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Sin & Punishment: Star Successor (Wii U) - Test

Kaufen. Bevor sie vergessen, wie es geht.

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Ein brillanter Crossover aus Shoot 'em Up, Run 'n' Gun und Rail-Shooter, mit allem, was Japan mal so gut beim Spieldesign machte.

Ja, ich war dumm während der Wii-Zeit. Okay, vielleicht nicht so sehr dumm, mehr etwas borniert, was oft genug nur ein schickeres Wort für dumm ist. Aber ich liebte nun mal mein 720p oder mehr HD auf Xbox und PlayStation, und weder das 480p noch die Mote-Steuerung gaben mir, was ich in Form von Spielspaß suchte. Mit Ersterem komme ich besser klar, seit ich wieder mehr mit Retro-Konsolen herumspiele, ich bin da aktuell vergebender. Bei Letzterem jedoch komme ich immer mehr zum Schluss, dass ich einfach sehr wählerisch bin, was ich für eine gute Mote-Steuerung halte. Viel zu viele Spiele nutzten das Gewackel nur als billiges Gimmick, andere wie die verschiedenen Marios waren okay, aber ich hatte immer den Eindruck, dass eine gute Pad-Steuerung die bessere Lösung gewesen wäre. Aber ein Games jedoch, wow, es ergibt Sinn und vor allem einen mörderischen Spaß, und ich beginne langsam, diese Spiele zu entdecken.

Eine dieser Perlen ist ganz sicher Sin & Punishment: Star Successor. Fangen wir an, diese Liebe zu definieren. Erst einmal ist es von Treasure, den Leuten, die Gunstar Heroes, Radiant Silvergun oder Ikaruga schufen. Sie gehören seit der 16-Bit-Zeit zum Besten, was Japan an Studios hervorbrachte, und sie haben bis heute kein schlechtes Spiel gemacht. Sage ich mal so, die Bleach-Sachen habe ich nicht gespielt, aber ich gehe davon aus, dass auch sie was taugen, selbst wenn sich mir der Anime entzieht. Dann gehören Shoot-'em-ups, Bullet-Hell-Shooter, Run'n'Guns und (sehr) gute gemachte Rail-Shooter zu meinen Favoriten. Und Sin & Punishment: Star Successor vereint sie alle zu einem großen Shoot-'em-up-Alptraum.

Bossfight!

Man muss sich erst mal ein wenig hineinfinden und die ersten beiden Level helfen da ganz gut aus. Zum besseren Verständnis bleiben wir mal kurz bei der optionalen reinen Pad-/Gamepad-Steuerung. Das ist richtig, ihr braucht für dieses Spiel kein Wii-Zubehör, das Wii-U-Plastik reicht. Mit ist es aber besser, dazu gleich mehr. Ihr lenkt eure Figur mit dem linken Stick über den gesamten Screen, boostet per Tastendruck schnell in alle Richtungen und weicht so allem aus, was da des Weges kommt. Mit dem rechten Stick lenkt ihr das Fadenkreuz und schießt entweder per Schultertaste oder ladet mit dem Trigger eine Art kleine Smart-Bomb auf. Es gibt sogar Nahkampfattacken, sollte euch ein Feind zu nahe kommen.

Mit diesem Arsenal arbeitet ihr euch durch schnell in die Tiefe scrollende Stages, die immer mal wieder den Blickwinkel schwenken, damit ihr alles ins Visier nehmen könnt, was das Spiel bereit hält. Wer noch Panzer Dragoon kennt, das ist so ähnlich, nur dass hier die Steuerung weit präziser funktioniert. Statt des rechten Sticks könnt ihr auch die Wii-Mote benutzen, um das Fadenkreuz zu lenken. Solltet ihr auch, denn während die Stickbewegung zwar präzise und handhabbar ist, funktioniert das direkte Zielen so viel schneller. Gerade bei hektischen Wechseln zwischen Gegnergruppen habt ihr einen gewaltigen Vorteil und man merkt sofort, dass das Spiel auch damit im Hinterkopf entwickelt wurde. Spätestens in der Unterwasser-Stage mit im Sekundentakt wechselnder Positionierung der Feinde und der Not, oft ausweichen zu müssen - 50 Meter lange Killeraale... -, spielt es sich mit dem Wii-Klassiker so viel besser.

