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Cities: Skylines - Test

Das SimCity 2000 unserer Zeit.

Eine tadellose umgesetzte Stadtspielwiese für Schöngeister, der es aber deutlich an den Herausforderungen für echte Planer fehlt.

Alle mal melden: Wer mochte das letzte offizielle SimCity? Okay, nicht so viele. Wer will eine echte City-Sim mit echten Herausforderungen spielen? So was wie SimCity 4000? Schon ein paar mehr. Und wer will glücklich in die simple Aufbausucht von SimCity 2000 und 3000 verfallen? Bei denen man gar nicht merkt, wie die Stunden verfliegen, obwohl man eigentlich nur ganz entspannt vor sich hin werkelt und das eigene Werk immer schöner und größer gestaltet? Dachte ich mir, da sind doch ein paar übrig. Und so jauchzet und freuet euch, hier ist Cities: Skylines. Genau das Richtige für Gruppe Nummer 3.

Etwa acht Stunden nachdem die erste Auffahrt von Highway heruntergeführt wurde...

Vorher aber noch mal ganz kurz was zum, vorsichtig gesagt, unglücklich gewählten Namen, und das auch fett und in aller Deutlichkeit: Cities: Skylines hat nichts, aber auch rein GAR NICHTS mit dem verunglückten Cities XXL oder auch XL zu tun. Außer dem Namen natürlich. Aber sonst? Anderer Entwickler, andere nativer Publisher. Die größte Gemeinsamkeit ist noch der Publisher für Deutschland, Koch Media, der beide im Angebot hat. Inhaltlich ist das alles natürlich recht ähnlich, Städte werden immer gebaut, aber kommen wir gleich zu dem Punkt, warum Cities XL und sein unwürdiges Update XXL nie so richtig vom Fleck kamen und schon nach kurzer Zeit mehr Arbeit als Vergnügen waren: Steuerung und Benutzerführung sind bei solchen Großprojekt-Sims keine optionale Angelegenheit, die man am Rande vergessen kann. Und hier glänzt Cities: Skylines.

Der Editor erlaubt mit etwas Aufwand beliebige Landschaften zu entwerfen. Auch etwas seltsame, wie dieser geflutete Wald.

Egal, ob einfach nur mal schnell ein alteingesessenes Viertel umgestaltet, eine achtspurige Autobahn einmal quer gezogen oder ein ganzes Areal neu besiedelt wird - ihr werdet bei der Umsetzung eurer Vorstellungen nie von dem Interface ausgebremst. Die Straßenanbindung klappt bis auf ein paar eigenwillige Autobahnverknüpfungen tadellos, an den Pisten entlang lässt sich vom einzelnen Fleck bis zur riesigen Fläche in Sekunden die Bauplanfestsetzung festlegen. Wichtige Gebäude wie Feuerwehr, Schulen, Polizei, Straßen und andere staatstragende Dinge haben immer Vorrang und so müsst ihr nicht erst ein paar Gebäude von Hand entfernen, sondern nur setzen. Überhaupt erfolgt der Griff zum Bulldozer nur in Ausnahmefällen. Bildschirmfüllende Menüs sind die Ausnahme, alles wurde relativ elegant und sogar übersichtlich im unteren Rand untergebracht. Das Ergebnis dieser extremen Benutzerfreundlichkeit ist zum einen, dass ihr euch relativ schnell eingespielt habt, und zum anderen, dass auch über viele Stunden ein tadelloser Spiel- und Baufluss entsteht, der die Stunden nur so verfliegen lässt.

Ihr dürft ganz nah heran, einzelnen Leuten folgen und so bei ihrem Tagesablauf dabei sein und sogar alles und jedem einen Namen geben. Nur falls ihr zu viel Zeit in eurem Leben haben solltet natürlich...

Es hilft dabei, dass das alles durchaus hübsch aussieht. Die größte Belohnung bei Stadtbauereien war schon immer, das Werk bewundern zu dürfen, und Skylines gibt sich alle Mühe. Es könnten ein paar mehr verschiedene Gebäude sein, aber dank des komplexen und leistungsstarken Editors mit seiner Importfunktion dürfte die Community da relativ bald Abhilfe schaffen. Das Gewusel zu beobachten hat seinen Charme und kann vor allem auch lehrreich sein. Ihr müsst nicht die Karte für die Verkehrsdichte öffnen, die Staus sind gut zu sehen und hier kommt der solide Unterbau des Spiels zum Tragen.

