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DeadCore - Test

Mehr Nische geht nicht

Für die kleinste Zielgruppe der Welt: Speedrun-Fetischisten, die Ego-Sicht lieben und das bitte mit Quake-Tempo und überkomplexen Leveln.

Habt ihr einen Titel schon einmal falsch gespielt? Ich schon. Passiert schneller, als man glaubt. Gründe gibt es zur Genüge. Vielleicht hat man sich im Kopf auf ein anderes Genre eingestellt oder übersieht ein zentrales Spielelement. Manchmal möchte die virtuelle Unterhaltung auch auf eine ganz bestimmte Weise gespielt werden, die man nicht direkt erkennt, manchmal sogar nicht erkennen möchte.

Bei DeadCore hatte ich ähnliche Erfahrungen, was zum Teil am Promomaterial lag. Dort sprachen die Texte von einem Portal-artigen Spiel. Eine Beschreibung, die nicht weiter von der Realität entfernt sein könnte. Denn die einzigen Elemente, die sich beide Titel teilen, sind die Ego-Perspektive sowie eine Kanone in der rechten Hand des Spielers. Wobei Letztere keine sonderlich innovative Funktionen übernimmt und stattdessen als hübsch designte Fernbedienung fungiert.

Der Beschuss von Schaltern aktiviert Tore, Sprungfelder, Windräder und andere Dinge. Ebenso lassen sich durch den Einsatz des Allzweckwerkzeugs Gravitationsportale oder Geschütztürme kurzzeitig lahmlegen. Ein simples Prinzip, das euch keine Rätsel vor die Füße setzt. Stattdessen erwarten euch in DeadCore mehrere Hindernisparcours.

Eure Kanone zeigt euch stets die aktuelle Zeit für den Level.

Ich ging also von einem Rätselspaß aus, traf aber auf eine Geschicklichkeitstortur. Bereits für den ersten Level benötigte ich 20 Minuten, fiel Dutzende Male von zu schmalen Plattformen und suchte mehrfach den nicht gerade intuitiven Weg zum Ziel. Schlicht gesagt: Ich war frustriert und enttäuscht. Für mich fühlte sich die Kombination aus präzisen Sprüngen und einer von Quake inspirierten Geschwindigkeit nicht wie die beste Rezeptur an. Ständig korrigierte ich hektisch meine Position in der Luft und verpasste trotzdem mein Ziel. Schließlich ist die räumliche Orientierung eines unsichtbaren Körpers keine leichte Angelegenheit in der Ego-Ansicht. Zudem irritierte mich das seltsame Leveldesign. Trotz einer linearen Struktur ermöglicht es einem offensichtlich unterschiedliche Routen. Dies führt zu verwirrenden Szenen, in denen ihr euch nie sicher seid, ob ihr nun dem richtigen Pfad oder sinnlos einer falschen Spur folgt.

Nach einer knappen Stunde schloss ich das Programm und suchte notgedrungen eine Pause zum Abkühlen. "Das ist kein Portal, das ist dumme Präzisionsarbeit mit einer Lernkurve aus der Hölle", dachte ich mir und überlegte, wie man dazu überhaupt einen Test schreiben könnte. Ich brauchte eine Erklärung. Antworten für meine nervigen Probleme mit dem Spiel. Wo man die findet? Im Internet natürlich! Mit der Zeit stieß ich auf immer mehr Artikel, die DeadCore als reine Speedrun-Erfahrung für Hardcore-Spieler deklarierten. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Die bodenlose Struktur der Welt. Das hohe Spieltempo. Selbst die einfache Funktion eurer Kanone.

Wie ihr nach oben kommt? Mit sehr viel Zeit.

Ich hatte DeadCore die ganze Zeit falsch betrachtet. Bereichert mit einer neuen Mentalität wagte ich den Neuversuch. Meine Gedanken drehten sich weniger um meine Frustrationen mit dem Schwierigkeitsgrad, sondern beschäftigten sich vielmehr mit dem Leveldesign. Der starke Fokus auf vertikale Aufstiege und grotesk weite Sprünge passten überraschenderweise zum hohen Spieltempo, bei dem man weniger laufen und dafür umso mehr springen soll. Ich erhielt eine neue Sicht für abstrakte, in der Luft schwebende Konstruktionen.

Nicht länger ging ich am Ende einer Stage zur nächsten über. Lieber wiederholte ich den Level, um meine Zeit zu verbessern. Kennt man die Abfolge und konzentriert sich allein auf den bekannten Pfad, entdeckt man ganz neue Möglichkeiten und hat sogar Spaß daran, seine Zeiten zu verbessern.

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Zu schwer, zu abstrus sind die Parcours beim ersten Durchlauf. Ständig fragt man sich, wohin die Reise gehen soll. Ihr steht an einem Punkt und seht um euch herum nur geometrische Figuren. Habt ihr dann endlich den richtigen Weg gefunden, stehen euch Dutzende Hindernisse im Weg, die schnell zum Neustart am letzten Checkpoint führen. Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Anders schafft ihr es nicht.

Die Verteilung der Checkpoints ist teilweise eine Katastrophe.

Die Entwickler waren so sehr von ihrer Vision eines fordernden Speedrun-Spiels geblendet, sie haben den Blick für normales Leveldesign vollkommen aus den Augen verloren. Denn es reicht nicht, nur an das Endgame zu denken. Es muss auf beiden Ebenen funktionieren. Sowohl für einen ersten als auch den hundertsten Durchgang. Fast alle beliebten Spiele der Speedrun-Community waren nie für das rasante Hobby gedacht. Der Drang zum schnellen Durchspielen ergab sich stattdessen aus der Liebe zum jeweiligen Titel. Zugegeben, Spiele wie Dust Force oder Doom besitzen eine gewisse Zeitkomponente zum Messen eurer Fähigkeiten. Der Fokus beim Entwickeln lag allerdings auf anderen Stärken.

DeadCore ist daher ein Titel mit einer sehr kleinen Zielgruppe. Neben einem Interesse für Speedruns benötigt ihr außerdem Präferenzen für Geschicklichkeitsspiele mit Ego-Perspektive und Quake-Tempo. Solche Personen finden es sicherlich großartig, das sehe ich ein. Aber auch sie müssen sich zunächst durch ein undurchsichtiges Leveldesign kämpfen, das erst nach einiger Investition sein volles Potenzial zeigt. Auf eine andere Weise ist DeadCore nicht spielbar. Es verlangt nach einer bestimmten Mentalität. Ohne jegliche Affektion zum Speedrunning fühlt ihr euch erdrückt von der harten Lernkurve und flucht jedes Mal, wenn eure unsichtbaren Füße eine winzige Plattform verfehlen.

Die Entwickler haben die höchste Etage ihres Konstrukts hübsch ausgeschmückt, während die Basis darunter vollkommen verwahrlost ausschaut.

6 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Deadcore

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Björn Balg Avatar

Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

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