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Doom ist wirklich nicht Doom 4. Es ist Doom.

Zwei Stunden im Kulturschock-Beta-Modus.

Gerade eben komme ich aus zwei Stunden Doom Closed Beta zurück und es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Höllentrip. Es war im Grunde wie früher, nur mit dem Unterschied des immens gesteigerten Komforts von 20 Jahren technischem Fortschritt . Hieß es damals noch, im Keller von Freunden herangeschleppte Computer mittels eher rudimentärer Kenntnis von Netzwerkprotokollen zusammenzupfriemeln, lag ich nun an einer Grippe laborierend bequem im Bett und Xbox Live erledigte den Rest. Meine Gesundheit wird mir diesen Komfort danken, auch wenn diese zwei Stunden rapide gestiegenen Blutdrucks, Adrenalinausstoßes und deutlich höherer Herzfrequenz vielleicht nicht das Richtige für diesen Zustand sind. Aber es war nun mal Doom. Und das war es wirklich.

Es war ein geradezu berauschender Trip zurück in eine einfachere Zeit. In den letzten Jahren habe ich praktisch exklusiv das gespielt, was ich jetzt einen zivilisierten Shooter nennen würde. Call of Duty, Destiny, Division, Battlefield. Einige davon auch schnell und manchmal hektisch. Aber immer mit viel Perk- und Waffenoptimierung, relativ komplexen Spielmodi, asynchronen Koop-Modi und weiß der Himmel noch was allem. Doom ist dagegen die primordiale Ursuppe des Shooterns. Und meine Fresse fühlte sich das geil an. Sorry, aber es war fast sexuell.

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Wer Angst hat, dass es nicht genug Blut gäbe: Keine Sorge. Sei es im Level selbst... (00:28)

Das passt auch, denn wie mir letztens zu meinem Erstaunen ein Artikel verriet, ist eines der erfolgreichsten Buchgenres seit Jahren das der Romanzen-Schmonzetten für und meist auch von Frauen, die in der Richtung von „Highlander, nimm mich!" betitelt sind. Und nein, das ist ausnahmsweise keine weitere Degeneration eines Films, der nie auch nur eine Fortsetzung brauchte, geschweige denn etwas wie The Source, sondern etwas ganz Eigenes. Mehr oder weniger. In diesen literarischen Werken scheint es das grundsätzliche Motiv zu sein, dass eine gelangweilte Frau aus der unteren Oberschicht auf einen primitiven männlichen Archetyp trifft und sie dann wilde Dinge in freier Natur anstellen. Stellt es euch als „Desperate Housewives meets Conan der Barbar" vor. Und genau so geht es dem Division-Spieler, der sich mit der Urgewalt von Doom konfrontiert sieht.

Wer damals noch Unreal Tournament gespielt hat, für den dürfte der Schock etwas milder ausfallen, es ist diese Richtung. Eine gut gebaute, verschachtelte Arena, hier mit genug satanisch aussehendem Zeugs garniert, Kerzen und Pentagramme inklusive. Unerschütterliche 60 Frames, kein auch nur irgendwie wahrnehmbarer Lag - zumindest in der geschlossenen und sicher noch nicht überfüllten Beta. Ausschließlich schnelles Rennen. Dieser ganz spezifische Doom-Schritt. Dieses wie auf leicht wackeligen Schienen laufende, eigenwillige und wie kaum eine andere Shooterbewegung geradezu nach vorne drängende Dauerstürmen. Es fühlt sich so wahnsinnig gut an.

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...als auch in den so kurzen wie heftigen PvP-Direktkontakten tropft es ganz ordentlich. (00:11)

Und es ist immer in Bewegung. Kein in der Ecke kauern, da passiert keine Heilung. Das nächste Healthpack liegt woanders und automatisch heilt hier gar nichts. Rüstungen wollen eingesammelt werden, Munition genauso. Jede Runde ist ein zehnminütiger Dauerlauf komplett auf Adrenalin. Selbst das Zielen mit dem linken Trigger musste ich mir in den ersten Runden zum Teil abgewöhnen. Es dauert oft einfach zu lange und Space Marines schießen auch aus der Hüfte präzise. Das Antippen des Nachladebuttons musste ich mir abgewöhnen. Was ihr an Muni habt, wandert nonstop durch den Lauf, bis nichts mehr da ist. Das heißt nicht, dass es in den 6v6-Matches keine Taktiken geben würde. Ihr könnt euch eure Loadouts zusammenstellen und im Gegensatz zu ganz früher dürft ihr nur drei Waffen haben. Es beginnt bei der doppelläufigen Schrotflinte über diverse Schnellfeuervarianten unterschiedlicher futuristischer Grade und geht bis zu Raketenwerfer und Scharfschützengewehr - nein, ich habe noch keine BFG9000 gesehen, aber ich bin sicher, dass sie irgendwo dort draußen ist und die eine Gausskanone ist auch immer gut. Die es hier gibt. Boom, Baby.

Stattdessen tauchten an bestimmten Orten immer wieder mal Dämonenmarker auf und wer die einsammelte, war für kurze Zeit der Herrscher des Schlachtfeldes, der dank eines nefarischen Jetpack über dem Geschehen schwebend alles mit einem nicht endenden Vorrat an Inferno-Raketen unter Beschuss nahm, was nicht bei drei - die Transformation dauert etwa drei Sekunden - in den Winkeln und Nischen der Map verschwunden war. Eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muss versteckt sein. Ob hinter oder vorder mir, ist mir doch latte, ich krieg alle. Und selbst diesem Koloss gegenüberzustehen ist dieser kurze, interessante Moment des Shooterlebens, wenn man weiß, dass der andere schneller sein wird und man selbst nichts dagegen tun kann. Das geht dann nur in der Gruppe und ich habe mehrfach gesehen, wie es einem scheinbar recht eingespielten Dreier-Team gelang, so einen Dämon in Sekunden zu zerlegen. Es spielt sich vielleicht auf eine gute Weise primitiv, aber das heißt nicht, dass es ein primitives Spiel sein muss. Das hängt in erster Linie von euch ab.

