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Resident Evil 4: Ultimate HD - Test

Der Zahn der Zeit nagt an den Besten.

Die QTEs wurden über die Jahre nicht besser und auch sonst zog die Zeit nicht unbemerkt vorbei. Aber genug des Spaßes ist immer noch da.

Nicht alle großen Klassiker altern auch gut. Wing Commander zum Beispiel ist mit seinen ruckelig zoomenden, zuckelnden Raumschiff-Sprites ebenso unerfreulich zu spielen wie das erste Tomb Raider. Das erlaubte in Ermangelung eines zweiten Sticks noch keine unabhängige Kameraführung und bestand darauf, dass Laras Beweglichkeit der eines Panzers aus dem zweiten Weltkrieg glich. Beides sind trotzdem geniale, wahnsinnig einflussreiche und von mir hochgeschätzte Spiele, ungeachtet dessen, dass sie ihren spielerischen Wert nicht über die Zeit retten konnten.

Resident Evil 4 ist in vielerlei Hinsicht ein ebenso bedeutender Wegbereiter wie eben genannte Beispiele. Seine Einfälle prägten die letzten beiden Generationen wie wenige andere Titel. Es war Anfang 2005 ein neuartiges, wichtiges Spiel, das den Nerv der Zeit genau traf und das jeder gespielt haben musste. Ihm haben wir etwa den goldenen Schnitt zu verdanken, der die Spielwelten der letzten Konsolengeneration zum Großteil mit Blick über die rechten Schultern ungezählter Spieleprotagonisten inszenierte. Auch der Trend, Horrorspiele eher in Richtung schneller Action zu verrücken, geht auf Mikamis vierten Teil der Reihe zurück, die einst den Begriff des "Survival-Horror" maßgeblich definierte.

Hosen mussten gewechselt werden!

Quick-Time-Events waren unterdessen zwar ein Einfall, den Shenmue auf dem Dreamcast als Erstes hatte, aber auch die machte erst Leon S. - "S" wie "Scheitel" - Kennedys spanische Präsidententochterrettung salonfähig. Wenn man dann noch in den Mix wirft, dass das Spiel zu 20 bis 25 Prozent aus einer gewaltigen Eskortmission einer Göre besteht, die das Frauenbild in Videospielen um ein gutes Jahrzehnt zurückwirft, ist es heute vermutlich nicht mehr so leicht nachvollziehbar, wenn der Titel gemeinhin so hochgeschätzt ist, sogar als eines der besten Actionspiele aller Zeiten gilt. Aber es ist auch nicht weniger wahr, denn die meisten schlimmen Trends und Ich-auch-Bewegungen starteten mal mit einer guten Idee in einem Werk, das die Menschen bewegte. Der Brückenschlag zu Wing Commander und Tomb Raider? Nun, auch Resident Evil 4 ist eines dieser Spiele, die heute nicht mehr ganz so gut funktionieren wie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens.

Besser spät als nie

"'Seitwärtsgehen' hält Capcom für eines der Inuitworte für Schnee."

Das liegt allerdings auf keinen Fall an der ordentlichen Portierung, die Capcom hier hinlegt. Dies ist die Version, die wir schon 2007 hätten bekommen sollen. Denn bis heute zählt der ursprüngliche PC-Port zu den definitiven Negativbeispielen für Umsetzungen von Konsolentiteln. Für die Neuveröffentlichung am Spielerechner hat Capcom die Auflösung auf zeitgemäße Formate zurechtgezogen, den Xbox-360-Controller unterstützt und auch Maus und Tastatur schmerzfrei benutzbare Tastenbelegungen spendiert. Die fixen 60 Bilder pro Sekunde sorgen auf schwachen Systemen zwar leider dafür, dass das Spiel ab und an für einen Moment in ein Zeitlupentempo verfällt, und trotz vielerorts höher aufgelöster Texturen sieht man noch einige sehr verschwommene Höhlen-, Wand- oder Möbeltapeten. Aber alles in allem ist RE4 in dieser Ausgabe immer noch ein gut anzusehender, ordentlich spielbarer Schocker.

Dass sein Genie nicht mit unverminderter Kraft in der Neuzeit einschlägt, liegt dabei gar nicht einmal an dem befremdlichen Weltendesign, das wild alle möglichen Gruselversatzstücke mit schamlosem Japan-Camp mischt und sich im Erdenken immer exotischerer Schlüssel-Schloss-Mechanismen ergeht. Das alles funktioniert in der heutigen, realismusbesoffenen Spielelandschaft besser denn je. Nein, es ist die Handhabung, die Resident Evil 4 2014 als Fremdkörper entlarvt: Zum Schießen muss man stehen bleiben, "Seitwärtsgehen" hält Capcom für eines der Inuitworte für Schnee . Wollt ihr eure Gegner zum Beispiel durch ein Fenster aufs Korn nehmen, könnt sie aber wegen der seitlich versetzten Perspektive nicht mit eurem Laservisier erfassen, müsst ihr umsiedeln. Dreht euch nach links, macht einen Schritt dorthin und schwenkt dann wieder in Richtung des geduldig den kürzesten Weg in eure Richtung schleichenden Mobs an gehirngewaschenen Fackelträgern. Obwohl Resident Evil im vierten Anlauf die voreingestellten Kameraperspektiven abschüttelte und man nun in Echtzeit überall hinblicken darf, ist Übersicht also noch immer die wichtigste Ressource. Und die verknappen Mikami und seine Kollegen beizeiten auf etwas künstlich wirkende Weise.

Es ist nicht die schlimmste Eskortmission, die man je gespielt hat. Das Wort 'Charakter' wirkt im Zusammenhang mit Ashley aber trotzdem fehl am Platz.

