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Das neue Shadow of the Beast: Ist "besser als das Original" gut genug?

Wenn der Entwickler Tränen über Screenshots verschüttet…

Das habe ich noch nie erlebt. Als Ex-EA- und Bizarre-Creations-Mann Matt Birch von Heavy Spectrum Games auf dem PSN Digital Games Showcase darüber spricht, was für ein aufwühlendes Gefühl es ist, das Remake des Amiga-Klassikers Shadow of the Beast das erste Mal der Presse zu präsentieren, bricht seine Stimme auf herzerwärmende Weise. Der Entwickler ringt sichtlich und deutlich hörbar mit der Fassung, muss die eine oder andere Träne wegdrücken, als würde er sein Erstgeborenes die ersten Schritte machen sehen. Zwei Möglichkeiten: Er ist sehr nah am Wasser gebaut oder es steckt wirklich alles erdenkliche Herzblut darin.


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So oder so: Es ist ein schöner, aufrichtiger und, anders als sich das vielleicht lesen mag, ganz und gar nicht peinlicher Moment, wie es ihn in dieser mittlerweile so steril durchprofessionalisierten Branche eigentlich nicht mehr gibt. Hier spricht ein Kreativer, der die Chance bekam, eines der Spiele seiner Jugend zurückzubringen. Das geht halt selbst an den Härtesten nicht spurlos vorüber. Wenig später, an der Anspielstation, stelle ich in einer etwa zwanzigminütigen Sitzung allerdings fest, dass Heavy Spectrum Game auf Entwicklungsseite durchaus einiges an Professionalität mitbringen. Shadow of the Beast sieht für ein Remake eines Amiga-Relikts doch ziemlich üppig aus.

Hier wächst kein Gras mehr.

Direkt fallen Parallelen zu einem anderen Remake einer fast vergessenen Marke auf: Double Helix' Strider brachte im letzten Jahr das gewohnt schnelle 2D-Gameplay in ein durch schicke, flüssige Polygongrafik aufgewertetes Plattformer-Universum und fühlte sich absolut nicht wie aus der Zeit gefallen an. Shadow of the Beast ist natürlich langsamer und nicht ganz so sehr auf Plattform-Akrobatik aus, die Fortbewegung ist eher einem 2D-Erkunder wie Flashback oder Shadow Complex angemessen. Ihr stellt euch an senkrechte Wände, zieht euch die Kanten hoch oder kraxelt höhere Hindernisse mithilfe eurer Krallen empor. Aber die Marschrichtung, mit der schon der rotbeschalte Ninja 2014 Altes gekonnt auffrischte, wurde auch hier eingeschlagen.

Inwieweit auch die Struktur genannten offeneren Beispielen gleicht, ob es viel Vor und Zurück gibt, kann ich nach meinem kurzen Erstkontakt noch nicht sagen. Aber schon jetzt erweckten die Level den Eindruck, dass man im steifen Marsch nach rechts nicht alles zu sehen bekäme. Überhaupt erzeugt das Spiel schnell eine ganz besondere, fremdartige Stimmung. Das Design der Figuren mag Geschmackssache sein, bedient es sich doch Gestaltungseinfällen irgendwo aus der kreativen Schnittmenge aus God of War und Netherrealms martialischen Schöpfungen. Aber die endlosen Weiten einer ausgedörrten und von titanischen Monsterskeletten gespickten Wüste schinden schon Eindruck und erzeugen den hypnotisierenden Sog einer fremden Welt.

Dem arg limitierten Spielablauf des Originals, bei dem man reihenweise von rechts heranspazierende Bestien mit simplen Tastendrücken aus der Spielwelt tilgte, schneiderte Heavy Spectrum ein schön fließendes und tiefrot blutiges Nahkampfsystem mit Betäubungs-Move, Attacke und Konter auf den Leib. Man kennt das in etwa auch aus den Batman-Spielen, hier nur eben in der Seitenansicht. Die Animationen des in den Reihen seiner Feinden wütenden Biests Aarbron gefallen ausgezeichnet, animalisch wild geht es zur Sache, bis sich mal wieder eine Energieleiste füllt und ihr größerem Gegnerandrang durch eine rhythmische Tastensequenz effektiv dezimiert. Dreiecktaste plus links oder rechts bestimmt dabei die Richtung des nächsten Kill-Moves.

Andersweltliche Erkundung, wie sie schon zu 16-Bit-Zeiten en vogue war. Schön.

Was sich nach QTE anhört, ist nicht allzu einfach, denn das Zeitfenster ist schmal und in den kinoreifen Kameraeinstellungen den Überblick zu behalten, gelingt nicht von allein. Richtet ihr euren Blutdurst in die falsche Richtung, reißt die Kombo ab und ihr steckt fast immer Treffer ein. Nach und nach stellt sich ein vertrauter Rhythmus aus Erkundung, Panoramastaunen und Kämpfen in abgesteckten Arenen ein, der trotz aller neumodischen Konventionen immer noch gut funktioniert - anders als das Original, zu dem eine Rückkehr 25 Jahre später ein beinahe schmerzvolles Erlebnis darstellt. Ein gnadenlos gut gealtertes Super Mario Bros. ist Reflections Augenöffner von damals nie gewesen. Genau die Sorte Spiel, die ein Remake gut vertragen könnte. Jetzt bleibt nur abzuwarten, wie Heavy Spectrum die Formel in späteren Spielstufen variiert, damit sie auch in abendfüllendem Format nicht an Biss verliert.

Nachdem man nach der Ankündigung lange nichts von Shadow of the Beast gehört hatte, kann man nun wohl Entwarnung geben. Die Neuauflage, die die wenigsten für möglich gehalten hätte, befindet sich auf bestem Wege, jüngeren Generationen an Spielern ein Stück Vergangenheit näherzubringen. Und selbst, wenn die dann immer noch nicht sehen, weshalb sich ein kleiner, aber eingeschworener Kreis auf dieses Spiel freut, so haben immerhin die Fans ihr Spiel bekommen. Also dann: Hoffen wir darauf, dass Heavy Spectrums Neuentwurf nicht nur seinen Machern, sondern auch alten "Amiganern" Freudentränen in die Augen schießen lässt.

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Shadow of the Beast

PS4

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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