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Spielt mal wieder GTA Online!

Immer noch nicht fehlerfrei, trotzdem eine ganz eigene Klasse von Nichtstun.

Story-DLC, ich weiß. Die wenigsten würden zu einer GTA-5-Erweiterung vom Format eines Gay Tony nein sagen, aber das ist anscheinend nicht (mehr), was Rockstar im Sinn hat. Der Entwickler füttert lieber weiter den im Pausebildschirm versteckten und vielen nicht mal auffallenden Menüpunkt, GTA Online, das im vergangenen Jahr endgültig die Top-5 meiner meistgespielten Online-Spiele auf der Xbox enterte.

Müsste ich abwägen, wie oft mich ein Story-DLC zum Lachen brächte und wie oft das in unzähligen unter verrückten Freunden und verrückten Fremden verbrachten Stunden der Fall war, mich würde nie wieder eine Story interessieren. Im Zusammenspiel mit 15, 20, 25 anderen Leuten entstehende Situationen, die alles übersteigen, was man mit Frank, Michael und Trevor erleben kann. Wer mal die Breitseite eines am spielergesteuerten Transportheli hängenden Panzers abbekam, bevor er einem auf den Kopf fiel, kann das bestätigen.

Besonders lohnt sich GTA Online für späte Rückkehrer, die den mies vorbereiteten Start zum Launch vor zwei Jahren miterlebten und inzwischen ein inhaltlich stark erweitertes Spiel kennenlernen. Und dennoch: Selbst heute sprengen Verbindungsabbrüche, leere öffentliche Sitzungen und wo auch immer herkommende Fehlermeldungen so manche begeisterte Party statt Autos und Flieger - zumindest auf Xbox One und 360. Auch wenn Rockstar die Technik seit Oktober 2013 nie vollends glücklich machend in den Griff bekam, ist GTAO die universellste Online-Erfahrung mit der geringsten Einstiegshürde.

Am Ende geht es auch um den Ort des Geschehens. Einen Tag mit Freunden in etwas Detailliertem wie Los Santos zu verbringen ist pure Lebensfreude.

Nichts bringt eine in verschiedene Richtungen interessierte Freundesliste schneller unter einen Hut, eben weil man so viele gemeinsame Nenner findet. Ich kenne Leute, denen ist das alles zu sehr "bunter Spaß". Auf Deathmatch folgt Rennen folgt Survival folgt Deathmatch folgt... Keines davon ist so ausgearbeitet wie darauf spezialisierte Spiele und alles in einem Wimpernschlag aus und vorbei. Dagegen lässt sich nichts sagen und es stört mich keineswegs. In der Einfachheit und Zugänglichkeit liegt ein Spiel für jedermann. Eine unendliche Abfolge aus Chaos, Tod, Wieder da, Hopala und von vorn.

Eben steuert man bodennah und kopfüber einen Jet, wie es die alberne Herausforderung verlangt, da frisst man eine Rakete und macht den Abgang. Dann folgt der große Moment des Respawns. Ihr seht diesen mit eurem Wiedereinstieg beginnenden Ausschnitt der Welt, ganz ohne Vorlauf und Vorbereitung. Ich kam schon einmal neben zwei Polizeiwagen zu mir, sah, wie sich die Cops nach draußen in Deckung schmissen, "Take him down!" brüllten, über die geöffneten Seitentüren feuerten. Keine Ahnung, wer die Randale startete und warum. Es ist völlig egal als Zeuge der Instanz, die eine Welt wie diese zusammenhält und allzu forsche Spieler in die Schranken weist. Als kurz darauf ein dritter Polizeiwagen unter Missachtung von einfach allem heranrauschte, den ersten Kollegen gegen dessen Wagen flatschte und den zweiten dahinter erdrückte, hatte sich das Einloggen schon gelohnt.