Mehr Bossfight!

So oder so, über Treasure wird gesagt, dass alle ihre Spiel aus mehr Bossen als normalen Feinden bestehen, dass sie bockschwer sind und gleichzeitig extrem fair. All das trifft jedenfalls hier durchaus zu. Die langen Stages bieten euch eine gesunde Auswahl an Mini-Bosskämpfen, die genug Variationen in den Ablauf bringen. Ihr habt nie den Eindruck, dass eine einzelne Szene zu lange dauert, zu viel wiederholt wird. Entweder wechseln die regulären Feindeshorden ihre Muster radikal oder ein Miniboss zeigt, was er kann. Ihre Angriffsmuster sind in der Regel nicht sonderlich komplex, das überlassen sie den richtigen Bossen. Und hier müsst ihr alle Tricks beherrschen. Vor allem das Ausweichen, denn oft genug zeigen sich verwundbare Stellen sehr selten und manchmal auch nur sehr kurz. Im ersten Anlauf war ich mir nicht sicher, wie der fliegende Kommandant überhaupt zu schaffen sein sollte, bis ich das kleine Zeitfenster entdeckte, in dem ihr die Smart-Bomb geladen und bereit haben müsst. Und selbst dann sind es noch vier Runden seiner Angriffe. Und das war Level 2...

Bossfight!

Was folgt, ist teilweise brutal und gleichzeitig ein immer noch recht aktueller Beweis. Dafür, dass wenn langjährige Studioerfahrung und Talent, kreativer Freilauf und der richtige Touch an Japan zusammenkommen, etwas Wundervolles entstehen kann, bei dem die Technik nicht mehr ganz so wichtig ist. Das Bonus-Multiplier-System hat zahlreiche kleine Twists, die euch geradezu herausfordern. Lauft ihr am Boden, was meist schwieriger ist, als über den ganzen Screen zu zappen, sammelt ihr zum Beispiel mehr Punkte. Jeder Bosskampf, insbesondere die großen, hat mindestens eine oder zwei Ideen, die im ganzen Spiel nicht wiederholt werden, sondern ihm ganz alleine gehören. Jeder Level hat eine Reihe von Kulissen und Gefahren, die ihr nur an diesen Stellen findet und die deshalb so besonders sind. Keiner dieser Einfälle wirkt schnell zusammengeschustert, beliebig oder unausgegoren, alles passt perfekt zusammen und so wird jeder Stage für sich zu einem kleinen Meisterwerk, an das ihr euch gern zurückbesinnen werdet. Vor allem, weil ihr es nicht so schnell vergessen habt wie viele andere Shooter- oder Shoot-'em-up-Stages geringerer Spiele, die eben nicht diesen Aufwand fürs Design, sei es Spiel oder Look, betreiben.

Bossfight!

Der Schwierigkeitsgrad ist hart und selbst auf „Einfach" kommt ihr nicht ganz umsonst durch, aber dank unendlich vieler Continues habt ihr selbst auf „Hart" eine faire Chance. Nur einen Highscore werdet ihr dann nicht sehen, und der ist einer der Gründe, Sin & Punishment wiederholt zu spielen. Abgesehen von der fantastischen Spielbarkeit und dem damit verbundenen Spaß an sich natürlich. Es ist fair, erfordert an ein paar Stellen aber definitiv wiederholte Anläufe, um ohne Lebens- und damit Multiplier-Verlust durchzukommen. Treasure spielt auch gerne mit euren Reflexen: Die besagten Aale beispielsweise tauchen blitzschnell auf, stoßen ihren riesigen Kopf aber genau auf die andere Seite des Screens. Dorthin, wo ihr euch reflexhaft gerade vor ihnen in Sicherheit bringen wolltet. Solche Stellen werdet ihr immer wieder finden und gleichzeitig in Bullet-Hell-Trance versinken, dabei aber auch noch bewusst zu reagieren ist eine echte Herausforderung und Teil des großartigen Spaßes an diesem Spiel.

Bossf... Halt! Kein Bossfight.

