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Valhalla Hills: Siedeln fürs Nachleben

Manche Spiele sind wie für Early Access gemacht.

Valhalla Hills hat vielen anderen Aufbauspielen etwas voraus: Es strotzt nur so vor Charme, vermittelt unmittelbar einen einladenden Charakter, anstatt nur ein generisch-unterkühlt eine beliebige Menschenära abzubilden. Auch das kann man gut machen, wenn die Details stimmen und man bis an die Gürtelschnallen seiner Bewohner und die Nieten in den Holztüren heranzoomen darf, um sich die Nase am Bildschirm plattzudrücken. Valhalla Hills trägt aber stolz die niedliche Wusel-DNA der Siedler vor sich her, will mit der Totalen seines bunten Treibens gefallen. Und das gelingt ihm in der Early-Access-Version schon ausnehmend gut.

Mich hatte schon auf der gamescom ein bisschen, kalt erwischt, wie anziehend das wirkte, was uns Ex-Blue-Byte-Designer Thomas Häuser da präsentierte. Ein Rudel Wikingermänner und -frauen, die sich immer neue, prozedural generierte Berge zu einem Portal hinaufsiedeln müssen, um schließlich genügend Ehre anzuhäufen, um sich den Einlass in das prächtige Jenseitshaus Walhalla zu verdienen. Viel Kontext dafür, wie etwa eine Kampagne, gibt es bisher nicht. Aber den hatte das Spiel bisher auch nicht nötig.

Gebäude lassen sich nicht drehen. Weil man meist von vorne auf die bergigen Inseln schaut, ist das aber kein Problem.

Prinzipiell auf endloses Spielen ausgelegt, ist jede der von mir im Verlauf von etwa sechs Stunden gespielten Karten im Grunde eine eher kurze Angelegenheit. Mehr als eine Stunde habe ich bisher nicht gebraucht, um auf dem Gipfel eines Berges am Ende das Portal zu öffnen und mit meinen Kriegern die darüber wachenden Eismonster zu plätten. Die alternative Variante zur Lösung jeder Karte wäre es, einen Opferschrein zu errichten, dem man einen Teil der Erzeugnisse seiner Siedlung entrichtet, um schließlich gewaltfrei durch das Portal auf die nächste Berginsel zu wikingern. Das ist die etwas gemütlichere und längere Variante für diejenigen, die mit Kämpfen nichts am Hut haben, oder wenn die Rohstoffe einer Insel die umfassende Aufrüstung der Nordmänner nicht hergeben.

Natürlich kann und darf man, wenn man will, auch noch nach dem Öffnen des geisterhaften Tores noch weiterspielen. Das ist allerdings nicht der Sinn der Sache. Die Zahl der möglichen nachrückenden Wikinger ist stets begrenzt und damit auch die Größe eurer Siedlung. Nachwuchs wird hier nicht gezeugt, denn jeder, der hier so vor sich hinwuselt, ist ein gefallener Krieger, der buchstäblich aus dem Himmel auf diese Limbuswelt herabregnete. Auch die Vorräte sind begrenzt. Sind irgendwann alle Tümpel und Küstenstreifen leergefischt und die letzten Karnickel erlegt, kann man sich zwar immer noch von Brot ernähren. An dem Punkt ist man aber schon längst an die Grenzen der Inseln gestoßen und hat jeden bebaubaren Flecken mit einem niedlichen und schummrig ausgeleuchteten Gebäude versehen. Bedrohungen wie Wölfe, Eisbären und Frostriesen räumt man auf dem Weg zum Gipfel ohnehin aus und wenn auch das Portal fällt, gibt es keine Gegenwehr, keine Konkurrenz mehr.

Ganz die Siedlerin markiert meine Geologin Groa mögliche Erzadern mit einem kleinen Schild

Nein, Valhalla Hills will, dass ihr auf der nächsten Insel einfach von Neuem anfangt, jede einzelne als neues kleines Rätsel begreift, ein Netzwerk aus natürlichen Gegebenheiten, dem ihr einen passgenauen Warenkreislauf auf den Leib schneidert. Nach getaner Arbeit wird dann weitergezogen. Und ich muss sagen, dieser Rhythmus gefällt mir sehr. Einige Inseln begann ich gleich mehrmals von Neuem, weil ich den Irrweg meiner gesetzten Schwerpunkte erkannte. Dank dreifacher Zeitbeschleunigung ist das Scheitern und Weitermachen niemals ein Problem. Man will es einfach beim nächsten Mal nur besser machen.

Das wird nicht für jedermann sein. Denn von einem Titel, dessen krumme Wege und kleine Schildchen für Erdschätze von Kohle bis Gold so sehr an die alten Siedler-Spiele erinnern, erwarten nicht wenige vielleicht etwas anderes. Sogar die Warenkreisläufe kommen einem schwer bekannt vor, wenn man erst einen Bauernhof errichtet, der Korn produziert, daneben eine Mühle stellt, die Mehl daraus macht, das dann in eine Bäckerei wandert, um zu Brot zu werden. Oder Kohle und Eisenerz, die erst zu Stahl und beim Waffenschmied zu Äxten und dergleichen werden. Viele werden mit dem vorgefassten Bild hineingehen, im Verlauf des Spiels einer immer steigenden Dicknasenpopulation beim steten Wachsen und Gedeihen zuzuschauen. Aber darum geht es hier einfach nicht.