Waren Cities XL und auch das jüngste SimCity nicht immer nachvollziehbar, wenn es um Dinge wie Verkehrsfluss geht, und die Bewohner auch selten schlau genug, jenseits der kürzestmöglichen Route zu denken, gibt sich Skylines hier wenig Blöße. Als Beispiel: Ich führte eine Auffahrt direkt von einer Autobahn zu einem wichtigen Handelshafen. Das Chaos war groß, als Tausende Laster zusammen mit dem normalen Verkehr an den Auffahrten kilometerlange Schlangen bildeten. Also setzte ich einen zweiten Highway etwas weiter ins Land, der den Hafen umging. Der Weg war weiter, aber die Autos waren schlau genug, diesen Weg zu nehmen, während die Laster nun etwas mehr Luft hatten. Dieses Beispiel lässt sich auf alle Verhaltensweisen von Skylines übertragen. Ihr ändert den Fluss der Dinge und die Stadt passt sich an. Nicht immer so, wie ihr euch das gedacht habt. Oft genug produziert ihr mit der Änderung woanders mehr Schaden, aber da es immer nachvollziehbar bleibt, warum die Autos nun irgendwo lang wollen, gehört das zum Spiel und zum Spaß dazu.

Optisch bewegt sich das alles angesichts der stattlichen Größe der Städte auf hohem Niveau. Sogar die Echtzeit-Spiegelungen auf Glasfassaden wurden nicht vergessen.

Ein guter Verkehrsfluss ist für alles wichtig. Kommen die Müllwagen nicht durch, verdreckt die Stadt. Kommt die Feuerwehr nicht durch, brennen Häuser ab. Kommt der Leichenwagen nicht durch, wird es in manchen Wohnungen schnell sehr ungemütlich. All das wirkt sich natürlich auf die Struktur eurer Bewohner aus. Reiche, gut gebildete Menschen haben nur so lange kein Problem mit dichtem Verkehr, wie die Krankenwagen noch durchkommen. Anderenfalls ziehen sie weg, der Wert der Wohngegend fällt und früher oder später habt ihr eine Art Slum mit Dauerstau vor der Tür. Wiederum, nichts davon ist neu, aber die Kombination aus Nachvollziehbarkeit und durchdachter Steuerung spielt sich einfach richtig gut.

Eine Besonderheit sind die Flussbewegungen von Wasser und Wind. Hier seht ihr genau, wo die Stadt ihr Wasser herholt und wo sie es ablässt und ob sich diese Dinge in die Quere kommen. Es hilft auch bei der Planung von Wasser- und Windkraft.

Ein paar Besonderheiten hat man sich ausgedacht. Das Bezirks-Tool lässt euch leicht Bezirke markieren, benennen und vor allem mit eigenen Auflagen, Steuern und Bauvorgaben belegen. Die Planung bestimmter Areale wie zum Beispiel hoch besteuerter Luxusviertel oder günstiger Steueroasen für schwächelnde Industrieecken lassen sich damit leicht umsetzen. Eine andere Eigenheit ist die Simulation von Wind- und Wasserströmen. Der Wind ist für derartige Kraftwerke wichtig. Wer seine Räder ins Tal stellt, darf keine hohe Watt-Ausbeute erwarten. Beim Wasser kann es noch katastrophaler werden: Wollt ihr eure Bevölkerung so richtig ärgern, setzt ihr die Abwasserentsorgung stromaufwärts und die Trinkwassergewinnung stromabwärts. Es dürfte nicht lange dauern, bis auch der letzte Bewohner entweder auf Sprudelflaschen umsteigt oder - weit wahrscheinlicher - diesem Versorgungselend den Rücken kehrt.

Ihr beginnt mit einer einzelnen quadratischen Fläche und entscheidet dann, welche weiteren ihr freischaltet. Möglich sind alle Richtungen, so wird das Wachstum in eine Richtung nicht eingeschränkt. Bei neun Platten ist aber Schluss...

