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"Spiele sollen Spaß machen" - ein Nachruf auf Satoru Iwata

1959 - 2015

Es ist fast zum geflügelten Wort geworden, als Satoru Iwata auf seiner GDC 2006 Keynote und noch vor der Vorstellung der Wii sagte "Vor allem sollten Videospiele eines: Spaß machen. Sie sollten jedermann Spaß machen". Man muss nicht mit ihm einer Meinung sein, kann darüber streiten, dass Videospiele mehr versuchen sollten als nur das. Er wusste zu diesem Zeitpunkt aber schon, wie es gemeint war, ahnte, die Wii würde nicht nur die Spieler, sondern auch ihre Geschwister, Eltern, Großeltern ins Boot holen und ihnen näherbringen, wofür der Name Nintendo für uns schon immer stand: Spaß.

Iwata selbst verkörperte immer den jungenhaften, verspielten Funktionär. Als einer der wenigen Chefs einer Multi-Milliarden-Dollar Unternehmung hatte er selbst eine Laufbahn in der Spieleentwicklung und wusste immer genau, wovon er sprach. Egal, ob er nun auf Keynotes über kommende Nintendo-Spiele referierte oder in der unterhaltsamen Videoreihe "Iwata Asks" häufig sichtlich in Ehrerbietung verfallenen Spieleentwicklern clevere Fragen stellte. Er war ein Unikat, einer der letzten kreativen Bosse dieser Branche und es ist schwer, sich auszumalen, wer ihn nun ersetzen sollte.

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1959 In Sapporo als Sohn eines Bürgermeisters geboren, weckte Ataris Pong seine Leidenschaft für Videospiele. Schon im High-School-Alter machte er sich sich an die Entwicklung seines ersten elektronischen Spiels, in dem es um Baseball ging. Nicht dass man es ihm angesehen hätte, aber immerhin. Die Hardware: ein Hewlett Packard Taschenrechner. "Niemand könnte über dieses Spiel sagen, dass die Grafik schlecht gewesen wäre, denn es hatte keine", scherzte er 2005 auf der GDC über das Produkt seines Erfindergeistes, das seine Spielergebnisse lediglich in Zahlen wiedergab. Schon hier blitzt der Erfindergeist Iwatas durch, der ab 1978 folgerichtig Informatik am Tokyo Institute of Technology studierte, seine Freizeit in Computerläden in Akihabara totschlug und als Freelancer unter anderem für HAL Laboratory programmierte.

Es war keine Karriere, die sein Vater für eine gute Idee hielt, einen Monat sprach er nicht mit seinem Sohn. Doch der knickte nicht ein. "Ich hatte abnormes Vertrauen in die Zukunft, Vertrauen ohne Basis. Die Jugend ist doch etwas Wundervolles." Mit dem Abschluss seines Studiums schloss er sich HAL in Vollzeit an. Bereits 1983 war er Koordinator der Software-Produktion bei HAL, dessen Name im Kontrast zu den freundlichen Spielen des Studios steht, weil er an den mörderischen Computer aus 2001 angelehnt ist. Hier war er maßgeblich an der Entwicklung von Balloon Fight, Earthbound und Kirby beteiligt, um nur die größten Perlen zu nennen.

1993 übernahm er den Posten des Präsidenten bei HAL, als die Firma am Rande des Bankrotts stand, und sanierte dort die Finanzen. Doch selbst in dieser Funktion war immer wieder sein Programmiergeschick gefragt, etwa als er 1999 Game Freak auf Nintendos Geheiß bei der Fertigstellung von Pokemon Gold und Silber half. Das hatte ein gehöriges Platzproblem, bis Iwata ein Compressionstool entwickelte, durch das die Integration der zweiten Spielregion Kanto auf dem Modul erst möglich wurde. Hiroshi Yamauchi, Nintendo Präsident seit 1949, erkannte in den späten Neunzigern Iwata als Funktionär, der sowohl die Belange der Spieleentwicklung als auch die Hardware verstand. Wie passend für eine Firma, die ihre Unterhaltungsprodukte immer als Komplettpaket aus Konsole und Spielen betrachtete.

