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Killerspieler gewinnen eine Million Dollar - Muss das sein?

Massengemetzel in einem Zelt auf einem Parkhaus in Los Angeles.

Dieses Jahr war natürlich Ghosts das Spiel der Wahl.

So, das war also die Call-of-Duty-Weltmeisterschaft. Falls ihr euch fragt, wie die Titelzeile in diesem Zusammenhang gemeint sein könnte, es ist die Verwertung einer Drei-Bier-Idee eines geschätzten Kollegen, der die Zeile leider nicht für eine sehr reichweitenstarke Publikation verwenden wollte. Da sie aber viel zu sinnlos provokant und polemisch-populistisch ist, um ganz ungenutzt zu bleiben, opfere ich mich, sie fachungerecht zu verwenden, und immerhin brachte sie sicher den einen oder anderen Blutdruck auf Betriebstemperatur. Um ihn wieder zurück in den grünen Bereich zu bringen, lautet meine Antwort natürlich zum einen „Sicher, es hätte gerne auch mehr sein können" und zum anderen „zur Hölle mit dem Begriff Killerspieler". Es gibt höchstens Spiele, in denen es die Aufgabe des Spielers ist, mit seiner Spielfigur Konstrukte aus Grafik und Sound, die wie Menschen aussehen, mit nicht weniger virtuellen Waffen in den genauso virtuellen Himmel zu schicken. Killerspiele halt. Ist Peter Gauweiler eigentlich inzwischen in Rente oder machen CSU-Politiker weiter, bis das letzte Wiesnzelt in einer Welle aus Schwarzkassen und unversteuertem Champagner versenkt ist?

Wo wir schon bei dem Thema Zelt sind. Streaming ist sicher das Ding der Stunde und der auf sie folgenden Zukunft. Auf den Kanälen der Xbox und auch sonst wurde alles übertragen, was da so passierte, aber wer vor Ort in Los Angeles war, der bekam den ungefilterten Blick auf etwas, das so ganz anders wirkte, als es bei einem sportlichen Großevent der Fall sein sollte. Während die richtigen sportlichen Großevents in der Staples Arena gleich nebenan stattfanden - NBA-Spiele oder League-of-Legends-Turniere vor 11.000 Zuschauern -, baute man für das umsatzstärkste Shooter-Spiel seit Menschengedenken ein Zelt auf das Parkhausdach besagter Arena. Zugegeben, es war ein sehr großes Zelt auf einem ebenso großem Parkhaus, es wurde nett ausstaffiert, ausgeleuchtet und klimatisiert - siehe Bilder weiter unten -, aber am Ende muss man es halt auf den Punkt bringen: Es war ein Zelt auf einem Parkhaus.

Die Vorrundenspiele fanden oft an zwei Stationen und nicht im Glaskäfig statt.

Stimmung kann natürlich in der kleinsten Hütte sein, ohne Frage, aber dazu muss man erst mal die Stimmung hineinbringen. Oder wenigstens einladen. Während die Vorrundenspiele am ersten von drei Veranstaltungstagen noch vor minimal besetzten Tribünen ausgetragen wurden, kam deren Fassungsvermögen zumindest am letzten Tag an ihre Grenzen. So weit, dass man sogar Stühle vor dem Spieleraquarium aufstellen musste, in dem die Stars ihre Gefechte austrugen. Grob 400 bis 500 - ich zähle hier großzügig - nicht direkt desinteressierte, aber doch eben auch nicht gerade emotional involvierte Vertreter von Activision, der Presse und andere geladene Gäste blieben zu 99,8 Prozent der Zeit fest auf ihren Stühlen. Verhaltener Applaus von Zeit zu Zeit und gut, dass wenigstens ein paar Community-Enthusiasten gelegentlich in kurze Schübe von Gefühlswallungen gerieten. Und wie gesagt, die Reihen vor dem Glaskasten waren erst bei den Spielen am letzten Tag so gut gefüllt, an den beiden Vortagen musste man sich selbst für Spitzenmatches nicht gerade drängeln.

