischensequenzen vor die Füße wirft. Passend zur gut umgesetzten Theaterthematik - ihr seht ständig die Umrisse einer Bühne und hört das Publikum - unterteilt sich das Abenteuer in sieben Akte mit jeweils drei Szenen. Zu Beginn eines Levels präsentiert man euch im Schnitt zwei Zwischensequenzen, die öfters die Marke von zehn Minuten überschreiten. Nach dem Besiegen des Bosses erwartet euch das gleiche Spiel. Zwischendurch natürlich auch.

Für den Einsatz des Enterhakens müsst ihr mehrmals auf die Taste hämmern. Eine weitere unnötige Verlangsamung.

Wenigstens könnt ihr sie allesamt überspringen, wozu ich euch auch dringend rate. Zwar geben alle englischen Sprecher - die deutsche Synchronisation ist für den Eimer - eine grandiose Performance, was aber nicht wirklich hilft, wenn das gezeigte Theater auf Fünfjährige zugeschnitten ist. Ob die Kleinen wirklich mehr Spaß daran haben, weiß ich nicht. Nur strapazieren Länge und Häufigkeit sicherlich ihre Nerven genauso wie meine.

Generell beißt sich der langsame Ablauf mit den Philosophien eines Plattformers, bei dem es primär um die abwechslungsreichen Level geht, die man ohne Störung genießen möchte. Zumindest punktet Der Puppenspieler hier mit seinen wunderschönen Welten, die sich an westlichen sowie asiatischen Hintergründen orientieren. Ihr besucht Schlösser, reitet auf riesigen Drachen und wandert durch Bambuswälder. Jede der sieben Welten bietet ein zentrales Thema, erforscht darin aber mehrere Möglichkeiten. So endet das Waldgebiet an einem japanischen Tempel, in dessen Vordergrund ihr auf Taiko-Trommeln hüpft. Gleiches gilt für Monster und andere Kreaturen. Manche bestehen aus Papier und wirken wie eine lebendige Origamifigur, während andere aussehen, als hätte man sie aus Holz geschnitzt. Untermalt wird das ganze von einer stets wechselnden Farbpalette, die sämtliche Umgebungen thematisch passend und aufregend gestaltet. Ein Genuss für eure Augen.

Stil über Substanz

Leider bringt ein kreatives und stilvolles Design kein gleichermaßen freudiges Gameplay mit sich. Ich frage mich, ob sich Director Gavin Moore, der zuvor als führender Animator bei vielen Projekten arbeitete, zu sehr in die audiovisuelle Umsetzung des Spiels verliebte und dabei vor allem die Steuerung zu kurz kam. Diese erinnert nämlich stark an Little Big Planet, dessen Figuren ähnlich wie in Der Puppenspieler zu schweben scheinen und einer seltsamen Physik gehorchen. So stolpert Protagonist Kutaro beim Laufen fast über seine eigenen Füße. Was im ersten Moment total putzig wirkt, lässt seine Laufgeschwindigkeit schwankend erscheinen. Seine Sprungkraft ist im Vergleich zu den großen Arealen so niedrig angesetzt, dass ihr meist sehr genau sein müsst, um nicht in einem Loch zu landen.

Untermalt wird das ganze von einer stets wechselnden Farbpalette, die sämtliche Umgebungen thematisch passend und aufregend gestaltet.

An Seilen bewegt ihr euch mit der Schere automatisch. Eindeutig die besten Stellen.

Dem Schwierigkeitsgrad möchte das Spiel auf eine andere Weise entgegentreten. Da Kutaro zu Beginn seiner Reise den eigenen Kopf verliert, müsst ihr alternative Schulterdekorationen finden. Darunter fallen Totenköpfe, Frösche oder auch absurde Objekte wie Trommeln und Truhen. Trifft euch ein Feind oder fallt ihr auf einen Stachel, verliert ihr euer Haupt und habt mehrere Momente Zeit, diesen wieder aufzusammeln. Währenddessen seid ihr vollkommen unverwundbar. Der Zustand hält gut drei bis vier Sekunden an, was euch immer genügend Zeit gibt, außer der Kopf rollt in eine Grube. Drei Köpfe stehen euch gleichzeitig zur Verfügung. Selbst wenn einer davon verschwindet, erhaltet ihr kurz darauf ein weiteres Exemplar, weswegen ich nur bei äußerst großer Dummheit ein Leben verlor.

