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Lightning Returns: Final Fantasy 13 - Test

Ein Rohdiamant, der selbst ohne Feinschliff wertvoll ist.

Eine so ambitionierte wie qualitativ holperige Serie findet auch im Finale keine Ruhe und experimentiert viel. Zum Glück mit Erfolg.

Ich weiß nicht genau, warum, aber ich plane gerne. Termine, das Filmprogramm für den Abend in zwei Wochen oder was ich die nächsten Tage esse. Es sind kleine Puzzles, bei denen ich genau die Zeit und verfügbaren Möglichkeiten abwägen muss. Wahrscheinlich gefällt mir Lightning Returns: Final Fantasy 13 deswegen so gut. Denn der zentrale Fokus liegt für mich nicht auf den Kämpfen, der Welt oder den Missionen. Es ist ihr Zusammenspiel im Zeitmanagement, verknotet zu einer komplexen Struktur, bei der sich jede Entscheidung in einem Bereich auf alle anderen auswirkt.

Was ist passiert? Ach, egal.

Ein paar Jahrhunderte sind nach dem Ende von Final Fantasy 13-2 vergangen und die Welt steht kurz vor ihrer Vernichtung. Genau genommen bleiben den Bewohnern der letzten vier Gebiete noch 13 Tage. Während dieser Zeit soll Lightning als von Gott auserwählte Erlöserin die Menschen retten und auf eine neue Welt vorbereiten. Verschwendet an die Handlung besser keinen Gedanken. Sie ist schrecklich und dient allein als Erklärung für die tickende Uhr in eurem Nacken. Je weniger Beachtung ihr der Geschichte schenkt, desto fröhlicher seid ihr beim Spielen und könnt den Rest ohne Beschwerden genießen.

Die größte Stärke des Titels ist die Angst vor dem Ablauf eurer Zeit. Stets seid ihr unter Druck und überall warten verschiedene Probleme auf ihre Lösung. Neben ein paar größeren Hauptmissionen existieren weit über 100 Nebenaufträge, die alle ihre eigenen Restriktionen mitbringen. Für einige müsst ihr beispielsweise zuvor andere Missionen erfüllen oder auf eine bestimmte Zeit warten. Lightning bleiben nur 24 virtuelle Stunden, bevor sie jeden Tag um 6:00 Uhr auf eine Arche geholt wird. Dort entscheidet sich dann, ob das Ende der Welt noch ein wenig hinausgezögert wird. Denn obwohl eigentlich 13 Tage zur Verfügung stehen, habt ihr zunächst nur sieben. Die restlichen schaltet ihr nach genügend erfüllten Missionen frei. Dadurch entsteht nicht nur eine anhaltende Dringlichkeit, sondern ihr kämpft jeden Tag um zusätzliche Zeit, was für ein beständiges Belohnungsgefühl sorgt.

Ganz ohne DLC geht es dann doch nicht.

Beim Planen eurer Tage müsst ihr mehrere Dinge beachten. Zunächst einmal wisst ihr bei den Hauptmissionen nie, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen. Einmal unterschätzte ich die Dauer dermaßen stark, dass ich während des Auftrags in die Arche wanderte, weil die Uhr plötzlich auf 6:00 Uhr sprang. Meist unterliegen die Aufgaben verschiedenen Zeitfenstern, in denen ihr operieren müsst. So könnt ihr einen Auftrag beispielsweise nur vormittags annehmen oder der Ablauf verlangt den Besuch eines Gebiets, das nur zu bestimmten Uhrzeiten geöffnet ist. Ständiges Vergleichen der Aufträge und mentale Notizen sind Pflicht.

Reisen von A nach B mutieren schnell zum härtesten Widersacher. Vor allem Ausflüge zwischen den einzelnen Regionen, da ihr dort einen Zug benutzen müsst, dessen Fahrzeit man natürlich auch von eurer Uhr abzieht. Um dem Ganzen zu entgehen und mehr Zeit für euch zu gewinnen, könnt ihr sogenannte EP-Punkte für Teleportation sowie das Einfrieren der Uhr verwenden, die ihr nur nach erfolgreichen Kämpfen erhaltet. Erfahrung gibt es dagegen keine. Eure Attribute steigert ihr allein durch das Absolvieren von Missionen. Eine vollkommen neue Art der Dynamik entsteht also zwischen Aufträgen und Auseinandersetzungen. Grinden fällt komplett weg. Ihr entscheidet, wann sich ein Kampf lohnt. Lieber die Gegner umgehen oder doch ein paar vernichten, um mit den gewonnenen EP die Zeit einzufrieren?