Im Aquarium hatten die Spieler ihre Ruhe und das Publikum war vor wilden Kraftausdrücken geschützt.

Aus deutscher Sicht lief das Ganze eh ab, wie man es erwarten konnte. Es gab keine Cinderella-Story, keine klassische Underdog-Sportfilm-Dramaturgie, die beiden Teams SK Gaming und Killerfish schieden in der Vorrunde aus. Beide haben ihre Haut nicht billig verkauft, SK Gaming hatte ein unglaublich knappes Spiel gegen den sehr starken US-Favoriten FaZe geboten und sich auch wacker gegen die Überraschung des Events, die australischen T1 Dotters, gehalten. Aber nah dran ist nun mal das Dessous-Geschäft, bei dem das Schaufenster vergessen wurde, und so muss es bei einem durch und durch ehrlich gemeinten „Ihr habt euch tapfer geschlagen, Kopf hoch" bleiben.

Ganz fair war es eh nie, die deutschen oder auch einige der anderen internationalen Teams gegen die US-Profis antreten zu lassen. Es ist das Äquivalent des DFB-Pokals in einer Runde, in der ein Drittligist gegen den FC Bayern kickt. Die Teams aus den USA und auch einige ihrer internationalen Konkurrenten sind von Sponsoren durchfinanzierte Profis, die jeden Tag über Stunden trainieren, Taktiken studieren, sich selbst welche ausdenken und sich keine Sorge über Job oder Studium machen müssen. Turnierspieler zu sein ist ihr Job und er wird mitunter nicht schlecht bezahlt. Ob das erstrebenswert ist, weiß jeder für sich selbst am besten, meine Sache wäre es nicht, zumal ich wenig Illusionen über das übliche „Ist doch super, da kannst du jeden Tag zocken!" habe. Aber wenn jemand es möchte und auf dem Niveau spielen kann, steht ihm zumindest dieser Weg offen. In Deutschland fehlt es einfach noch an der nicht nur gesellschaftlichen Anerkennung, es mangelt schon an der allgemeinen generellen Akzeptanz einer solchen Karriere für Shooter-Spieler und die mit ihnen verbundenen Events, als dass es für hiesige Sponsoren interessant genug wäre, sich ein echtes Profi-Team aufzubauen.

Ein Pokal und US-typische Sieger-Ringe erwarten geduldig den dritten Tag des Turniers.

Ein weiteres Problem, auf das auch die Spieler von SK Gaming und Killerfish hinwiesen, ist natürlich die Altersfrage. Call of Duty und andere Shooter sind in erster Linie „Ab 18"-Spiele. Theoretisch dürfen die werdenden Pros erst dann anfangen überhaupt zu spielen und auch zu trainieren. In den USA liegt diese Schwelle weit darunter, selbst wenn das ESRB-Rating auch ein „M" für mature (erwachsen) zeigt, was übersetzt „ab 17, kann intensive Gewaltszenen beinhalten" heißt. Real bedeutet das noch weniger als hier und die ESRB-Einteilung kann man dort eher als freundlichen Hinweis deuten. Der Zugang und Einstieg in die Welt dieser Spiele und damit auch den „Profi"-Bereich der Turniere ist deutlich einfacher. Die Akzeptanz ist auch weit höher, also gibt es mehr Turniere und Teams, und so schließt sich der Kreis bis hin zum frühen Ausscheiden der beiden deutschen Teams in der Call-of-Duty-Weltmeisterschaft. Ob ein Altersfreigabesystem die Auswirkungen für den E-Sport berücksichtigen sollte, das ist eine ganz andere Frage, die ich für mich mit „Nein, warum sollte es das, das ist nicht seine Aufgabe" beantworte, aber sicher auch gerne diskutiert werden kann.

Ein Zelt auf einem Parkhausdach.