Leon müsste den Sichelmann, der von links anrückt, schon lange sehen, dem Spieler ist dieses Privileg aber nicht vergönnt. Eine freie Kameradrehung würde das Problem lösen, aber dem Spiel ist nicht wohl dabei, seinem Gast einen zweiten Stick aufzubürden. Also sind Blick- und Zielrichtung in der Regel dieselbe. Man darf im Stand zwar langsam den Fokus schwenken, aber sobald man sich bewegt, schnellt die Kamera wieder hinter die Spielfigur. Aus dem Lauf ist es nur schwer machbar, eine andere Blickrichtung zu halten als die, in die man rennt, zumal man dann auch im Weg nach vorn häufig an der Levelgeometrie und unsichtbaren Wänden festhängt. Dies sind allesamt bewusste Entscheidungen, um den Spieler in Panik zu versetzen, und sie verfehlten damals ihre Wirkung nicht. Aber sie fühlen sich deshalb mit etwas zeitlichem Abstand auch nicht weniger erzwungen an. Wer wiederholt in eine eigentlich kaum versteckte Bärenfalle vor ihm trat, weil die Kamera erst auf Hüfthöhe anfängt und der Blick nach unten mit einem widernatürlichen Aufwand verbunden ist, wird sofort verstehen, was ich meine.

SCHNELLER. DRÜCKEN!

"QTE-Tode mit wenig Versagensspielraum gehören zu den Unarten, die sich besser niemand jemals von Resident Evil 4 abgeschaut hätte."

Und dann sind da bereits erwähnte QTEs, die in ihrer Einbindung in jedem heutigen Spiel ein schwerer Kritikpunkt wären. Zum Teil mag das daran liegen, dass ich mit Maus und Tastatur spielte. Sollt ihr in einem dieser kurzen Reaktionstests rennen oder euch an einer Felskante hochziehen, bevor Leon abstürzt, müsst ihr die X-Taste mit der linken Hand hämmern. Zwei, drei Mal starb ich, weil das Spiel fand, dass ich nicht schnell genug war. QTE-Tode mit wenig Versagensspielraum gehören zu den Unarten, die sich besser niemand jemals von Resident Evil 4 abgeschaut hätte. Zudem schießt das Spiel hier auch den Bock, zwei der QTE-Tasten mit X und C so zu belegen, dass sie aus der normalen WASD-Handhaltung oft nicht rechtzeitig zu erreichen sind. Zum Glück ist der nächste Versuch meistens nur ein paar Sekunden entfernt. Den meistens - aber auch nicht immer: Lorenfahrt! - gut gesetzten Checkpunkten sei dank.

Auch das Inventar verwaltet sich leichter, wenn man den Controller zur Hand nimmt. Dass ich Items auch manuell drehen konnte, damit sie besser Platz in meinem Waffenkoffer fanden, hab ich an der Tastatur nur durch Zufall rausgefunden - "Del" war die Taste, die ich suchte, während für das Verschieben Backspace gefragt war. Letzteres kommunizierte das Spiel zwar zur Abwechslung tatsächlich, ist aber nicht gerade intuitiv, weil man die Maus loslassen muss. Dennoch war ich überrascht, wie gerne ich den Titel mit Maus und Tastatur spielte. Das Zielen ist einfach eine Freude.

Die Gegner sind fast mit Creeps aus einem Tower-Defense-Spiel zu vergleichen. Nach bester Videospieltradition nutzt man gezielt ihre Animations- und Verhaltenstechnischen Defizite aus.

Am Controller war indes der nach heutigen Maßstäben übersensible und nicht justierbare Zielstick sehr gewöhnungsbedürftig. Zwar kommt der Vorgang auf diese indirekte Weise dem echten Zielen etwa mit einer Luftpistole deutlich näher, nur trifft man deutlich seltener und die langsamere Drehung Leons ist häufig Grund dafür, dass einem Gegner in die Seite fallen. Mit der Maus dagegen wurden platzierte Treffer so einfach wie nie, bis ich irgendwann ein wohliges Gefühl von Allmacht hatte. El Gigante lag binnen einer gefühlten Minute, ohne mir gefährlich zu werden, und auch vielen anderen Bossen, etwa Salazar, nahm meine Roccat Kone treffsicher den Schrecken. In einem Horrorspiel ein zweifelhaftes Kompliment, aber das Managen der häufig sehr großen und gut gemischten Gegnergruppen fühlte sich deshalb trotzdem nicht weniger gut an.

Man muss sich umstellen und ohne Frage hilft es, sich in sein neun Jahre jüngeres Selbst hineinzuversetzen. Dann kann man dieses umfangreiche, erfrischend videospielige und nicht eine Sekunde langweilige Action-Adventure mit dem doppelt aufgetragenen Handlungskäse, den barocken Zwergengreisen und dem grandiosen Tempo am besten genießen. Obwohl die QTEs heute mehr denn je nerven, die binäre KI nichts mit aktueller Gefechtsdynamik zu tun hat und die Panik von damals zumindest auf "Normal" heute nicht mehr wirklich aufkommen mag: Man erkennt noch immer gut, weshalb sich so viele Entwickler ein Beispiel an Resident Evil 4 nahmen. Das Spiel war damals die Rettung der Reihe, weil es aus dem Kreis ausbrach, in dem sich die Marke bis dahin unentwegt um sich selbst gedreht hatte. Wie schön wäre es, wenn Capcom das mit dem nächsten Teil der Reihe erneut gelänge!

Kein zeitloser Klassiker also, aber nichtsdestotrotz ein Klassiker, den man erlebt haben sollte. Wohl dem, der das schon im letzten Jahrzehnt erledigt hat. Für knapp 20 Euro kann man aber auch anno 2014 nur wenig falsch machen.

7 / 10

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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