Dank Unreal Engine 4 ein (animations-)filmreifes Spiel.

Lässt man sich darauf ein, dass hier ein komplett anderes Tempo gegangen wird, verliert man sich jedoch recht schnell im Geklöppel und Gehämmer seiner Untertanen. Ich bin sicher, dass bei Funatics noch an der Güterverteilung und den Warenkreisläufen gearbeitet wird. Aber aktuell bereitet mir noch ein bisschen Kopfschmerzen, dass ich im Grunde fast immer auf dieselbe Art und in derselben Reihenfolge beginne: Holzfäller, Jäger/Fischer, Steinbruch, Farm, Mühle, Bäckerei, zweiter Holzfäller, zweiter Steinbruch, bevor ich mich überhaupt ernsthaft mit den Gegebenheiten der Karte befasse. Hier würde für die Zukunft ein etwas weniger starrer Anfangsablauf Wunder wirken.

Und auch ein System, mit dem man einzelne Einrichtungen schon planen und hintereinander weg platzieren kann, aber selbst die Baureihenfolge festlegt, wäre sehr wünschenswert. Aktuell passierte mir noch häufig, dass ich in meinem Eifer schon die ersten vier, fünf Gebäude anordnete, die dann wegen der knappen Anfangsrohstoffe allesamt nur halbfertig wurden. Man kann zwar begonnene Bauten wieder einstampfen, um Rohstoffe zurückzuerhalten, mir wäre allerdings lieber, meine Mannen würden ein Gebäude nach dem anderen fertigstellen, ohne dass ich meine persönliche Planung ihrem Bautempo anpassen müsste.

Lässt man sich darauf ein, dass hier ein anderes Tempo gegangen wird, verliert man sich recht schnell im Geklöppel und Gehämmer seiner Untertanen.

Wer will, kann die Kamera für eine Quasi-Draufsicht auch in einen steileren Winkel kippen.

Bis hierhin ist Valhalla Hills beileibe kein schweres Spiel, wobei ich fairerweise sagen muss, dass ich den neuen härteren Schwierigkeitsgrad, der mit dem letzten Update hinzukam, noch nicht ausprobiert habe. Aber auch so muss man attestieren, die größte Herausforderung besteht darin, versprengte Siedlungsteile mit Waren zu versorgen, die an anderer Stelle produziert werden. Das geschieht über ein selbst platzierbares Netz von Kurieren, die zwischen den einzelnen Posten hin und her laufen und Wunschzettel mit benötigten Waren anlegen. Für den Moment funktionieren sie allerdings noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Es könnte an noch nicht ganz fertiggestellter KI oder unausgegorener Wegfindung liegen. Aber hier und da ertappte ich den einen oder anderen Kurier dabei, wie er trotz einer Knappheit an beispielsweise Steinen, die in einem entfernten Lager bereits verfügbar waren, nicht so recht wusste, was nun zu tun ist.

Auch ist es noch nicht besonders intuitiv, wie im Grunde jeder Armeeaußenposten am besten ein eigens Vorratslager und eine eigene Küche bekommt. Schließlich muss man ständig seine Grenzen nach oben, also in Richtung Portal erweitern. Und weil man dafür hier und da auch Garnisonen verlegt, deren Soldaten ihren festen Bewachungsradius niemals verlassen, herrscht schneller ein Warendurcheinander, als für den Spielfluss gut ist. Dass Kuriere ihrerseits keine Waffen transportieren - deren Verteilung erfolgt automatisch -, ist eine weitere Tatsache, die ich ziemlich befremdlich fand. Unten im Basisdorf quillt schon mal ein Waffenlager über, während oben, nahe des Gipfels, ein neu gegründeter Eingreiftrupp mit nichts als Ästen in die Schlacht zieht. Es wäre schön, wenn man selbst derartige Schwerpunkte der Versorgung setzen dürfte. Mit den unterschiedlichen Kurierrouten ist Funatics aber wohl schon auf dem richtigen Weg.

All das sind letzten Endes Dinge, die mit nicht allzu umfassenden Handgriffen behebbar sind. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass Funatics aktuell viel anderes macht, als an den Herstellungs- und Versorgungszyklen zu feilen, die dieser putzigen Endlos-Bergeroberung zugrunde liegen. Die Basis für ein erfrischend anderes, herzerwärmend charakterstarkes Aufbauspiel steht jedenfalls. Und ich habe das Gefühl, Thomas Häuser und Co. haben mit Steam Early Access genau die richtige Bühne für Valhalla Hills gefunden. Auf lange Sicht fehlt im Grunde nur noch ein Weg, den Spieler ab und an zu überraschen, um ihn aus seiner Komfortzone optimal ineinandergreifender Kreisläufe zu locken. Ich werde jedenfalls jedes neue Update mit großer Neugierde verfolgen. Valhalla Hills ist eine der aktuell spannendsten Entwicklungen aus deutschen Landen.

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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