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Angry Video Game Nerd Adventures - Test

He's gonna take you back to the past, to play the shitty games that suck ass...

Der Angry Nerd. Irgendwie scheint ihn jeder zu kennen, fast jeder mag ihn und das, obwohl seine Show eigentlich kaum mehr als eine Sammlung von Obszönitäten, Schrottspielen und elaboriert visualisiertem Fäkalhumor darstellt. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht auf jede neue Folge freuen würde.

Jedem 8/16-Bit-Fan, der den Nerd nicht kennt und rauen Humor abkann, empfehle ich kurzerhand einfach mal einen Ausflug auf seine Seite Cinemassacre, bevor ich mich jetzt hier mit langen Erklärungen zur Show aufhalte. Stattdessen möchte ich Insiderwissen teilen, das sich in diesem Land gar nicht so leicht erlangen lässt: der Geschmack von Rolling Rock Bier. Ein weitverbreitetes Pale Lager, das hier in Europa gar nicht so leicht erhältlich ist und damit habe ich auch kein Problem mehr. Denn die Wahrheit ist, dass dieses Bier einfach nach nichts schmeckt. Dünnes Wasser, wenn es kalt ist, Lorke, sollte es warm sein und ich würde eher eat the rotten asshole of a road killed skunk and down it with beer. Zumindest solange es kein Rolling Rock ist.

Ein Satz, den ihr häufiger hören werdet. Von euch. Weil ihr es sagt. Oft. Aber selten in echtem Zorn.

Also, das Bier ist fast so schlecht wie die Games, über die sich der Nerd auslässt und ehrlich gesagt ging meine Erwartung und Befürchtung eher in die Richtung, dass sein eigenes Spiel genau das emulieren würde. Er musste mehr als Hundert Episoden lang leiden, jetzt sind die Spieler dran. Dem ist zur Schonung meiner Tester-Nerven nicht so. Bis auf eine Eigenschaft, die die meisten der Unsäglichkeiten bieten, die sich die Show vornahm: Angry Video Game Nerd Adventures, so der volle Titel, ist hammerhart.

Zur Castlevania-Erfahrung gehört, dass ihr bei einem Treffer zurückgeworfen werdet.

Zum Glück gibt es einen entscheidenden Unterschied. Die schlechten Spiele sind aus den falschen Gründen schwer. Miserable Steuerung, unfaire Gegner-Platzierungen und schlechtes Spieldesign, mitunter auch mal komplette Glitch-Wüsten - Cheetamen 2 - machen diese Monster unspielbar. Die Nerd Adventures sind dagegen die gute Sorte von hart. Bricht man es runter, ist es ein sehr gradliniges 2D Plattform-Spiel, das in vielerlei Hinsicht an Mega Man erinnert. Pixelgenaue Sprünge, tödliche Plattformen, verschwindende Blöcke und fiese Kombinationen aus Fallen und Gegnern machen euch das Leben zur Hölle. Es ist fair. Fast jede Stelle lässt sich ohne Lebensverlust meistern. Aber selten im ersten Anlauf.

Eine der wirklich fiesen Stellen: Die Blöcke töten sofort und werden bei jedem Durchgang neu verteilt.

Leider ist das "fast" bewusst gewählt, einige Passagen wirken schon mehr frustrierend als fordernd. Trial & Error ist dabei gar nicht mal so sehr ein Faktor wie die Notwendigkeit, ein paar zu viele Ein-Pixel-Sprünge durch tödliche Fallen hindurch absolvieren zu müssen, bevor der nächste Speicherpunkt innerhalb des Stages erreicht ist. Furchbar wird es, sobald ein Zufallselement dazukommt. Das beste Beispiel dafür wäre der Satan-Boss. Er hält eine Menge Treffer aus und die ganze Zeit fliegen zufällig verteilte Blöcke durch den Screen, die sofort töten. Manchmal sind es so wenige, dass der Kampf fast einfach ist, in der nächsten Runde sind es Muster, die den Kampf schlicht unmöglich scheinen lassen. Es fühlt sich nach Glück an und das hat in so einem Spiel nichts verloren. Es sind wenige Stellen, aber sie werden den Blutdruck nach oben treiben. Ihr werdet teilweise fluchen wie der Nerd selbst.

Diesen Screen werdet ihr oft sehen. Fast jedes Mal mit einer neuen Tirade.

