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Bladestorm: Nightmare - Test

Zurück aus der Vergessenheit. Und wahrscheinlich wieder auch schnell dahin zurück.

Der neue Nightmare-Fantasy-Modus ändert nichts: Viel zu weite Wege, technisch komplett veraltet, taktisch nie sonderlich reizvoll.

Resteverwertung? Liebe zu einem alten Werk, das nie so startete, wie man es sich erhoffte? Die seit acht Jahren drängende Frage, wie der Hundertjährige Krieg wohl gelaufen wäre, wenn Drachen und Orks aufgetaucht wären? Irgendwas davon muss KOEI geritten haben, als sie sich entschlossen, ein schon vor acht Jahren als technisch veraltet geltendes Spiel nun noch einmal praktisch unverändert - der HD-Zusatz fehlt hier nicht ohne Grund - auf den Markt zu werfen. Technisch unverändert wohlgemerkt, inhaltlich kam zumindest die Sache mit den Drachen und den Orks dazu.

Aber dazu später, erst mal der Schock, wie schlimm das Ganze aussieht. Sicher, gutes Gameplay triumphiert über miese Grafik, aber das hier ist einfach unerfreulich anzuschauen. Auf der Habenseite stehen gewaltige Gebiete voller kleiner Dörfer, Festungen, Wälder und viel, viel leerer Landschaft dazwischen. Ihr sollt einen Eindruck der Größe des Krieges bekommen und das wird hier auch erreicht. Vor allem, weil ihr mitunter minutenlang auf dem Weg zu einem blinkenden Punkt auf der Minikarte durch diese Weite lauft. Das lässt einem viel Zeit zur Kontemplation, wie hässlich das alles aussieht. Unerfreulich grün-braun, niedrig aufgelöst, nur lieblos texturiert. Die Entfernungen sind alles, was bleibt. Angesichts der Tatsache, dass es Berichte aus der Zeit gibt, die bedauern, wie sehr die schönen Landschaften Frankreichs durch den Krieg verwüstet wurden, fragt man sich, ob man zu spät zur Party kam, und die Verwüstung ein anderer erledigte oder ob die Engine einfach komplett veraltet ist. Circa "2002-veraltet".

Auf dem Standbild geht es noch, im Livebetrieb ist es eine Reise zurück in die Anfangstage der PS3.

Da hört es nicht auf, die Charaktermodelle sind nicht viel besser, aber den Vogel schießen nach wie vor die Vertonungen ab. Wenn man sich in den letzten Jahren über schlechte Synchros aufregte, dann nur, weil man schon vergessen hatte, wie sich das untere Qualitätsende vor ein paar Jahren anhörte. Selbst die stereotypsten Engländer dürften sich angesichts des peinlichen Akzents der Franzosen beschämt abwenden, die Qualität der so verhunzten Zeilen an sich ist auch nicht viel besser. Ihr werdet das hier weder für Schönheit noch für Story spielen.

Dabei ist der Grundgedanke nicht mal schlecht. In der Rolle eines Söldners steht ihr auf keiner der beiden Seiten und könnt diese sogar in jeder einzelnen Mission wechseln, je nachdem, ob nun die Kinderbuchdarstellungen von dem Schwarzen Prinz oder Jeanne d'Arc mehr bezahlen. Euer Ziel ist damit auch nicht das eines der Kontrahenten, sondern der Aufbau der eigenen Figur mit möglichst vielen Fertigkeiten, Leveln und Waffen. Auf Schlachterfolge dürft ihr eh nichts geben. Habt ihr eben noch die Normandie für England erobert, scheint das eine Mission später wieder vergessen, alles ist so, wie es der Missionsdesigner befiehlt und nicht wie es ein logischer Spielfortschritt ergeben sollte. Aber das ist halt das Leben des Söldners, "Hauptsache der Kampf geht weiter". Tut er auch. 50 bis 60 sehr anstrengende Stunden allein in der alten Kampagne.

Wenn man Bladestorm etwas nie vorwerfen konnte, dann war es ein Mangel an Umfang und Spielzeit. 100 Stunden sind hier durchaus im Nightmare-Paket drin.

Der Kampf selbst ist das mit Abstand spannendste an Bladestorm. Statt einfach die erprobten Action-Mechaniken KOEIs endloser Warriors-Serie dem historisch angehauchten Setting überzustülpen, versucht sich das Spiel mehr in Taktik. Als Einzelkämpfer könnt ihr nichts tun, was ja durchaus den Tatsachen einer großen Schlacht entspricht. Per Knopfdruck könnt ihr aber in einer Sekunde das Kommando über jede verbündete Einheit übernehmen und genauso schnell auch zu einer anderen wechseln, je nachdem was ihr braucht. Was das genau ist, hängt immer vom Gegner ab und wird über Papier-Schere-Stein oder vielmehr Bogenschütze-Infanterie-Reiterei bestimmt. Solltet ihr ein Warnsignal sehen - zum Beispiel, wenn ihr mit der Infanterie berittene Soldaten angreift, heißt es, sich schnell umzusehen, wo Bogenschützen stehen, zu diesen wechseln und den Kampf hier fortsetzen. Die Infanterie wird hoffentlich von der KI in Sicherheit gebracht und dann gegen die feindlichen Bogenschützen eingesetzt. Oder auch nicht, da die KI sehr oft auch mal aussetzt und dann ist das eben eure nächste Aufgabe. Ihr sollt euch euren Lohn ja auch verdienen.

Das ist noch der beste Fall, das meiste, was ihr als Figuren hinbekommen werdet, sieht nicht annähernd so vorteilhaft aus.