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Besser als eine BFG9000? Nicht ganz, aber für ein paar Sekunden als Dämon herumzumarodieren gehört schon zu den großen Momenten. (00:25)

Und so ganz konnte oder wollte man sich moderner Entwicklungen dann doch nicht entziehen. Es gibt Level, die ihr aufsteigt, und Modifikationen, die ihr freischaltet. Zum Beispiel, dass der derjenige, der euch zuletzt erwischte, für 30 Sekunden mit einem Marker angezeigt wird. Aber selbst diese Aspekte scheinen zumindest in dieser noch recht grundlegenden Beta-Version deutlich weniger im Vordergrund zu stehen, als es bei allen anderen aktuellen Kandidaten der Fall ist. Und sie ersetzen ganz sicher keine noch so kleine Portion Skill, die ihr dringend mit ans Pad bringen solltet. Hundert Punkte an Leben und selbst noch Fünfzig an Rüstung oben drauf bedeuten nichts, wenn ihr um die Ecke kommt und da steht ein gegnerischer Spieler mit der Flinte im Anschlag. Noch weniger ein Perk, ihr müsst einfach gut sein - oder zumindest besser als der andere. Das gilt natürlich bei anderen Shootern auch, aber hier fühlt es sich noch weniger von dem ganzen Drumherum beeinflusst an. Es ist ein schneller, harter High-Noon-Shootout und kein taktischer Austausch von Perk- und Gadget-Powers.


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Es gibt noch einen zweiten Modus, eine Art Domination-Match mit Zonen, die ihre Position wechseln. Es lief etwas koordinierter ab als das Team-Deathmatch, da sich der Kampf nun mal um bestimmte Areale der Map drehte. Aber ganz persönlich bevorzugte ich dann doch die Mutter aller PvP-Modi - deren Vater dann wohl das pure Deathmatch ohne Team wäre, aber den gab es leider hier noch nicht. Rein technisch waren jenseits der stabilen hohen Framerate keine Wunder zu sehen. Das Spiel sieht nett aus, ohne großartig mit irgendwelchen Effekten aufzutrumpfen. Aber erst einmal ist das noch closed Beta und selbst wenn da nichts mehr kommt: Lieber eine feste Framerate ohne Lags als auch nur einen Partikel-Effekt, der das einschränkt. Woran zumindest auf der angespielten Xbox-Version noch geschraubt werden muss: In einer 3v3-Runde gab es nicht das geringste Tearing. Bei 6v6 dauernd. Da läuft was noch nicht rund. Was noch nicht im besten Sinne auffiel war das eine traurige Charaktermodell. Die Raumfahrer, egal welche Modifikationen ich mir anguckte, sehen alle aus wie das China-Plagiat einer Master-Chief-Action-Figur, das mittels Hörensagens über drei Sprachengrenzen hinweg erstellt wurde. Schlicht langweilig und irgendwie billig. Passend zum Cover nehme ich an. Nicht, dass es zu dramatisch wäre. Wenn man einen anderen Spieler länger aus der Nähe sieht, dann heißt das meist, dass man Sekundenbruchteile später eh in kleinen Stückchen verstreut herumliegt.

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Das eigentliche Charaktermodell ist langweilig. Aber wenigstens kann man mit den Farben richtig mutig werden! (00:14)

Diese zwei Stunden Doom in der geschlossenen Beta waren eine Art positiver Kulturschock. Für mich - und jeden anderen, der das sagen kann - nur abgemildert, weil ich eben noch die alten Shooter-Zeiten eines 93er Doom oder Unreal Tournament kenne. Aber in den letzten Jahren gab es zumindest im Mainstream-Bereich nichts, was sich dermaßen roh, schnell und brutal spielte. Schon gar nicht mit Healthpacks. Während ich problemlos einen ganzen Abend in der Dark Zone von Division verbringen kann, ohne in große emotionale Wallungen zu verfallen, waren hier zwei Stunden am Stück das Limit, bevor ich erstmal den Herzschlag wieder normalisieren musste. Vor allem fühlt sich Doom aber sowas von nach Doom an, dem richtigen, echten Doom, dass es eine Freude ist.

Am liebsten wäre mir gewesen, wenn sie sogar noch auf Dinge wie Loadouts und die kleinen Perks verzichtet hätten - nicht auf die Dämonenmarker, die sind Kick-ass! - und es wäre dann noch doomiger. Aber das ist schon am Gefühl näher dran und besser als ich ehrlich gesagt je erwartet hätte. Selbst wenn die Kampagne wieder eine Trigger-basierte Schlaftablette wie Doom 3 sein sollte - was ich doch mal nicht hoffe -, das Team-Deathmatch allein ist Grund genug um Doom nachzusehen, dass es auf die „4" im Titel seines nicht gerade inspirierten Covers verzichtet, um sich näher an das Original heranzukuscheln. Das hat es sich nach diesen zwei Stunden bereits verdient.

In diesem artikel
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Doom

PS4, Xbox One, PC

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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