Der Zweispielermodus wurde, soweit ich das überblicke, etwas gescholten, aber ich würde widersprechen. Der zweite Spieler lenkt nur ein einfaches Fadenkreuz, keine Figur, und er hat auch keinen Aufladeschuss. Sicher, das reduziert ihn auf die Rolle des Anwärmers bei Bosskämpfen, aber in den Stages selbst ist er viel wert, um die Massen an Feinden besser in Schach halten zu können. Ich hatte zusammen mit einem Freund sehr viel Spaß. Wir wechselten immer wieder mal das Pad und waren uns einig, dass dieser Modus gerade bei der niedrigen Auflösung mehr Sinn hat. Alles andere wäre wahrscheinlich schnell in reinem und nicht so unterhaltsamem Chaos versunken.

Und um ein letztes Mal zur Technik zu kommen: Ja, 480p und ein nach selbst damaligen Nicht-Wii-Maßstäben minimaler Polygon-Count wirken schon ganz schön trübe. Sicher, für die Verhältnisse der Wii selbst ist das Spiel detailliert und einige der Hintergründe und Bosse sind schlicht beeindruckend, aber das bedeutet heute nicht mehr so viel. Es ist kein hässliches Spiel, dafür ist das Design zu gut, aber es ist doch erschreckend, wie Nintendos Minimal-Rechenpower-Konsolen ein gerade mal fünf Jahre altes, eine Generation zurückliegendes Spiel einen derartigen Retro-Vibe auslösen lassen. Ja, ich mag moderne Technik und ich wünsche mir immer mehr, dass die Wii angesichts solcher Spiele nicht so Chip-unterfüttert gewesen wäre.

Oh, ja, bevor ich es vergesse: Es gibt eine Story. Ich habe keine Ahnung, worum es geht. Ich habe fast alle Zwischensequenzen weggedrückt. Ich spiele hier ein japanisches Shoot-'em-up. Wenn die Story keine Heavy-Metal-Riffs, halbnackten Elfendamen und/oder axtschwingende Barbaren zu bieten hat, alternativ die Wiederbelebung von Hitlers Gehirn als Endgegner in Cyber-Tokio oder was auch immer es war, was in Cho Aniki passierte, dann sehe ich keinen Grund, meine Zeit damit zu vergeuden. Nichts davon schien hier der Fall zu sein, aber die Szenen sind alle abbrechbar, also war die Story insgesamt okay.

Auf dem Weg zum Bossfight. Wird gut. In Treasure we trust.

Egal, gutes Spieldesign trumpft immer über mäßige Technik und so hässlich ist Sin & Punishment: Star Successor nun wirklich nicht. Das "Gut" beim Spieldesign muss auch noch erweitert werden, denn das würde dieser Perle nicht gerecht werden. Letztlich ist es genau die Art von Spiel, die ich aktuell auf der Wii U vermisse. Sehr japanisch, ohne den gewillten westlichen Spieler vors Schienbein zu treten, unglaublich kreativ in jeder Form seines Designs und wahnsinnig gut spielbar. Alles in allem ist dieses Spiel tadellos durchdacht, es ist klassisches Spieldesign frisch und intelligent gewürfelt und im Ergebnis etwas, das ihr so weder im normalen Triple-A- noch im Indie-Umfeld findet. Es ist die Art von Spiel, die japanische Studios an ihren guten Tagen so einzigartig macht, und etwas, von dem wir dringend mehr brauchen, bevor sie endgültig vergessen, wie man so was macht. Sin & Punishment entwickelt gleich mehrere Genres sinnvoll weiter, lässt sie alle glänzen, bindet gewinnbringend die Steuerungseigenheiten der Wii ein - etwas, das ich sicher nicht leichtfertig sage - und gibt euch so viel Spaß, wie man ihn sonst nur bei Nintendos Eigenentwicklungen auf dieser Konsole findet.

Also, wenn ihr vor fünf Jahren auch borniert - oder dumm oder einfach zu beschäftigt - wart, das ist jetzt eure Chance, zu bereuen und euch dem Kult um ein Spiel anzuschließen, das eigentlich genau das sein sollte: ein Kultspiel. Und ich würde sogar auf die Knie gehen, wenn es das ist, was nötig ist, damit Treasure und Nintendo einen echten Wii-U-Nachfolger produzieren. Aber da verkaufte Exemplare eine deutlichere Sprache sprechen: Los, machen, kaufen, spielen, Spaß haben und Nachfolger auslösen! Wenn das klappt, kann keiner mehr sagen, es gäbe keine Achievements auf der Wii U.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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