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Hearts of Stone ist genau die Erweiterung, die The Witcher 3 verdient

Keine Drachen mehr hier. Kannst weitergehen.

Hearts of Stone, die erste kostenpflichtige und bisheriges DLC-Getröpfel übersteigende Erweiterung für The Witcher 3, wählt eine klassisch eingelassene Annäherung an den Beginn großer Abenteuer. Die Kanalisation. Nach viertelstündigem Vorgeplänkel darüber, wieso sich Geralt wieder zwischen feucht-schimmeligen Wänden herumdrückt - alles beginnt wie immer sehr unscheinbar mit einem Monstervertrag -, klettert er über eine extra fürs Add-on hergerichtete Leiter in die Kanalisation Oxenfurts. Es ist der Startpunkt einer Randgeschichte abseits der zermürbenden Invasion, eine ewige Konstante im Leben eines Monsterjägers, der inmitten von Fäkalien und Müll nun mal mehr findet als irgendwer sonst und eine große Geschichte draus macht.

Ertrunkene sind hier unten noch das Harmloseste.

Um den dort startenden Handlungsstrang überhaupt sinnvoll aufnehmen zu können, empfiehlt Entwickler CD Projekt einen Level-30-Charakter. Mit weniger auf den Rippen endet neugieriges Reinschnuppern ziemlich sicher mit einer blutschnaufenden Nase. An welchem Punkt ihr die Geschehnisse von Hearts of Stone in Gang bringt, das bleibt euch überlassen. Im Prinzip geht es jederzeit, dazugehörigen Monstervertrag vom schwarzen Brett fischen und ab. Ihr könnt euch dem genauso gut nach Abschluss der Hauptgeschichte widmen oder ihr startet direkt aus dem Hauptmenü heraus einen eigens dafür angelegten Spielstand. Dieser setzt einen Level-32-Geralt mit entsprechend vielen Charakterpunkten nach dem Finale irgendwo ab und lässt euch machen.

In die Kanalisation, dorthin muss der Hexer auf jeden Fall. Ertrunkene der Stufe 30 sind meinem Verständnis nach nichts, was sich irgendwo in Novigrad oder Skellige herumtreibt, außer eben hier als inhaltliche Restriktion, damit nur weiterkommt, wer wirklich ausreichend gerüstet oder clever ist. Eine Erklärung, wieso unter Oxenfurt so viele von ihnen lagern, liefert gleich eine alte Bekannte, aber ihre alles Gesehene sprengende Stärke... fragt mich nicht, muss vermutlich so sein.

Für eine alte Freundin muss immer Zeit bleiben.

Das freundliche Gesicht gehört der rothaarigen Shani, einer gutherzigen, um die Wunder der Medizin bemühten Freundin Geralts, bekannt aus dem ersten Roman der Geralt-Saga - Das Erbe der Elfen - oder dem ersten Computerspiel. Gleichzeitig auch das oberste Glied einer auf Fan-Zufriedenstellung abzielenden Kette, erzählt mir Designer Miles Tost beim Anspielen.

Hearts of Stone ist gemacht für diese Leute und ihr Klopfen im Hinterkopf, eine besondere Art von "Da war ja noch wer" oder "Das kenne ich doch". Man merkt es regelmäßig, wenn man deutliche Nähe zu Witcher 1 suchende Grüfte erkundet oder den Hinterlassenschaften des Professors nachspürt. Offenbar verlangten viele von ihnen nach der Kaer-Morhen-Startrüstung, mit der Geralt seine Reise beginnt, also gibt es davon nun eine spätere Level-35-Ausführung; daneben so manche Quest, die humorvoll auf diverse Exploits Bezug nimmt (Kühe, Plündern von Bauernhäusern).

Im Moment jedoch ist Geralt froh, dass Shani wohlauf ist, auch wenn Kloaken kein guter Ort zum Schwatzen über die vergangenen Jahre sind. Besonders nicht, da hier unten eine fette Kröte Wache schiebt. Sie ist der anfängliche Boss der Erweiterung, eine paukenschlägige Eröffnung mit genug Dampf in den morschen Knochen und ein Aussortierer, sollte sich jemand zu früh planlos hierher verirren. CD Projekt war es ein Anliegen, das Aufeinandertreffen mit Bossen kniffliger zu gestalten, was in dem Fall einen für Witcher-3-Verhältnisse recht feinteiligen Kampf vom Zaun bricht. Das Vieh benutzt nicht nur seine Zunge und spuckt Gift oder hinterlässt mit Igni entzündbare Wölkchen. Prügelt man zu lange seitlich auf ihren Körper ein, tritt sie halbherzig mit dem Hinterbein, was mich spontan an diverse Souls-Situationen erinnerte, nur eben in abgeschwächter Form.

