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Satellite Reign - Test

Syndicate im Geiste. Wie sieht's in der Praxis aus?

Nah dran und doch knapp vorbei: Bildschön und komplex erwacht der Syndicate-Gedanke zu mal fummeligem, mal frustrierendem neuen Leben.

Wie sehr ich dieses Spiel doch lieben möchte. Doch es passiert einfach nicht. 5Lives Studios, ein australisches Team, das sich zu guten Teilen aus Entwicklern rekrutiert, die in ihrer Laufbahn einst an Syndicate beteiligt waren, haben ein irrsinnig ambitioniertes Reboot des Cyberpunk-Taktikspiels auf die Beine gestellt. Satellite Reign ist optisch ein absoluter Traum in einer in einen ewigen nächtlichen Neonregen gehüllten Megametropole. Es macht durchaus Spaß, aber es ächzt sicht- und hörbar unter der Last seiner vielschichtigen Systeme.

Eure vier Agenten schickt ihr in Echtzeit und ohne Ladebildschirme durch eine simulierte Stadt voller rivalisierender Kybernetikfirmen, sabotiert Sicherheitsanlagen, stehlt Prototypen neuer Technologien, hackt Geldautomaten, nutzt Cyber-Fähigkeiten noch und nöcher und kämpft euch auch ohne Risiko-inspirierte Strategieebene durch eine Zukunft, die ausgerechnet deshalb so schlimm ist, weil sie den Schlüssel zum ewigen Leben entdeckt hat. Die Strategie kommt dadurch ins Spiel, welchen gegnerischen Komplex ihr als Erstes infiltriert und mit welchen Technologien ihr euch als Nächstes ausstatten wollt. Dadurch, wie ihr entscheidet, euch durch die Stadt zu bewegen und welcher Bedrohungen und Aufträge ihr euch als Erstes annehmt.

Es ist eine Blade-Runner-Neonhölle wie jede andere auch. Das bedeutet nicht, dass es schlecht aussähe. Ganz im Gegenteil. Dafür gibt's aber auch saftige Hardware-Anforderungen. Mit i5 3570K @4,2GHz und Geforce GTX 980 sind auf maximum (konstante) 45 FPS drin.

Im Grunde ist es ganz übersichtlich. Geht, wohin ihr wollt, schaltet Spawn-Punkte frei, zwischen denen ihr eure Agenten nahtlos hin und her zappen könnt und an denen ihr eure Beute wie zum Beispiel Prototypen abliefert. Andernorts lasst ihr euren Hacker Bankautomaten präparieren, damit sie von den Transaktionen der Bürger der Stadt Kleckerbeträge abzapfen, von denen ihr das Reverse-Engineering besagter Prototypen finanziert, damit ihr sie dauerhaft nachbauen könnt. Bessere Tarnung, mobile Respawn-Punkte, Implantate, die die Leistungsfähigkeit verbessern. Wenn ihr die Waffen zückt, müsst ihr damit rechnen, von den Behören oder Soldaten einer Megacorp angegriffen zu werden.

Und hier wird es kompliziert, denn neben den grundlegenden Eckpunkten übernimmt Satellite Reign noch ein paar Tugenden eines anderen Taktikklassikers: Commandos. Vier Agentenklassen - Soldat, Unterstützung, Hacker und Infiltrator - helfen mit eigenen Skills, öffnen Türen, werden unsichtbar, buffen den Rest der Truppen oder geben den Kugelschwamm. In der Mischung kommt Satellite Reign jedoch nicht so recht zusammen, denn sobald man entdeckt wird, geht in der Regel jegliche Übersicht aus dem Fenster. Jede Fähigkeit wird über einen eigenen Hotkey angesteuert und eine Pause gibt es in dem Sinne nicht. Ein Patch in der letzten Woche fügte dem Spiel eine Option hinzu, zum Start bereits die Zeitverlangsamung der Support-Einheit auf maximaler Stufe freigeschaltet zu bekommen. Aber auch hier wird kostbare Ausdauer verbraucht, die der Support besser in andere Dinge, zum Beispiel die Heilung seiner Kollegen, investieren könnte.

Die Stelle, an der man bereits ahnt, dass man gleich entdeckt wird. Man überlegt sich zweimal, ob man sein Glück im Klein-Klein-Ansatz suchen soll.

In der Summe sind all diese Fähigkeiten einfach zu fummelig anzuwenden. Ständig ist man zerrissen zwischen Micromanagement der einzelnen Cyborgs und dem Kommandieren der Truppe als geschlossene Einheit. Letzteres unterbinden Benutzerführungsschwächen wie die kleinen Icons, etwa für den Waffenwechsel, die oft dafür sorgen, dass man lieber einfach eine Sekunde schneller mit der Pistole auf seinen Gegner schießt, statt diese Sekunde darauf zu verwenden, zum Sturmgewehr zu wechseln. Und ist man etwa mit dem Infiltrator alleine ins Herz einer feindlichen Befestigung unterwegs, kommt früher oder später ohnehin der Zeitpunkt, an dem man ohne die Computer-Skills des Hackers oder die Generatorüberbrückung des Soldaten nicht weiterkommt.