Aber auch davon besitzt ihr mehr als genug. Jeder Gegner hinterlässt kleine Kristalle, die ihr aufsammelt. 100 davon geben euch ein zusätzliches Extraleben. Die Steine könnt ihr ebenso in auffälligen Objekten finden, solltet ihr euren ansonsten unnötigen Begleiter mit dem rechten Stick darauf schieben. Hier darf ein zweiter Spieler auch zum Move-Controller greifen und die Suche übernehmen. Außer weiteren Leben erhaltet ihr dadurch nichts. Selbst die unterschiedlichen Köpfe besitzen nur einen Nutzen: Jeder kann an bestimmten Stellen Verstecke aufzeigen. Entweder erhaltet ihr nur weitere Kristalle oder einen neuen Kopf. Ach ja, kurzweilige Bonuslevel existieren auch, bei denen ihr wieder nur Kristalle einsammelt. Das komplette System der Köpfe und eures Begleiters dient allein dem Sammeln von Kristallen, die durch den leichten Schwierigkeitsgrad vollkommen sinnlos sind. Nach dem Abspann hatte ich über 50 Bonusleben gesammelt und davor vielleicht zwei bis drei verbraucht.

Ganz schön scharf

Damit bleibt die einzig interessante Mechanik des Puppenspielers die Schere Calibrus. Mit dieser zerschneidet ihr nicht nur eure Feinde, sondern benutzt sie auch als Fortbewegungsmittel. Stellt ihr beim Schneiden Kontakt mit Papier oder verschiedenen Stoffen her, fliegt Kutaro förmlich über den Bildschirm. Zunächst wandert ihr so über große Wandteppiche, die sich nicht bewegen. Später müsst ihr beispielsweise an aufsteigenden Papierwolken den Himmel erklimmen und dabei stets die Schneiderichtung beachten. Leider kommt es auch hier zu Komplikationen. Es entsteht beim Spielen nie ein richtiger Flow, da ihr ständig auf die Viereck-Taste hämmern müsst, um Kutaro in der Luft zu halten. Auch bleibt er nach vollendetem Einsatz immer hängen, bevor er endlich zu Boden fällt. Der ohnehin schon langsame Fortschritt gerät so weiterhin ins Stocken.

Das komplette System der Köpfe und eures Begleiters dient allein dem Sammeln von Kristallen, die durch den leichten Schwierigkeitsgrad vollkommen sinnlos sind.

Die Bosse am Ende eines jeden Levels lassen einen kleinen Schimmer von Genialität durchscheinen.

Dennoch ist es die beste Idee des Spiels gewesen, die sich als einzige im Verlauf der diversen Akte weiterentwickelt. Warum ihr aber erst nach einem Drittel die Möglichkeit erhaltet, durch rhythmisches Knopfdrücken wesentlich geschmeidiger und schneller zu schneiden, verstehe ich nicht. Erst danach entfaltet sich besonders in den überaus gelungenen Bosskämpfen eine genauere Steuerung. Ansonsten schaltet in den Welten permanente Fertigkeiten wie einen Enterhaken oder Bomben frei. Im Gegensatz zur Schere bleibt es dort bei limitierten Funktionsweisen, die im Spiel nie vollkommen erkundet werden.

Damit zeigt sich auch das größte Problem, das alle Mängel gut zusammenfasst. Der Puppenspieler wirft mit Mechaniken um sich, ohne diese wirklich zu verstehen. Besonders der Einsatz von unterschiedlichen Köpfen bietet ein Meer an frei erkundbaren Möglichkeiten, denen sich das Team nicht annehmen wollte oder konnte. Stattdessen sind sie nichts mehr als Trefferpunkte, die ihr nach dem Verlust wieder aufsammeln könnt und mit denen ihr weitere Leben freischaltet. Bis auf die Schere Calibrus habt ihr jedes Element schon gesehen und das in einer wesentlich besseren Umsetzung.

Der Puppenspieler ist damit eine spielerische Enttäuschung, die zu sehr in das eigene Design verliebt ist. Würde es die Erfahrung nicht mit einer unerträglichen Anzahl von Zwischensequenzen erdrücken, wäre vielleicht mehr Zeit für das eigentliche Gameplay übrig geblieben. Hier lagen die Prioritäten sicherlich an der falschen Stelle, auch wenn die Optik über jeden Zweifel erhaben ist und dem Titel eine unverkennbare Persönlichkeit verleiht. So kurz nach der Veröffentlichung des nahezu perfekten Rayman Legends, das die Verschmelzung beider Komponenten so perfekt schaffte, kann ich diesen Titel niemandem so wirklich ans Herz legen. Es ist interessant. Das muss man dem Puppenspieler lassen. Wartet aber lieber auf kalte Wintertage, wenn ihr es günstig abstauben könnt und nach den ganzen Blockbustern auch die nötige Zeit habt.

6 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Puppeteer

PS3

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.
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