The Witcher bleibt natürlich The Witcher. Wer das Kampfsystem bislang nicht zu schätzen wusste, wird sicher nicht wunderhändisch bekehrt, aber das krötige Moveset ging über vieles hinaus, was ich im Hauptspiel erlebte. Mehr als andere dieser Kaliber lehrt sie (und übrigens auch der nächste Add-on-Boss), dass Gier eine ganz schlechte kämpferische Eigenschaft ist. Irgendwie fällt es mir noch schwer, das in der Witcher-Welt so zu akzeptieren wie in Souls, doch es wird.

Auf den ersten Blick kaum von Velen zu unterscheiden, führen die Menschen im neuen Gebiet ein deutlich angenehmeres Leben.

Weitere Umstände treiben den Hexer in ein östlich über Novigrad hinaus erweitertes Gebiet. Die Weltkartengrenze verschiebt sich also ein Stück, wie auch eine Insel westlich der Hauptstadt hinzukommt. Was da passiert, weiß ich nicht. Der Osten jedenfalls ist von den Kriegsbemühungen weitestgehend unberührt und nicht eingespannt in die Maschinerie - was teils auf die Grundstimmung abfärbt. Man sieht es, wenn Geralt zusammen mit Shani eine Hochzeit "crasht" oder seine Begleiterin eine grundehrliche Freude daran verspürt, einen Blumenkranz zu fertigen. Es sind diese alltäglichen, den Grimm blutiger Auseinandersetzungen weglächelnden Dinge, die CDP schon im Hauptspiel genoss.

Die Entwickler legen wieder viel Wert auf Ablenkung, hier zum Beispiel mit einer Hochzeitsfeier.

Hearts of Stone setzt hier mit einem ähnlichen Schwung an und scheint die Mitte zwischen Witz, heroisch-verdrießlichem Blutvergießen und kleinen persönlichen Mysterien zu finden. Was zum Beispiel hat Gaunter O'Dim, der in der Hauptgeschichte nur einmal kurz im Tutorial der Taverne Weißgartens auftauchte, in der ganzen Kiste zu suchen? Gerade bei dem Kerl, der ja offensichtlich mehr Hintergrund hat, als ihm seine frühe Rolle als Tippgeber zugesteht, fragte ich mich immer, warum er so unspektakulär verheizt wird. Ob das also mit ihm als nebulöse Figur geplant oder er nur der Greifbarste zum Herstellen eines Bezuges war, wird sich bestimmt alles aufklären.

In der ostwärts gerichteten Abgeschiedenheit muss sich Geralt vorübergehend mit einem Räuberhauptmann namens Olgierd von Everec verbünden. Dass einige seiner Leute eigene Dinge am Laufen haben, kommt einem Hexer auf Jobsuche gerade recht. Und so spannt euch das Spiel sofort in seinen Rhythmus ein, mit kleinen Hilfegesuchen, die unverfänglich an der Ecke beginnen und dann zu etwas Größerem anwachsen. Aus dem Augenscheinlichen wird Überraschendes. Damit führt Hearts of Stone die vielleicht größte Stärke des Hauptspiels fort (auch wenn ich weiterhin Wände mit Aard einreißen musste), und man spürt, wie den Verantwortlichen der Schalk im Nacken hockte.

Hahaha.

Es gibt genug Nebenstränge zu erkunden, also kann Geralt auch mal von einem lüsternen Geist besessen sein - der seine Hülle nicht nur einmal peinlich in Bedrängnis bringt - oder an ebenso albernen wie makaberen Hochzeitsspielchen teilnehmen. Abseits vom Weltschicksal verändernden Ernst scheint CDP eine liebreizende Erweiterung gelungen, die ihre Themen ganz ungezwungen aus Lust und Laune anspricht, weil es eben geht und niemanden stört. Im Gegenteil.

Zusammen mit vielen zusätzlichen Tweaks (etwa Gwint-Schwierigkeit gesondert regelbar, fünf neue Fertigkeiten im "Sonstiges"-Reiter) kommt man nur schwer umhin, die zehn verlangten Euro als faire und sinnvolle Investition zu begreifen. Für all die großen und kleinen Geschichten, die noch kommen mögen.

In diesem artikel

The Witcher 3: Wild Hunt

PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC

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Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.
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