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Devil's Third - Test

Besser als befürchtet, schlimmer als erhofft.

Unausgereifte Balance der Spielmechaniken und ein fast toter Mehrspieler-Modus. Nur für Trash-Liebhaber wirklich interessant.

Seit einer Woche versuche ich verzweifelt, Mehrspielerschlachten im Online-Modus von Devil's Third beizutreten. Egal ob um 5:00 Uhr morgens oder 20:00 Uhr abends, die Server ähneln einer digitalen Geisterstadt. „Aber das Spiel ist noch gar nicht erschienen", werden einige von euch protestierend einwerfen. Obwohl diese Aussage auf die westlichen Märkte zutrifft, ist Devil's Third bereits seit zwei Wochen in Japan erhältlich. Selbst eher unbekannte Titel wie Anarchy Reigns erfreuten sich dort zum Start moderater Beliebtheit und vor allem Splatoon hat gezeigt, wie erfolgreich Online-Multiplayer in Japan auf der Wii U sein können.

Devil's Third scheint dort also niemanden so recht zu interessieren und ich glaube, dass es im Westen nicht anders aussehen wird. Nintendo scheint hier nicht wirklich hinter dem Titel zu stehen und würde ich nicht aktiv jedes Spiel von Tomonobu Itagaki verfolgen, Devil's Third wäre wohl komplett an mir vorbeigezogen.

Ein bedauerlicher Zustand, da gerade der Multiplayer-Part eine Menge Potenzial besitzt. Hier dürft ihr euch vollkommen frei in den Mechaniken des Action-Titels austoben. Eine simple Deathmatch-Schlacht im Team oder Free-for-All? Konventionelle Capture-the-Flag-Szenarien? Oder doch lieber etwas Verrücktes wie das Jagen bunter Hühner? Alles kein Problem. Besonders angetan war ich von den Modi, in denen man nur mit Nahkampfwaffen attackiert oder nichts anderes als blanke Fäuste einsetzen darf. Es zeigt, dass diese Aspekte wunderbar in Mehrspielergefechten funktionieren und genügend Tiefgang besitzen, um nicht nach fünf Minuten zu langweilen.

Chaotischer, kindischer Spaß. Wenn doch nur genügend Spieler online wären.

Mein Favorit ist eindeutig die aufreibende Suche nach gigantischen Mixern, die ihr mit verschiedenen Früchten füttern müsst. Sammelt an vorgegebenen Stationen die Vitaminbomben, schnallt sie euch auf den Rücken und sprintet damit durch zerstörte Kriegsgebiete, in denen das überdimensionale Küchengerät plötzlich aus dem Boden sprießt. Ein wunderbarer Kontrast zu anderen Militär-Shootern, die sich trotz ihrer verspielten Mechaniken häufig viel zu ernst nehmen. Devil's Third präsentiert oberflächlich betrachtet ein ähnlich brutales Szenario, in dem ihr als Teil einer Fraktion gegen andere Soldatengruppierungen um die Vorherrschaft eines vom Krieg zerrütteten Amerikas kämpft. Im Gegensatz zu vielen anderen Titeln weiß Devil's Third jedoch, wie aufgesetzt das Ganze wirkt. Immerhin reden wir hier von einem Spiel, das euch den Kauf eines Pappkarton-Anzugs erlaubt, um anschließend 20 Meter herab auf auf einen Feind zu springen und ihm ein Katana durch den Unterleib zu rammen.

Es verbirgt sich noch viel mehr hinter diesem System, jedoch hatte ich bisher leider keine Möglichkeit, den Großteil davon auszuprobieren. Verschiedene Fraktionen sollen miteinander arbeiten können oder sich gegenseitig ausstechen, um Gebiete auf der Landkarte zu erobern. Die ganze Balance der aufgesetzten Handlung und ihrer Ökonomie soll im Verlauf durch das Verhalten der Spieler beeinflusst werden. Ob das wirklich stimmt? Keine Ahnung, weil so etwas unmöglich untersucht werden kann, wenn ich über mehrere Tage verteilt nur an einem Dutzend Schlachten teilnehmen durfte.

Das ist ein großes Problem, denn in meinen Augen ist der Multiplayer mit seinen interessanten Ansätzen und bekloppten Modi der geheime Fokus des Spiels. Die Kampagne ist kein schlechter Zeitvertreib, aber wie schon in meiner Vorschau beschrieben, gibt es zwei grundlegende Probleme, die das Abenteuer stark zurückhalten.

Devil's Third kombiniert zwei in Itagakis älteren Titeln erprobte Mechaniken mit den für ihn und sein Team unbekannten Shooter-Elementen. Ihr erhaltet ein robustes Nahkampfsystem, das sich leicht am Schwertkampf von Ninja Gaiden orientiert, gemischt mit Martial-Arts-Attacken, deren Tempo den Kombos eines Dead or Alive ähneln. Beide Aspekte sind lange nicht so ausgearbeitet wie in den jeweiligen Vorbildern, doch der Einfluss zeigt sich in der gekonnten Umsetzung. Angriffe fühlen sich kräftig an, Protagonist Ivan bewegt sich angenehm flott zwischen Feinden und jeder Fehler wird prompt bestraft.

Devil's Third ist zwar keine Schönheit, einige Gebiete können optisch dennoch überzeugen.