Leben in der Zwickmühle

Ähnliche Fragen tauchen während der Kämpfe auf. Schließlich benötigt ihr auch dort die EP für besondere Fähigkeiten. Den Kampf schnell beenden oder doch die Punkte sparen und den Feind normal bearbeiten? Diese Entscheidungen wirken sich dann wiederum sofort auf das restliche Spiel aus. Habt ihr die EP in der letzten Auseinandersetzung verbraten, fehlen sie euch für die Teleportation, wodurch ihr nun den Zug nehmen müsst und wertvolle Zeit verliert. Seid ihr dagegen der sparsamen Route gefolgt, könnt ihr euch nun sofort zum anderen Ende der Weltkarte zaubern. Allerdings auf Kosten eurer Gesundheit, weil der Kampf wesentlich länger gedauert hat. Und Wunden verlangen schließlich nach Heilung. Falls ihr dann keine Tränke mehr bei euch habt, frisst ein Besuch beim Händler weitere Minuten. Da ihr nur maximal sechs Heilgegenstände mit euch führen könnt, bedarf es eines sparsamen Umgangs. Diese Verflechtung der Elemente schließt sich zu einem wunderbar frischen und teilweise auch ganz schön schweren System zusammen, das euch jederzeit fordert. Spielt deswegen unbedingt auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Denn auf Leicht heilt sich Lightning zwischen Gefechten automatisch und auch das Flüchten zieht euch keine Zeit ab. Für Einsteiger sicherlich eine nette Option, doch verfliegt ein Großteil der Magie, wenn ihr weniger Sorgen habt.

Je weniger Beachtung ihr der Geschichte schenkt, desto fröhlicher seid ihr beim Spielen und könnt den Rest ohne Beschwerden genießen.

Tobt euch bei der Gestaltung eurer Kampfgarnituren ordentlich aus.

Die gleichen Freiheiten wie auf der Oberwelt erwarten euch beim Kampfsystem. Was für eine Freude es bereitet, sobald ihr die Mechaniken einmal verinnerlicht habt. Eure Ausrüstung besteht aus unterschiedlichen Kampfgarnituren, von denen ihr im Verlauf mehrere freischaltet oder bei Händlern erwerbt. Sie legen gewisse Grundwerte sowie euer Aussehen fest. Dazu kombiniert ihr Waffen, Schilde und Accessoires. Sogar die Angriffe einer Garnitur dürft ihr frei wählen. Drei Outfits legt ihr insgesamt für den aktiven Kampf fest. Jedes mit eigener Aktionsleiste, zwischen denen ihr per Knopfdruck wechselt. So bastelt ihr verschiedene Jobs ganz nach euren Vorstellungen. Setzt hohen Wert auf physischen Schaden, magische Attacken oder Verteidigung. Kombiniert zwei Attribute oder fokussiert euch auf bestimmte Elemente. Es liegt ganz an euch. Sogar die Farben für die einzelnen Teile der Rüstung legt ihr auf Wunsch fest.

In den Kämpfen selbst spielt sich Lightning Returns relativ flott und knackig. Nur wenn alle drei Aktionsleisten komplett aufgebraucht sind, müsst ihr eine Pause einlegen. Ansonsten führt ihr fröhlich ein Manöver nach dem anderen aus, wechselt zwischen den Garnituren und ladet so nebenher die anderen ATB-Balken wieder auf. Bewegt euch frei auf dem Feld, um Abstand zum Feind zu gewinnen, und passt nebenher auf die gegnerischen Animationen auf. Sie verraten euch den Beginn ihrer Attacken, die ihr nun erstmals blocken oder mit den richtigen Fähigkeiten sowie dem nötigen Timing sogar parieren könnt.

Wer in den Gefechten ohne richtigen Rhythmus auf die Knöpfe hämmert, wartet nicht lange auf Frustration.

