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Helldivers - Test

Wie klingt "Starship Troopers als Videospiel" für euch?

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Taktisch, clever, knüppelhart: Arrowheads Zwei-Stick-Shooter sorgt für Panikattacken, Jubelschreie und spontane Verbrüderung unter Fremden.

Es ist sicher kein Zufall, dass Arrowhead im einleitenden Rekrutierungsfilm für angehende Helldiver zu lächerlich heroischer Orchestermusik davon spricht, als Mitglied dieser Eingreiftruppe "gelenkte Demokratie" in der Galaxie zu verbreiten. Schon mit den ersten Tönen stellen die Koop-Experten gezielt Bezug zu Paul Verhoevens Starship Troopers her, wenn sie das Bild einer militaristischen "Super-Erde" zeichnen, die an drei Fronten gleichzeitig Krieg führt. Natürlich, um "unseren Way of Life" Lichtjahre von der Heimat entfernt zu verteidigen, warum auch sonst?

Noch bevor man sich überhaupt die Frage stellt, wer hier eigentlich der Böse ist (immerhin ist es die Super-Erde, die auf der galaktischen Sternenkarte ihren Freiheitsbegriff ungefragt in Richtung der Heimatwelten ihrer Feinde ausweitet), weiß man im Grunde schon, womit man es im Folgenden zu tun haben wird. Es ist einfach ein thematisch ungemein passender Unterbau für einen kooperativen Twin-Stick-Shooter, der die meiste Zeit auf verlorenem Posten bestritten wird und gerade deshalb zu einem Juwel des noch jungen Spielejahres gerät.

Werft euch hin, um nicht ins Kreuzfeuer eurer Freunde zu geraten. Die Vita-Version schlägt sich übrigens vorbildlich, nur das Zielen ist mit den kleineren, kürzer gelagerten Sticks eine Idee kniffliger.

Wo Shooter dieser Von-oben-Machart häufig in Dauerfeuer-Mengenkontrolle ausarten, müssen die bis zu vier Spieler sich in Helldivers deutlich besser absprechen und Rücksicht aufeinander nehmen. Denn "Friendly Fire" ist eine der häufigsten Todesursachen, wenige Treffer aus dem Lauf eines befreundeten Sturmgewehres schicken einen Helldiver zu Boden und lassen ihn als leichte Beute für menschenfressende Käfer zurück. Auch das Ressourcenmanagement spielt eine entscheidende Rolle. Anders als in anderen Titeln wird beim Nachladen nicht einfach das aktuelle Magazin wieder aufgefüllt, sondern ausgeworfen. Alle darin verbliebenen Patronen sind weg. Oft ist die Munitionsknappheit hausgemacht, noch öfter erzwingen sie die Wellen um Wellen an Gegnern. Es ist kaum zu beschreiben, wie erfrischend es ist, sich so sehr Gedanken darüber zu machen, wohin man feuern sollte, wann man sich den Schuss lieber spart und wann nachzuladen ist.

Ein weiteres taktisches Element kommt durch die Stratagems hinzu, die sich aus dem Orbit auf die prozedural generierten Planetenschlachtfelder abwerfen lassen kann. Jeder Spieler bringt ein Arsenal vier dieser Hilfsmaßnahmen mit ins Spiel, von denen man immer mehr freischaltet. Ruft per Schultertaste das Kommunikationsinterface auf und gebt dann die Steuerkreuzkombination (zum Beispiel "unten, unten, rechts, oben", aber auch längere Zeilen sind üblich) der gewünschten Hilfsmaßnahme ein, um zum Beispiel Munitionsnachschub, einen Geschützturm, eine Drohne oder den Respawn eines gestorbenen Mitspielers aus mehreren Kilometern Höhe liefern zu lassen.

Oft sind es diese quälend langen Sekunden, in der man mit schmelzendem Patronenzählstand auf den entscheidenden Abwurf wartet, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Weil man nebenher häufig noch andere Aufgaben bewältigen muss, etwa ein Flugabwehrgeschütz neustartet oder das rettende Landungsschiff bestellt - ebenfalls indem ein Spieler in all der wilden Ballerei Steuerkreuzakrobatik vollführt -, zieht jede einzelne Runde Helldivers die Spannungsschraube erbarmungslos an. Es ist, als erlebe man die grotesk zerstörerische Evakuierungsschlacht auf Planet "P" zum Ende des zweiten Akts von Starship Troopers in endloser Wiederholung. Großartig.