Sobald Feuerwaffen hinzukommen, treten die ersten Probleme auf. Zuerst einmal ist die Steuerung eine mittelschwere Katastrophe. Weder Itagaki noch die Mitarbeiter seines Valhalla Game Studios hatten vor Devil's Third Erfahrung in diesem Bereich, was schnell deutlich wird. Nachdem ich im Prolog die erste Waffe fand, konnte ich nicht glauben, wie hakelig sich das Fadenkreuz über den Bildschirm bewegte. Selbst nach mehrfacher Kalibrierung der Sensitivität fühlte es sich grausig an. Mit ein wenig Einarbeitungszeit und einem Wechsel zum Pro-Controller gewöhnte ich mich etwas daran, trotzdem ist das Teil ohne Zielhilfe praktisch unspielbar. Als hätte niemand der Entwickler jemals von Deadzones gehört. Glaubt mir, frühe Third-Person-Shooter auf der PlayStation 2 fühlen sich besser an.

Trotz dieser Schwäche überschatten eure Bleispritzen jegliche Nahkampfattacke in puncto Effektivität. Wieso sollte ich meinen Hals und damit die letzten Minuten Fortschritt riskieren, wenn ich gemütlich hinter einer Deckung hocken und die Köpfe meiner Feinde aus sicherer Entfernung in nette Splatter-Effekte verwandeln kann? Einige Momente sind mit Absicht auf den Einsatz der Feuerwaffen ausgelegt, aber auch in von machetenschwingenden Soldaten überfüllten Gängen ist es wesentlich angenehmer, einfach das Schwert gegen ein Maschinengewehr zu tauschen. Natürlich fühlt es sich besser an, wenn ihr improvisiert, ständig zwischen den Stilen wechselt, und dabei noch das unheimlich cool aussehende Rutsch-Manöver einsetzt. Letztendlich bringt es euch außer der persönlichen Befriedigung aber keinerlei Vorteile. In 95 Prozent aller Fälle ist Schießen die dominante Strategie, weshalb jeder darauf zurückgreift.

Nur in äußerst seltenen Fällen zwingt man euch zum Wechsel, hauptsächlich in Bosskämpfen. Da sie eine Ausnahme bilden, werdet ihr ansonsten wahrscheinlich nie den Nahkampf wählen. Leider geht das Spiel davon aus, dass ihr eure Fähigkeiten in dieser Disziplin die gesamte Zeit über gestählt habt, weshalb die Auseinandersetzungen eine unerwartete Steigerung im Schwierigkeitsgrad darstellen. Auf dem normalen Setting hatte ich bis auf eine besonders hartnäckige Szene keinerlei Probleme. Mehr als einmal bin ich nirgendwo gestorben. Bei den Bossen, die sich nicht mit Schusswaffen verletzen ließen, hing ich dagegen im Schnitt eine gute Stunde fest. Sie durchbrechen den Spielfluss und beweisen, wie unausgereift die Kombination der drei Spielstile ist.

Es ist eben durch und durch ein Itagaki-Spiel.

Dennoch hatte ich sehr viel Spaß mit Devil's Third, wobei ich verstehe, dass die beschriebenen Probleme für viele komplette Dealbreaker sind. Allerdings kann ich nicht generell vom dem Spiel abraten, denn es gibt genügend Stellen, die mir sehr viel Freude bereitet haben. Beispielsweise ist Ivan der perfekte Protagonist für ein solch glorifiziertes Actionfeuerwerk. Seine überhebliche Art sorgt für peinliche Dialoge auf dem Level eines Phantom-Kommando. Passend dazu dauert es keine drei Sekunden, bevor Ivan seinen Flachmann auspackt oder sich eine Zigarette hinter der Deckung anzündet, solltet ihr keine Controllereingabe tätigen. Es ist unglaublich dumm, aber gerade diese ehrliche Art macht den Titel so charmant. Es fühlt sich wie die Ideensammlung eines übereifrigen Zwölfjährigen an, der Hollywood-Action-Klischees für eine wahre Reflexion der amerikanischen Kultur hält. Nur dass der Zwölfjährige in diesem Fall ein 48-jähriger Japaner ist, der wie das Cosplay eines jungen John Romero aussieht.

Devil's Third ist dumm, komplett überdreht und zu gewissen Teilen ziemlich anstößig, aber genau deswegen liebenswert. Die Art des Vergnügens ist komplett anders als bei tatsächlich guten Spielen, aber ich müsste lügen, wenn ich behauptete, teilweise nicht lautstark gelacht zu haben. Falls ihr eine ebenso hohe Affinität für japanischen Action-Trash besitzt, ist Devil's Third sicherlich einen Blick wert. Auf keinen Fall zum Vollpreis, dafür sind Balanceprobleme zu verbreitet und die schwache Schusssteuerung wird die meisten sofort abschrecken.

Viel lieber würde ich mehr über den Multiplayer erzählen und euch sagen, dass sich eine Anschaffung allein dafür lohnt. Doch wenn bereits nach dem Verkaufsstart in Japan die Server meist leergefegt sind, sehe ich auch mit der Veröffentlichung in Europa keine große Besserung. In Nordamerika erscheint das Spiel sogar erst im Dezember, was sie Aussichten weiter verschlechtert.

Hoffentlicht sieht es auf dem PC etwas besser aus. Dort erscheint der Multiplayer als Free-2-Play-Variante, wodurch eine höhere Spielerzahl gesichert sein sollte. Auch die Steuerung dürfte dort besser ausfallen. Deshalb rate ich jedem, der nicht gerade an einer überdrehten Kampagne interessiert ist, auf die PC-Version zu warten, die in den kommenden Wochen weltweit starten soll. Ich werde mich dann erneut in den verrückten Krieg stürzen und hoffentlich mit guten Erfahrungen zurückkehren. Denn so enttäuschend der Einzelspieler-Modus auch sein mag, hat der Mehrspielerpart noch immer die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft.

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