Damit wird der Geist der guten Spiele der Ära wie eben Mega Man recht präzise eingefangen. Die Spiele sind nicht wirklich lang, aber die Strecke müsst ihr euch erarbeiten. Immer wieder und wieder, bis ihr es fehlerlos beherrscht. Das macht man aber nur dann freiwillig, wenn der Spielspaß stimmt, und zu der Fairness gehört bei einem solchen Hüpfer vor allem eine gute Steuerung. Diese hier ist ausgezeichnet. Anfangs etwas fummelig, werdet ihr nach einer Weile diese auf den einen Pixel genau getrimmte Präzision schätzen, denn sie wird immer und immer wieder eingefordert. Es ist nicht ganz so perfekt wie ein Meatboy, aber doch genau auf die hier gestellten Aufgaben angepasst.

Acht Welten plus einen Intro und Final-Stage sind zu meistern, und bis ihr selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad - "normal" - durch seid, vergeht ganz ordentlich Zeit. Damit ist das Ende noch lange nicht erreicht, denn das hier ist ein gutes Spiel, um Ambitionen zu entwickeln. Vier weitere Schwierigkeitsgrade warten und ich bin noch nicht mal auf dem Zweiten durch. Die Motivation ist aber immer noch da und wenn ich mit dem Test fertig bin, hole ich mir ein richtiges Bier und werde es wieder versuchen.

Ihr könnt andere Figuren freischalten. Kyle gibt es einmal so und einmal als Skelett. Das kam in einer Folge vor?

Kommen wir zum wahrscheinlich wichtigsten Aspekt, dem Fan-Service. Dies ist schließlich ein "Lizenz"-Spiel. Mehr oder weniger. Fans müssen sich in dieser Richtung sicher keine Sorgen machen. Bei jedem Ableben gibt es nicht nur ein "You Are Die", sondern auch einen Kommentar des Nerds. Ich habe noch nie so viele sehr explizite Formulierungen gehört, die eine dermaßen große Zahl an Tier-Körperöffnungen, Fäkalien aller Art und Konsistenz und Dingen bot, über die man noch viel weniger gern nachdenken möchte. Die Profanitäten hören da nicht auf. Die Gegner halten sich an diese infantile Formel, praktisch jede Figur hat einen kurzen Gast-Auftritt und jeder der Stages ist seine eigene Art von Fan-Service. Castlevania-Land, etwas, das wohl aus dem furchtbaren Wizard of Oz Spiel kommen könnte und sogar ein ganzer Level, der den Atari-2600-Porno-Spielen gewidmet wurde, sorgen für viele, viele Wiedererkennungseffekte. Die Smartbomb ist Super Mecha Death Christ, ein Stageboss ist Satan aus Super Mario 3. Als Fans werdet ihr viel Spaß mit all dem gesammelten Schrott von Hundert Episoden Angry Nerd haben. Als Nichteingeweihte werdet ihr euch fragen, was zur Hölle das alles soll? Ich würde sagen, alles richtig gemacht!

Eine ehrliche und als Spiel gut umgesetzte Reminiszenz an Ataris einmalige Art von Porno. Wer hätte gedacht, dass so etwas möglich ist.

Also, Liebhaber des feineren Humors und Freunde des Angry Nerds brauchen nicht lange über die 14 Euro rätseln. Gönnt es euch! Aber auch sonst ist das ein erstaunlich solides Spiel. Ein mit Profanitäten übersätes, komplett durchgeknalltes, fäkal-fixiertes Chaos von einem Spiel, aber als Plattformer trotzdem eine grundsolide Angelegenheit. Schwer, aber fair, eine gute Steuerung, verrückte 8-Bitz-Grafik, die ganz dem modernen Emo-Retro-Design dieser Tage entspricht, es ist alles da. Ich gebe zu, ich hätte es lustiger gefunden, wenn die Nerd Adventures ein richtig schlechtes, glitchiges Spiel geworden wäre, furchtbar zu steuern und noch schlimmer anzuschauen. Aber das hier ist sicher die sinnvollere Lösung, wenn man einen ganz ordentlichen Preis dafür verlangen möchte. Sicher keine Spiel für jeden, nicht mal jeden Retro-Fan, aber ganz sicher genau das, was die wirkliche Zielgruppe erwartet hat. Etwas, bei dem man viel Spaß hat und trotzdem viele, viele Kraftausdrücke in Richtung des Screens schleudern kann.

8 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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