Das System fordert eine gewisse Einarbeitungszeit. In den ersten Kämpfen haut ihr nur verwirrt auf die Tasten. Erst später lernt ihr die Feinheiten, kombiniert gekonnt verschiedene Angriffe und versteht die Notwendigkeit der gelegentlichen Zurückhaltung. Zudem erfordert jede Attacke ein anderes Timing für größeren Schaden. Aktiviert ihr eure nächste Aktion im Moment des aktuellen Treffers, erhöht sich die Effektivität. Wer hier ohne richtigen Rhythmus auf die Knöpfe hämmert, wartet nicht lange auf Frustration. Erkennt ihr dagegen das Genie des Kampfsystems und arbeitet euch richtig rein, verwandelt sich jeder durchschaute Gegner in einen Spielplatz voller Möglichkeiten. Die Vielfalt an Kombinationen von Angriffen in Verbindung mit den Schwachstellen unterschiedlicher Feinde generiert einen riesigen Pool der persönlichen Entfaltung. Leider funktioniert es nicht ganz so gut, wenn ihr es mit mehreren Feinden aufnehmt. Die Kamera ist zu nah an euch fixiert und oft treffen euch feindliche Angriffe, die ihr niemals hättet sehen können.

Langes Abenteuer

Ein virtueller Tag dauert übrigens exakt 72 reale Minuten. Mit 13 multipliziert ergibt sich eine recht magere Dauer. Doch die Zeit schreitet nur außerhalb von Kämpfen, Dialogen und Menüs voran. Zudem verlängern sich eure Tage durch regelmäßiges Einfrieren der Zeit sowie Teleportation um ein gutes Stück. Die eigentliche Spielzeit für einen normalen Durchlauf ist daher schwer festzustellen. Ihr könnt sicherlich nach 20 Stunden am Ende sein, wenn ihr nur der Handlung folgt. Meine Uhr zeigte nach dem Abspann über 45 Stunden an. Mittlerweile befinde ich mich im New Game+ mit allen bisherigen Fähigkeiten und Gegenständen. Zudem erlaubt euch das Spiel im zweiten Durchgang das Kombinieren von Schwertern, Schilden und Accessoires, um deren Werte zu verbessern. An Inhalten und Motivationsködern mangelt es Lightning Returns nicht.

Aufträge untersuchen interessante Themen meist nur in groben Ansätzen, tauchen aber nie tiefer in die Materie ein.

Die meisten Monsterarten könnt ihr im Verlauf des Spiels sogar komplett ausrotten, falls ihr sie oft genug besiegt.

Dafür fehlte dem Titel anscheinend ein gutes Budget. Auch die geringere Entwicklungszeit gegenüber den Vorgängern ist stark zu spüren. Zwar sind die Regionen alle bis zum Bersten gefüllt, doch kann man ihre Gesamtfläche für ein japanisches Rollenspiel nur als klein bezeichnen. Bei der Gegnervielfalt hielt man sich ebenso zurück. Recht schnell lernt ihr sämtliche Feinde kennen und auch die Bosse kopierte man fast alle aus früheren Spielen. Darüber hinaus basieren viele Nebenaufträge auf dem gleichen Prinzip. Gehe zu einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Punkt, besiege einen bestimmten Feind oder suche bestimmte Objekte. Und nur wenige überzeugen mit ihren kleinen Geschichten. Aufträge behandeln interessante Themen meist nur in groben Ansätzen, tauchen aber nie tiefer in die Materie ein.

Optisch fällt das Spiel im Vergleich mit den ersten beiden Teilen ebenso ab, wobei besonders die schwankende Framerate keine Abhilfe schafft. Selbst die berühmten vorberechneten Zwischensequenzen zeigen sich äußerst selten. Dafür dürft ihr euch die stets statischen Gesichter der Figuren ansehen, die nur ihre Münder bewegen. Es fehlt eindeutig die Politur, und das Spiel scheint an manchen Stellen unfertig zu sein. Sogar die Benutzeroberfläche in den Kämpfen erinnert mehr an einen Prototypen, den man zu überarbeiten vergaß.

Trotzdem stimmt es mich glücklich. Glücklich darüber, dass dem Team das Gameplay wichtiger war als die Optik. Glücklich darüber, dass man lieber an vier kleinen, unterschiedlichen Gebieten arbeitete, anstatt eine riesige, homogene Masse zu erstellen. Glücklich darüber, dass man Risiken einging und den Mut zur Innovation zeigt. Und obwohl Lightning Returns manchmal unfertig wirkt, weist es von der gesamten Trilogie das größte Herzblut auf. Genau deswegen ist es sicherlich kein Spiel für jedermann. Die Geister werden sich daran scheiden und für alle Ewigkeit auf zwei Lager verteilt darüber diskutieren. Ich stelle mich jedenfalls auf die Seite der Befürworter.

8 / 10

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.
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