Eines der Stratagems ist ein SOS-Sender. Der sorgt dafür, dass ihr im Matchmaking priorisiert werdet und schnell neue Mitspieler hinzukommen.

Diese Mischung aus der Anspannung eines immer am Rande des Überranntwerdens geführten Kampfes, taktischen Anspruchs und zufälliger, oft himmelschreiend komischer Tode entlädt sich im Minutentakt in hysterischem Gelächter. Sei es nun, weil einen die eigentlich so erlösende Respawn-Kapsel eines Freundes erschlägt, als sie sich mit der Wucht eines Meteoriten in den Planeten eingräbt, oder weil das Landungsschiff - eine Sekunde zuvor noch das Schönste, was man jemals gesehen hat - den letzten lebendigen Spieler unter sich zerquetscht wie einen besonders fetten Käfer. Unkontrollierbare Panik und heldenhafte Triumphe liegen hier so dicht beieinander wie selten.

Auf einer oberflächlichen Ebene betrachtet, ist Helldivers im Grunde eine Von-oben-Variante dessen, was ich von Destiny erwartete. Mit dem Unterschied, dass man sich Upgrades, neue Waffen, Outfits und Perks eher durch Erfahrungspunkte verdient, anstatt dass die Feinde sie fallen ließen. Selbst die Capes und Kutten der Helldiver gemahnen ein bisschen an Activisions hübsche Loot-Schießerei. Ob einem die Unmittelbarkeit der Egosicht und der Beute hinterlassenden Gegner eher liegt oder das aus erhöhter Perspektive in Szene gesetzte Taktieren während eines permanent drohenden Nervenzusammenbruchs, muss jeder selbst entscheiden. Für mich ist Helldivers das entschieden aufregendere Spiel.

Die unzähligen Unlocks bis hin zum martialischen Mech verwaltet ihr in eurem eigenen Raumschiff, wo ihr auch den nächsten Planeten auf der Galaxiekarte wählt.

Noch nicht abschließend zu beurteilen ist das Meta-Spiel der galaktischen Kampagne. Auf einer Sternenkarte schießen sich alle Spieler durch dieselben Sektoren und werfen durch ihre Erfolge (je nach Schwierigkeitsgrad der bewerkstelligten Mission) so genannte Einflusspunkte in einen gemeinsamen Topf. Ist der voll, ist der Bereich der Karte befreit und eure Kriegsbemühungen rücken einen Sektor näher an die Heimatwelt von Bugs, Cyborgs und einer dritten Gegnerart heran. Sind sie in greifbarer Nähe, nehmen alle Helldiver an einer Entscheidungsschlacht teil, um auf die jeweilige Front ein für alle Mal den Deckel draufzupappen. Doch auch umgekehrt wird ein Schuh draus, wenn ihr abbeordert werdet, einen Sektor vor Gegenangriffen in einer Verteidigungsmission zu schützen. Ein galaktischer Krieg soll mehrere Wochen dauern - und dann von Neuem beginnen. Auf jeden Fall ist es ein tolles Konzept, das Helldivers schon jetzt eine weitere Facette verleiht.

Als ich heute Morgen die Vita einschaltete, deklarierte die Statistikseite gut ein Drittel der Spielertode als "Unfall". Auch wenn sich die Zahl im Laufe des Tages deutlich nach unten einpendelte, so ist es doch dieser Gedanke, der den Reiz von Helldivers ausmacht: Ein schlecht kommunizierendes Team ist sich selbst größter Feind. Dabei ist es fast egal, ob ihr zu zweit, dritt, oder viert spielt, Helldivers weiß in jeder Konstellation (übrigens durchaus auch alleine) zu überzeugen und leicht veränderte Anforderungen an euch zu stellen. Es bleibt zu jeder Zeit ein auf Zehenspitzen geführter Tanz an der schmalen Beckenkante des Haifischpools.

Helldivers ist eine aufregende, immer wieder adrenalintreibende und häufig schlichtweg glorreiche Schießerei über fremde Planeten und der vielleicht der beste Entwurf zum Thema Action mit zwei Analogsticks seit Geometry Wars.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Helldivers

PS4, PS3, PlayStation Vita, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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