Sei es, wie es sei, die Deutschen waren schnell raus aus dem Turnier. So ziemlich alle anderen Europäer auch. Mit Ausnahme der besagten Australier, die es immerhin auf einen sehr respektablen fünften Platz schafften und damit auch noch 70.000 Dollar unter sich aufteilen konnten, machten es die US-Gruppen unter sich aus. Im Finale standen schließlich die zumindest in ihrem Vorstellungsvideo und auch in ihrem Auftreten sehr sympathisch wirkenden Jungs - Mädels waren in diesem Turnier auf Spielerseite so sehr nicht vorhanden, dass das schon ein Thema für sich sein würde - von EnVyUs und die sehr zuversichtlich, um nicht zu sagen arrogant, auftretenden Spieler von compLexity.

Ein ehemaliger US-Marine wirbt für eine Organisation, die Ex-Soldaten hilft einen zivilen Job zu finden. Activision unterstützt die Aktion, indem sie die Spendeneinnahmen während des Events verdoppeln.

Es war leider im Gegensatz zu einigen der vorangehenden Spiele keine spannende Runde, EnVyUs gewann gegen einen klar überlegenen Gegner keinen Stich und das Ganze war nach einer halben Stunde durch, aber einen solchen Mangel an Dramaturgie kann man schwer irgendjemandem anlasten. Nur kurz zuvor zeigten EnVyUs und andere, dass es auch sehr knapp sein kann, dass Blitz ein publikumswirksamer Spielmodus ist und dass Runden mitunter erst in der letzten Sekunde entschieden werden. Diese Kraft fehlte ihnen wohl für das Finale und so mussten sie sich mit 200.000 Dollar begnügen - ein solides Trostpflaster würde ich sagen -, während compLexity 400.000 Dollar unter sich aufteilt.

Alle diese Runden machten aber auch klar, dass Call of Duty ein für das Publikum schwierig zu präsentierendes Spiel ist. Während sich das Gezeigte oft auf Kills beschränkte und so schnell von einem zum nächsten Spieler hüpfte, um immer etwas Action im Blickwinkel zu halten, war es ein anderes Thema, der Taktik der einzelnen Spielmodi zu folgen. Schnelle Reflexe und gutes Schießen sind hier die Pflicht, die Kür fand auf der viel zu klein eingeblendeten Minikarte statt, wo man erahnen konnte, wie präzise sich einige dieser Teams koordinieren können und dass jeder Spieler seine Rolle im Team hat. Nachzuvollziehen, wie gut er diese erfüllt, das blieb den Eingeweihtesten im Publikum mehr oder weniger selbst überlassen.
Auch während des Finales kam es trotz der 80er-Rockstars-Ausleuchtung nur zu sehr gelegentlichen Stimmungsausbrüchen.

Die beiden herausragenden Kommentatoren gaben sich alle Mühe, nicht nur Stimmung in das Zelt und die Live-Channels zu bringen, sondern zumindest von Zeit zu Zeit auch auf ein paar gelungene Spielzüge hinzuweisen und diese zwischen den Matches ein wenig zu analysieren. Es wurde jedoch schnell klar, wo die Probleme von Call of Duty als publikumswirksames Turnierspiel im Gegensatz zu Nicht-E-Sport-Events oder leichter darzustellenden Titeln wie Starcraft oder League of Legends liegen. Für zehn Minuten muss der Blick gleichzeitig auf der kleinen Karte, den Screen und die Anzeige, wen der Screen eigentlich gerade zeigt, gerichtet sein. Und diese Aufmerksamkeit muss so hoch sein, dass die simple Emotionalität, die in Vorbereitung eines guten Fußballtors oder großer RTS-Angriffe entsteht, nur schwer in Gang kommt. Es passiert zumeist so extrem schnell, dass ein guter Spielzug stattfindet, es ist so schnell vorbei und es geht sofort weiter, sodass kaum Platz für die Publikumsemotionen bleibt.

Goldenboy, Blondie und 400.000 Dollar.