Trotz aller Technikprobleme ist es bemerkenswert, wie Rockstar das mitunter komplexe Figurenverhalten der simulierten Umwelt für 20 und mehr Spieler gleichzeitig erfahrbar macht. Der freie Modus mit seinen Lobby-losen Events ist, wo alle Systeme für die Spieler erreichbar zusammenlaufen. Sind Rennen, Vs.-Modi und die meisten Match-Varianten nur mit den Mitteln zu gewinnen, um die herum sie entworfen wurden, sind Stadt und Missionen so frei wie GTA selbst.

Wer nur einen Funken für die Unwägbarkeiten des Zusammentreffens von Menschen mit Waffen, Fahr- und Flugzeugen und die darauf reagierende Computer-KI übrig hat, muss den Free-Mode mit mehr als 20 Teilnehmern am richtigen Ort erlebt haben. So kommt es, dass man mit einem Laster aus einem Transportflieger rast, auf Höhe der ersten Hochhäuser aussteigt und in einem unversehens in die Luft fliegenden Straßenzug landet, wo Randalierer gegen Cops kämpfen.

In albernen Momenten fanden wir eine andere Gruppe, um uns von Windkraftanlagen zu stürzen und dabei möglichst die Flügel zu erwischen. Es lebe Ragdoll! GTAO kann süßes gemeinsames Nichtstun sein, wenn sich auf einer großen Karte selbst nach Ende eines "König-im-Schloss"-Events 15 Spieler bekriegen und man für sich den moralischen Sieg einfahren kann, nachdem man den anderen dazu brachte, in den Passivmodus zu wechseln oder verzweifelt das Weite zu suchen. Es ist eine Art von "Was nun?", weil die Stadt und ihre Bewohner ständig in Bewegung sind. Man kann sich im Tempo treiben lassen oder sich ihm genauso gut verweigern. Es geht um die Freude, zusammen auf Motorrädern in die Berge zu fahren und auf dem Zahnfleisch zurückzukriechen, weil keine Maschine überlebte. Es geht darum, einen untätig herumstehenden Spieler mit Haftbomben einzudecken und sie in dem Moment zu zünden, wo er sich wieder bewegt. Deathmatches mit blanken Fäusten und BMX-Rennen über verbundene Container, Hunderte Meter über dem Boden.

Bevor man aus einem Flieger hüpft, nur um in die Rotorblätter des Helis darunter zu geraten, oder am Ende des Tages in seine beschissene Billigbude zurückkehrt und noch ein paar Minuten in den Fernseher stiert. Jeder entwickelt seine eigenen Rituale. Unseres war mal, alle zwei Nächte neun Golflöcher zu spielen und sich vorher so fein und teuer rauszuputzen wie möglich.

Selten war die Freude über die Wendigkeit eines Fahrrads so groß wie in einer Runde ''Hasta la Vista''.

Was nicht heißt, die unzähligen Lobby-gebundenen Modi seien langweilig. Viele davon werden nicht mehr oder nur selten gespielt, sofern man das Glück hat, Gleichgesinnte zu finden. Im derzeitigen Stand haben sich drei irgendwann mal per Update eingespeiste Varianten als meine Favoriten herauskristallisiert. "Hasta la Vista" gemahnt offensichtlich an Terminator 2 und besonders an die Verfolgung, als John Connor auf seiner Klappermöhre vor dem Lkw flieht. Es existiert sogar eine entsprechende Map mit Wasserkanal.

Das hier läuft ähnlich ab, nur dass die Flüchtenden auf Fahrrädern hocken und einen mehrere Kilometer entfernten Punkt erreichen müssen. Die Lkw sind beinahe unbewegliche Schlachtschiffe. Erst einmal in Fahrt geraten sind sie wehrlos gegenüber abrupten Richtungswechseln und unebenem Terrain, das sich wendige Radler zu eigen machen. Die Radler selbst sind... nun... Matsch, wenn sie der träge Lkw an den Lieferwagen links neben ihnen schmiert, ohne vorher die Pelle abzuziehen.

Lastwagen- gegen Radfahrer, ein auf den ersten Blick unfaires Kräfteungleichgewicht, und mit immer verbissener gefahrenen Schlenkern ein Riesenspaß vom Verhältnis David gegen Goliath (auch wenn David meist davonkommt).

