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Journey auf PS4: Wenn 60 FPS doch den Unterschied machen

Ein Spiel, das man nur einmal spielen sollte, lädt auf unwiderstehliche Art zur zweiten Runde.

Es ist allgemein akzeptierter Konsens, dass so genannte "Kunstspiele" - ein Begriff, über dessen Daseinsberechtigung man durchaus diskutieren kann, doch das ist ein Thema für einen anderen Tag - auch ohne blendende, topaktuelle Technik auskommen. Und dann erlebt man eins, das erst durch all den Glitz und Glitter zu dem Kunstwerk wird, das es ist. Als Journey vor mittlerweile über drei Jahren erschien, konnte man sich schon kaum einen erbaulicheren und visuell fesselnderen Spielplatz vorstellen als den, den einem thatgamecompany hinstellte. Eine schier endlose, funkelnde Wüste wie aus Billionen mikroskopischer Diamanten rollte sich vor einem aus. Nichts als der Wind schien hier zu leben, der die Dünen beinahe zärtlich streichelte.

Als ich jüngst die PlayStation-4-Version dieser interaktiven Reise-für-zwei erlebte, erkannte ich zunächst keinen keinen Unterschied. Ich näherte mich dem Display mit dem Hocker davor. Die grellorange Einöde lag still vor dem in kauernden, in Rot gehüllten Reisenden. Als hätte sie sich in Schale für einen Screenshot geschmissen, nur, dass das Spiel eigentlich immer so aussieht, nicht nur, wenn es wegen mangelnder Controller-Aktivität in den hypnotisierendsten Bildschirmschoner-Modus wechselt, den man jemals sah. Als ich den Stick die ersten Millimeter bewege, schlägt der vertraute Ersteindruck und der innere nachfragende Monolog nach den Unterschieden jedoch in einen echten "Aha"-Moment um, der sich gewaschen hat: So gut hat sich das Spiel noch nie angefühlt.

Zusammen ist man weniger allein.

Weil wir hier von einem Titel reden, der schon im Original in Sachen virtueller Haptik eine Wonne war, will das schon etwas heißen. Der oder die (das?) Reisende bewegt sich so elegant wie nie, surft Abhänge der unaufgeregten Grazilität eines Stroms Wasser hinab und erhebt sich so mühelos in die Lüfte wie die Flugschirme eines reifen Löwenzahns. Die Kamera zeichnet jede der Bewegungen mit einem stillen, selbstsicheren Verve nach - die höhere Bildfrequenz schenkt dem gedankenverlorenen Prozedere eine Klarheit, die man zuvor zwar erahnte, aber erst in der Verdopplung von 30 Einzelbildern auf 60 in volle Erscheinung tritt.

Mehr noch als zuvor, kleben die Augen am Bildschirm. Man fixiert und folgt vereinzelten, besonders hell glitzernden Sandkörner, bis sie sich in der Seite einer Düne verlieren. Man analysiert beinahe die kleinen Hügel, die sich bilden, wo immer die ätherische, mehr oder weniger gesichtslose Figur auf ihrem Weg des Lebens hintritt. Und manchmal beginnt man unweigerlich irritiert zu blinzeln, wenn es in einer der stürmischen Sequenzen durch scheinbar undurchdringliche, fauchende Zyklone aufgewirbelter Wüste geht.

Journey trägt seine Analogie offen vor sich her.

Dass diese neue Version eine solche unmittelbare Anziehungskraft auf mich ausübt, stellt mich vor ein Dilemma: Ich hatte meine Geschichte eigentlich schon hinter mir. Sie hatte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Den vorläufigen Höhepunkt einer wortlosen und doch so vielsagenden Begegnung mitten im Nichts. Den Tiefpunkt, an dem ich und mein Reisepartner uns dem beschwerlichen Weg offenbar doch geschlagen geben mussten. Und dann unseren beseelten Aufstieg in himmlische Sphären. Der ergreifendste Moment: Als wir auf unserem Flug ans Ziel unseres beschwerlichen Abenteuers minutenlang getrennt wurden und ich oben, vor dem leuchtenden Tor, an dem alles enden sollte, eine gefühlte Ewigkeit auf meine Begleitung wartete.

Die Sekunde, in der er oder sie zu mir aufschloss, erkannte, dass ich gewartet hatte, und nur zwei kurze Töne der anonymen Lautsprache Journeys von sich gab. Ein "Danke, dass Du auf mich gewartet hast" vielleicht. Oder ein auch nur ein "mein Gott ist die Steuerung in dieser Szene verkorkst gewesen". Für mich war es immer das erstere. Und dann gingen wir ins Licht. Gemeinsam. Ein Moment, der durch nichts zu ersetzen und noch weniger zu replizieren ist. Ich hatte deshalb bis hierhin nie das Bedürfnis, diese Reise noch einmal zu erleben.

Diese Panoramen verschlagen einem auch drei Jahre später noch den Atem.

Und jetzt das. Mit einem Mal bin ich wieder bereit, diesen Trek von neuem anzugehen. Eine andere Geschichte zu schreiben, mit jemand anderem diesen aufwühlenden und rührenden verkürzten Weg des Lebens ein zweites Mal zurückzulegen. Das weiß ich nach nur zehn Minuten, in denen ich den krachigen Londoner Event-Trubel um mich herum komplett vergaß und mich erst die Erinnerung der PR-Person an den nächsten Interview-Slot wieder in die echte Welt zurückholte. Echte, neue - ja - frische Videospiel-Magie von einem drei Jahre alten Spiel. Auch und vor allem dank generalüberholter Technik. Ohne dieses spezielle Werk wäre alles technologisches Brimborium nichts wert, schon klar. Aber wenn man es dem Erlebnis derart elegant Untertan macht wie Journey, trifft das Spiel seinen Gast eben mit besonders ungebremster Wirkung.

In diesem artikel

Journey

PS4, PS3, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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