Einiges davon ist einfach Teil dieses sehr schnelle Spielerlebnisses und wird sich auch nicht ändern lassen, es liegt in der Natur der Sache und des Spiels. Zumindest in der Darstellung lässt sich sicher aber noch viel optimieren. Auf der Bühne gab es nicht weniger als einen großen und vier kleinere Screens. Letztere blieben leider völlig ungenutzt. Hier gab es keine Live-Statistiken, keine Zooms auf relevante Bereiche der Karte oder ein kontinuierliches Folgen eines bestimmten Spielers in einem der Teams. Für ein im Sport so statistik- und analysewütiges Land wie die USA war es erstaunlich, dass hier praktisch nichts in der Live-Show vor Ort geboten wurde. Spiel, Action, Sieg, die Nächsten bitte.

Sieger bekommen Unterschriften...

Ein weiterer Grund für den Mangel an Emotionalität dürfte das Abschirmen der Spieler sein. Zum einen hat es natürlich Sinn, schließlich sollen sie sich konzentrieren können. Zum anderen fehlt aber für das Publikum der Einblick in ihren Austausch, ihre Koordination und ganz ehrlich auch ihre Flüche und Freudenschreie. E-Sport ist schon so ein sehr statisches Bild, aber nimmt man auch noch diese Dinge aus der Betrachtung, dann bleiben nur noch die Kommentatoren. Sie waren gut, sie gaben alles, aber sie waren nicht die Energie, die man durch die Scheibe der Stummschaltung in manchen Momenten erahnen konnte.

... Verlierer geben sie. Und gehen immerhin auch noch mir 200.000 nach Hause.

Auch das Drumherum wurde dem Status von Call of Duty als dem Verkaufszahlen-Anführer seit nunmehr fast einem Jahrzehnt kaum gerecht. Während der Super Bowl sich mit Starpower geradezu überwirft, bliebt es hier komplett ruhig. Sicher, selbst Call of Duty bewegt sich nicht auf dem vermarktungstechnischen Level der NFL und es muss ja auch keine Multi-Millionen-Show auf der Bühne stehen. Aber zumindest für einen kleinen Eminem-Auftritt hätte es im Rahmen von Ghost schon reichen sollen, schließlich lieferte er den Song zu dem Spiel. Stattdessen gab es vom E-Sport-Klassiker Alex „Goldenboy" Mendez ein paar warme Worte und schließlich einen Riesenscheck. Nicht gerade der Stoff, aus dem Legenden gewoben werden.

So, das war also die Call-of-Duty-Weltmeisterschaft 2014. War es spannend? In einigen der Matches schon, SK Gaming gegen FaZe zum Beispiel oder eine Runde Blitz zwischen EnVyUs und Optic Gaming waren fast mitreißend. Gerade der geschlossene, wenn auch nicht zu kleine Kreis der Zuschauer im Live-Stream bekam ein ordentliches, wenn auch eben am Ende komplett US-lastiges Turnier zu sehen. Vor Ort jedoch war das Bild sehr viel nüchterner. Die Spiele waren genauso gut, aber die Stimmung ließ sehr zu wünschen übrig. Ich weiß nicht, ob es eine Frage des Geldes war - was ich nicht so richtig glaube - oder die Sorge, ob sich in einer großen Arena genügend Zuschauer einfinden - was ich mir bei Call of Duty gerade in den USA ebenfalls nicht so vorstellen kann -, aber ein Zelt auf einem Parkhaus kann es nicht sein. Gerade wenn man den E-Sport eben als großes Event mitgestalten möchte, dann muss man ihm auch eine große Leinwand bieten, und egal ob nur Sport oder E-Sport: Die wenigsten gewichtigen Dinge in diesen Bereichen finden in einem Zelt auf einem Parkhaus vor einem kleinen geladenen Publikum statt. Das könnte wohl das Grundmotto für das nächste Jahr sein, es wäre zumindest ein guter Anfang, den Enthusiasmus der Community in eine Halle zu holen und ihnen dort eine Stimme zu geben, die lautstark anfeuert und sich nicht nur auf ein paar Twitter-Einblendungen beschränkt.

In diesem artikel

Call of Duty: Ghosts

PS4, Xbox One, PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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