Das Spiel hat aber auch eine echte Schattenseite, zumindest für manche von euch. Wenn ihr eine Simulation sucht, in der ihr einen empfindlichen Moloch immer wieder vom Abgrund zurückreißen müsst - was viele meiner SimCity-4000-Runden beschreibt -, dann ist Skylines nicht euer Ding. Irgendwann hat man bei jedem dieser Spiele die Routinen raus und weiß damit umzugehen. Wo manche Spiele diese aber immer ein wenig durchschütteln und in Nuancen nach dem Wind richten, verhält sich Skylines absolut stabil. Es ist kein Problem, bei einer monströsen Großstadt - und groß werden die Städte hier - mal einen Film zu gucken und die Sims einfach Sims sein lassen. Solange ihr eine positive Bilanz habt und keine außergewöhnlichen Probleme die Stadt plagen, läuft es. Eine gute Art, gemütlich Geld zu machen, ohne auf Cheats zurückzugreifen, aber eben nicht unbedingt die Art von Spiel, die manche suchen. Es gibt auch keine Katastrophen wie bei der Konkurrenz, weder optional noch zufällig noch sonst wie. Und was den Rest angeht: Baut am Anfang nicht zu schnell, habt ein Auge darauf, dass die Bilanz im Plus ist, und euch kann nichts passieren.

... denn irgendwann kommt die Engine nicht mehr mit. Diese Stadt hier hat etwa zwischen ein Viertel und ein Drittel der Maximalgröße erreicht.

Selbst die Stadt mit Absicht zu ruinieren ist nicht einfach. Bane aus dem dritten Batman-Film hatte den Plan, dass eine Stadt sich selbst zerpflückt, wenn man alle Polizisten aus dem Verkehr zieht. Er wäre sehr enttäuscht, denn nicht einmal als alle Polizeistationen geschlossen waren, stiegt die Verbrechensrate über 22 Prozent. Relativ diszipliniert. Der nächste Akt bestand darin, 1000 verlassene Gebäude in der Stadt zu haben. Wie macht man eine Stadt madig? Man setzt die Steuern ins Exorbitante. Klappte auch, schnell waren über tausend Gebäude verlassen und ich konnte ein Observatorium bauen. Das ist nämlich der Grund, warum ich der Stadt das antue: Die besonderen Gebäude haben teilweise seltsame Vorgaben. Wie zum Beispiel eine Verbrechensrate von 50 Prozent oder verlassene Häuser. Darin liegt auch die größte Herausforderung von Skylines. Wer die Monumente wie das Eden-Projekt oder den Space-Lift bauen will, braucht erst die einmaligen Bauten, und die zu kriegen ist nicht so einfach. Die alles umfassende Stadt zu haben ist eine echte Aufgabe, aber eben auch eine der wenigen, die über „unsere Stadt soll schöner werden" hinausgehen.

Man muss wissen, was man von seinem Stadtbauspiel haben möchte. Komplexe Szenarien mit fast unüberwindlichen finanziellen Hürden, in denen ihr marode Reste in blühende Landschaften wandelt und dabei all euer volkswirtschaftliches Wissen braucht? Nein, Skylines ist nichts für euch. Eine schöne Stadt nach eigenen Ideen basteln und sich daran erfreuen, wie sie entsteht, gedeiht und zu einer bildschönen Metropole heranwächst? Das mit einem tadellosen, fast intuitiven Interface, das einem das Leben sehr viel leichter macht? Hübsch aussehen soll es auch noch und weitestgehend Bug-frei sein? Das ist ganz klar euer Spiel. Es wäre schön gewesen, beides vereint zu finden, aber es ist wohl auch besser, lieber nur eine Hälfte so tadellos umgesetzt zu finden, wie es bei Cities: Skylines der Fall ist, als beides nur halbherzig. Persönlich liebe ich Skylines, für mich ist es das perfekte SimCity-2000/3000-Update. Ambitionierte Stadtentwickler auf der Suche nach den Herausforderungen des Lebens halten sich an andere Sachen.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Cities: Skylines

PS4, Xbox One, PC, Mac, Nintendo Switch

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