Es ist eine Art Echtzeit-Strategie, aber durch euren sehr begrenzten Einflussbereich eben auch nicht so richtig. Es steckt ein wenig Action drin, aber wer auf Siege durch schnelle Schwertschläge hofft, kann das vergessen. Es ist irgendwo ein bisschen RPG versteckt, aber nicht sehr viel. Bladestorm kann zumindest sagen, dass es etwas recht Eigenes ist. Ich würde aber auch anmerken wollen, dass es nichts sonderlich Ausgereiftes ist. Vor allem die Wege auf den riesigen Karten nerven, besonders sobald ihr mehrere Missionsziele habt. Der Feind darf eure Festung nicht einnehmen, ihr müsst seine holen. Klingt nach dem normalsten Geschäft im Krieg, artet hier aber zu einer Geduldsprobe aus und ist der Grund, warum die Kampagne so lang ausfällt. Die KI ist kaum in der Lage, anrückende Gegner abzuhalten, ohne dass ihr euch immer wieder darum kümmert. Gleichzeitig findet ohne euch kein Angriff statt, jedenfalls keiner, der etwas bewirkt. Und ihr hängt immer irgendwo in der Mitte auf den Wegen herum, statt euch zügig in den Kampf werfen zu können. Meist zu Pferde, denn das geht zumindest etwas zügiger.

Auch mit der Balance scheint es nicht so weit her zu sein. Nachdem ich meine Fertigkeiten für Schwertkämpfer deutlich gesteigert hatte, schienen sie plötzlich weitestgehend unbesiegbar, wenn ich denn endlich mal wo ankam. Selbst die Festungsbosse waren plötzlich kein Thema mehr und streckten in Sekunden die Waffen, ohne dass ich etwas besonders Intelligentes oder Heroisches anstellen musste. Nach und nach kam die Balance wieder etwas ins Spiel zurück, aber nie in dem Maße, als dass ich die Kämpfe sonderlich reizvoll fand, selbst wenn das Gewusel ganz nett anzuschauen war.

Egal ob riesenhafter Kommandeur...

Das wichtigste Argument für diese Nightmare-Edition ist natürlich der Nightmare-Modus und ja, wenn man all die Schwächen des Grundspiels verzeihen kann, die sich hier hier eins zu eins wiederfinden, dann ist es ganz witzig, mit den vereinten Kräften Englands und Frankreichs gegen eine durchgeknallte Jean d'Arc und ihre Fantasy-Horden anzutreten. Drachen, Greifen, Magier, Orks, als hätten sich die Forgotten Realms in die Normandie ergossen, aber wer jetzt meint, dass das die Dynamik verändern würde, täuscht sich leider. Es sind am Ende nur andere Skins für die gleichen Einheitentypen, die Wege werden nicht kürzer, und auch wenn ihr ab einem gewissen Punkt dann selbst die mystischen Wesen rekrutieren dürft, spielt ihr am Ende mehr einen Missionspack als eine spielerische Variation. Dass ihr den Charakter aus Bladestorm direkt übernehmen könnt und sollt, ist Fluch und Segen. So schick dieses Feature ist, gleich mit vollen Fertigkeiten durchstarten zu können, leider erwartet Nightmare das auch, sodass selbst Kenner des ersten Teils diesen zumindest bis zu einem gewissen Grad noch mal spielen müssen, um nicht gleich überrannt zu werden. Hätte man für nur halb motivierte Veteranen sicher eleganter lösen können. Doch wenn man ehrlich ist, haben so viele das Original dann auch nicht gespielt, womit das kein so großes Problem darstellen dürfte.

...oder Drache. Spielen tut sich das alles ziemlich gleich. Zumindest sind die Fantasy-Modelle noch das hübschst Anzuschauende im ganzen Paket.

Bladestorms unerwarteter und unerwartet halbherziger Nightmare-Re-Release nach fast acht Jahren ist ein kleines Mysterium. Das Spiel war nie sonderlich erfolgreich. Es hat zwar eine kleine Fan-Basis aufgebaut, die die Mischung aus den riesigen Arealen und dem historischen Hintergrund schätzen, aber von einem "Kult-Spiel" würden wohl nur sehr wenige Verstreute sprechen. Der Rest der Welt hat es komplett vergessen und wird nun durch PS3-Technik auf unterem Level, die auf einer PS4 läuft, nicht auf die bestmögliche Weise daran erinnert, dass es da mal was gab. Natürlich würde jeder sofort sagen, dass das ja egal sei, wenn denn nur das Spiel eine vergessene Perle der totalen Brillanz +1 sei, aber dem ist nicht so. Über die Jahre wurden die Schwächen nicht weniger, das Rumgerenne, die Kampfbalance, der immer gleiche Ablauf, die eher simplen taktischen Ansprüche, all das war nie gut und wurde nicht besser.

Bladestorm: Nightmare ist keine Katastrophe, auch wenn es auf der mächtigen Hardware von heute wie eine aussieht. Aber es ist ein sehr spezielles, oft einfach nur langweiliges weil ereignisloses und mäßig balanciertes Spiel. dem man mit viel historischen Enthusiasmus für die Ära und dank der reinen und für sich genommenen Weite des Landes vielleicht etwas abringen kann. Aber es zeigt zumindest eines: Kein Spiel aus der letzten Generation ist zu alt, obskur oder hässlich, als dass es uns nicht doch auf der neuen Hardware über den Weg laufen könnte. Ob das eine gute oder schlechte Erkenntnis ist, überlasse ich jedem selbst.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Bladestorm: Nightmare

PS4, Xbox One, PS3, PC

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Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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