Sieht aus wie ein Geschäftsmann, ist aber ein Coder - ein verdammt guter noch dazu.

So kam es dann, dass Iwata im Jahr 2000 zum Mario-Konzern wechselte, wo er schon bald seinem Ruf als Erneuerer gerecht wurde, den er über die Jahre immer wieder mit mal größerem, mal geringerem Erfolg bestätigen sollte: Nur zwei Jahre nach seinem Einstand bei Nintendo übernahm er die Rolle des CEO, als sich sein Förderer Yamauchi in den Ruhestand begab. Nintendo machte gerade schwere Zeiten durch, als nach dem N64 auch der GameCube nicht an die goldene SNES-Zeit anknüpfen konnte. Es muss in diesen Jahren gewesen sein, dass der Gedanke, sich aus dem Wettrüsten immer stärkerer Hardware auszuklinken, in Iwata und der restlichen Führungsriege reifte.

Nicht umsonst beginnt er im Frühjahr 2006 seine oben bereits zitierte, mit Andeutungen gespickte Rede mit einem Pepsi-Vergleich - eine Firma, die zu Erfolg gelangte, weil sie "aufhörte, sich zu fragen, wie man mehr Cola verkaufen könnte. Sie fragten sich stattdessen, 'was wollen die Leute sonst noch trinken?'" Auf das Videospiel-Business übersetzt, waren sowohl der DS (2004) als auch die Wii (2006) perfekte Beispiele umwälzender, transformativer, erneuernder Produkte, die Antworten auf Fragen gaben, die sich die anderen Hersteller noch nicht gestellt hatten. Dass sowohl die Wii U als auch der 3DS mit ihren jeweils konservativeren Designs nicht daran anköpfen konnten, war klar. Doch in jedem Fall gaben entzogen auch sie sich dem direkten Wettbewerb mit Sony und Microsoft.

"Wenn man dasselbe macht wie die anderen", so sagte Iwata noch 2013, "laugt dich das aus. Nintendo ist kein guter Wettbewerber, also müssen wir immer den Status quo hinterfragen, indem wir etwas Neues machen, anstatt in einem existierenden Markt zu konkurrieren." Und das trifft sowohl auf ihre Spiele und Plattformen als auch auf die öffentlichen Auftritte Iwatas zu. Ob es nun seine sympathisch nahbaren Iwata Asks Interviews sind oder Pressekonferenz-Einspieler, in denen der Präsident höchstselbst sekundenlang in Sein-oder-nicht-sein-Haltung mit einer Bananenstaude in der Hand verweilt. Und habt ihr schon mal versucht, euch vorzustellen, wie Activisions Bobby Kotick oder Ex-EA-Chef John Riccitiello eine Muppet-Version ihrer selbst anfertigen lassen? Geht nicht, oder?

Jetzt noch ein bisschen näher an den Sternen.

Auch nach der Diagnose Gallengangkrebs im Frühjahr 2014 war Iwata trotz seines Fernbleibens bei den großen Messen immer irgendwie präsent. Noch Mitte Juni, keine vier Wochen vor seinem Tod, präsentierte er eine schmalere Version seines Mii und schien der Erkrankung eine lange Nase zu machen, als er sich hoffnungsfroh zeigte, sein neues, schlankes Äußeres beibehalten zu können. Ein Mann großer Klasse, der Millionen Zuschauer mit einem jungenhaften Winken grüßte, sich anders als viele andere japanische Geschäftsleute globaler gab, und aus dessen Vermächtnis Nintendo viel Inspiration für die Zukunft ziehen kann.

"Laut meiner Visitenkarte bin ich Firmenpräsident. In meinem Kopf bin ich Spieleentwickler. Aber in meinem Herzen bin ich Spieler." Wenn er es sagte, war es keine Floskel. Ebenso wie sein oft gehörtes "please understand" keine Art war, sich aus einer unbequemen Frage herauszuwieseln. Jetzt ist er weg. Und das ist beim besten Willen nur sehr schwer zu verstehen.

Satoru Iwata stirbt am 11. Juli 2015 im Alter von nur 55 Jahren.

Über den Autor
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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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