Es ist so plump: Traktiert den Lieferwagen so lange, bis er stehen bleibt und explodiert. Unmissverständlich und in jeder Runde wieder aufs Neue aufheizend.

"Hetzjagd" heißt es, wenn jemand die Grundthematik des Films Speed in mundgerecht dargereichte GTAO-Runden umtopft. Ein Taco- oder Feuerwehrwagen muss einen Zielpunkt erreichen und dabei eine Mindestgeschwindigkeit halten, sonst explodiert er. Seine Beschützer sollen möglichst unfallfreies Durchkommen garantieren, die Angreifer das Gegenteil erreichen. Jedes Mal, wenn man ihn von schräg hinten aus voller Fahrt rammt, spürt man sich selbst die angestaute Anspannung ausschnauben.

Es ist der Moment, auf den man - je nach Wachsamkeit der Beschützer - minutenlang hinarbeitet, ein sämtliche Wucht sammelndes "Nimm das!", bevor die Stampede blech- und funkenfliegend auf dem Highway in die nächste Instanz geht. Oder an der Leitplanke endet. Besonders erfüllend auf Angreiferseite sind Siege kurz vor der Ziellinie, wenn man den beharrlich alle Schmeißfliegen abschüttelnden Taco-Wagen doch noch mit vereinten Pferdestärken vom Pier pfeffert.

"Der Schlitzer" wirft sieben zum Abschuss freigegebene Spieler mit Taschenlampe in eine düstere Location und einen Schlächter mit Lampe und Schrotflinte hinterher. Während sieben hinter Bürotischen oder auf dem Klo hockende Gejagte mit der Flinte zu erschießen selbsterklärend ist, können diese den Spieß umdrehen. Anhand des vibrierenden Pads erkennt das Schlachtvieh, wann der Schlächter in der Nähe ist (passenderweise gibt es wirklich eine Schlachthaus-Map), und kann sich vorteilhaft positionieren.

Anfangs ging mir als Schlitzer gegen sieben andere Leute mehr die Pumpe als den Gejagten. Kein Wunder bei den Lichtverhältnissen.

Oft genug rennen alle wie ein wilder Hühnerhaufen durcheinander, doch in den guten Momenten steht jeder mit dem Rücken an eine Seite des Durchgangs gepresst, lauernd und bereit. Man kann fast sehen, wie sich die Gejagten hinter ihren Tiermasken zunicken, während der Controller immer mehr in Rage gerät. Eine echte Empfehlung bekommt hier die Ego-Perspektive. Ohne die Möglichkeit, die Kamera unabhängig vom eigenen Körper drehen zu können, entsteht eine Beklemmung, die ein wenig an Monoliths und SEGAs beschlagnahmten Horrortrip erinnert.

Wir haben einiges kommen und gehen sehen in den vergangenen zwei Jahren, doch einiges ist leider ebenso geblieben wie die Matchmaking-Probleme und die in engen Räumen grauenhafte Steuerung. Die Community im Free-Mode besteht zu nicht unerheblichen Teilen aus Erst-schießen-Idioten. Sie fahren protzige Adder oder mit Geschützen bestückte Wagen und knallen blind weg, was ihnen in den Weg kommt. Ich starte auch gern mal eine Schießerei, aber diese Kerle, die richtig schlimmen, verfolgen euch minutenlang ohne Sinn und Verstand, nur für den schnellen, witzlosen Kill.

Und die Charakterentwicklung in Form von Geld und Leveln. Sagen wir so: Hat man sich Jet und Panzer geleistet, aber keine Lust auf schicke Apartments, Jachten und Sportwagensammlung, wofür sind die Millionen und die Level dann gut? Hier ist GTAO genauso oberflächlich wie die Gesellschaft, die es in Form neureicher Yuppies in seinen Straßen abbildet. Vieles hat nur den Bestand eines Wimpernschlags. Schnelle Erheiterung, schnell vorbei, schnell was anderes starten. Das stimmt.

Wenn es doch nur nicht jedes Mal so viel Spaß machen würde.

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Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.
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