Komfortfunktionen fehlen ebenfalls. Wenn ich meinen Soldaten beauftrage, von hinten eine Wache leise auszuschalten, erwarte ich, dass er von selbst zur lautlosen Waffe wechselt, anstatt mich das für ihn tun zu lassen. Wenn ich deshalb entdeckt werde, geht mir immer wieder die Hutschnur, ganz zu schweigen von den Momenten, in denen mein Agent das Kommando einfach vergisst, nur weil das Ziel kurz die Richtung geändert hat. Und dann die Sache mit dem Stealth: Wer 15 Minuten schleicht wie ein junger Gott, nur um dann von einem Gegner ertappt zu werden, weil der über einen nicht nachvollziehbaren Sichtkegel verfügt oder sich in eigentlich sicherer Entfernung plötzlich dreht, während der Infiltrator nicht korrekt an einer halbhohen Mauer lehnt, der schwenkt auf die irgendwann immer funktionierende Brechstange um: Der nächste Spawn-Punkt ist stets in der Nähe und wer einfach Welle um Welle seiner eigenen Leute in die gegnerische Totenfabrik wirft, dringt irgendwann zum Objekt der Begierde durch.

Klassenspezifische Fertigkeiten weichen einige der Probleme später auf. Aber auch die Gegner werden hartnäckiger. Startet das Spiel unbedingt mit der Zusatzoption 'Realtime with pause', die die zuschaltbare Zeitlupe von Beginn an verfügbar macht.

Und das ist einfach ein Problem. Egal, wie schlecht man spielt: Irgendwann kennt man die Basis irgendwann in- und auswendig, hat alle Überwachungskameras zerstört und während dutzender Tode trotzdem genügend Level und Skills angesammelt, um in den hektischen Schießereien wild durcheinanderwuselnder Zentimetermännchen einfach mit dem Kopf durch die Wand zu kommen. Diese.... "Taktik" - und das Wort benutze ich an dieser Stelle nicht gerne - soll durch ein Feature unterbunden werden, bei dem man in der Stadt bessere Wirtskörper für seine Söldner zu findet und gewissermaßen per Gehirnwäsche stiehlt. Das motiviert tatsächlich sehr, weil man hier beachtliche Boni in Sachen Genauigkeit und Tempo rausholen kann, und jedes Mal, dass ihr diese Figur durch einen Klon ersetzt, resultiert in einem permanenten Abzug dieser Talente. Aber die eigentlichen Level und Fertigkeiten bleiben ihnen erhalten und so pumpt man sich eben doch durch, statt sorgfältig zu planen.

Mit der Zeit wird das besser, weil auch die Agenten besser werden, ihre Mittel effektiver. Aber die gerne mal festhängende Wegfindung, die seltsame KI, die an den falschen Stellen hellseherische Fähigkeiten entwickelt, nur um dann wieder Feierabend zu machen, wenn sie einen eigentlich schon in der Falle hat, erinnern immer wieder daran, dass hier nicht alles ganz rund läuft. Dazu Figuren auf beiden Seiten, die in den wilden Feuergefechten wie blöde in massive Hindernisse direkt vor ihrer Nase schießen. Das sind Dinge, die sabotieren das Spiel immer wieder in den Momenten, in denen es eigentlich am aufregendsten sein sollte. Statt einer blendend aussehenden Taktikschlacht artet alles zum hirnlosen Bleigemenge aus. Oft erkannte ich Gegner, die mitten unter meinen Leuten standen, viel zu spät, andernorts verebbte auf einmal unerklärlicherweise mitten in der gegnerischen Zentrale der Nachschub an Sicherheitspersonal und der Alarm war vergessen, als wäre nicht noch Momente zuvor eine Cyborg-Einheit wie eine tödliche Laser verschießende Disco-Kugel über die äußeren Wachposten hinweggerollt.

Die wundervoll umgesetzte Cyberspace-Sicht verrät, wie Geräte und Anlagen verkabelt sind. Oben im Bild legt unser Soldat gerade die Stromzufuhr zu einer Tür lahm.

Es stecken viele störende Kleinigkeiten in diesem in seinen Anlagen sehr fesselnden und bestechend gut aussehenden kalten Zukunftskrieg. 5 Lives Erstlingswerk sprüht nur so vor interessanten Systemen, ist in seinen Ambitionen absolut bewundernswert und riesig groß. Wenn es funktioniert, wenn ein mühsam zurechtgeknobelter Plan aufgeht, ein zuvor nur vermuteter Schleichweg tatsächlich zum wertvollen Prototypen führt, wenn jeder Handgriff sitzt: Dann ist Satellite Reign eines der kostbarsten Erlebnisse des Jahres und ein vollauf würdiger Nachfolger von Bullfrogs zu Recht verehrtem Klassiker. Aber man muss schon ein harter Hund sein, um all seine Schwierigkeiten in Sachen Lesbarkeit und künstlicher Intelligenz, all seine Sticheleien mit verqueren Sichtlinien und mit Deckung, die keine ist, mit einem Achselzucken wegzustecken. Es gibt dieses Kaliber Spieler da draußen. Und obwohl ich keiner von ihnen bin, hoffe ich, Satellite Reign wird von ihnen eine weniger theoretische Liebe erfahren als von mir.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Satellite Reign

PC, Mac

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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