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Witcher 3: Blood and Wine - Zwischen Fan-Service und Schlussstrich

Aber vorher geht es noch mal raus auf die Wiese zum Spielen.

Anders als Hearts of Stone, ein um alberne Späßchen nicht verlegener Erzähleinschub in die Welt von The Witcher 3 (siehe Hearts-of-Stone-Test), ist Blood & Wine deren Ende. Nicht im existenziellen Sinn, jedenfalls vermute ich das, sondern was den vom Hauptspiel gespannten Plot angeht. Blood & Wine ist stärker damit und besonders mit den Geschehnissen um Novigrad herum verbunden und tritt den vorerst letzten Salut Richtung Geralt von Riva an. CD Projekts Geschichte des Hexers ist hiermit fertig erzählt und wenn das so herzlich geschieht wie in den zwei Stunden, die ich kürzlich spielen durfte, ist vorauseilende Wehmut durchaus angebracht.

Hier herrscht eine besondere, tief vertraute Art von Liebe, vonseiten CD Projekts "ihren" Figuren gegenüber, und vonseiten der Figuren der Welt gegenüber. Nichts wirkt übermäßig videospielig hingebogen, wenn Geralt mit einem neuen Monstervertrag die Geschehnisse in Gang setzt, sondern liebevoll arrangiert mit einem Gespür für Tempo und szenischen Aufbau. Obwohl es augenscheinlich zunächst nur um ein Monster geht, das zu töten Hauptanliegen ist, gelingt CDP mit markant aufeinander abgestimmten Figuren und filmischen Dialogen fast schon ein Kammerspiel.

Krieg, Monster? Nichts zu sehen. Den Leuten scheint es doch recht gut zu gehen hier.

Mir fiele außer Bioware, und das bloß mit deutlichen Abstrichen, kein Triple-A-Studio ein, das ähnlichen Wert auf Dialogregie legt. Und selbst das wäre nur halb so beeindruckend, wenn es zwischenmenschlich nicht funkte, sondern gestelzt vor sich hinpolterte. Doch es ist erstaunlich, wie viel Zeit sich Autoren und Quest-Designer für einen einfachen Fischer einräumen, seine Ausführungen, wie er eines Morgens Leichenteile aus seinen Netzen zog, die menschliche Komponente und den dahinter langsam Konturen erlangenden Konflikt. Ich habe jeden Moment der etwa zwanzig Minuten langen Einleitung - grob geschätzt - in vollen Zügen genossen.

Das Schöne: Sie geht über die Bühne, ohne dass die Autoren gleich die Grundfesten des Universums einreißen wollen. Im Gegenteil. In Toussaint, dem neuen und nicht an den Rest der Welt anschließenden Gebiet, weht der Wind ausgelassenen Konsums und blutiger Ritterturniere zum Spaß (an denen der Hexer teilnehmen kann). Die Leute hier genießen, weil sie es können und scheinbar keine Bedrohung von außen zu befürchten ist. Statt Scheiterhaufen stehen in den Straßen der Hauptstadt höchstens die Chancen gut, schnell in den Rausch maßlos ausgeschenkten Weins zu geraten. Mehr noch als das vom Krieg nahezu unberührte Areal aus Hearts of Stone fungiert Toussaint als strahlender Gegenpol. Die dortige Hauptstadt Beauclair und Novigrad sind zwei grundverschiedene Welten, eine vor Prunk fast platzend, die andere vor Elend.

Natürlich hält der Schein an der Oberfläche nicht, wenn man Halunken aufschlitzen muss.

Etwa so groß wie die Skellige-Inseln zusammen soll das kommende Gebiet sein, betretbar erst ab einem Punkt im finalen Drittel der Haupthandlung. Rittersporn muss auf jeden Fall einsatzbereit sein, heißt es. Wer die Zeit oder Lust dafür nicht hat, kann wie im letzten Add-on auch einen eigens fürs bevorstehende Abenteuer gerüsteten Level-35-Hexer wählen, was gleichzeitig die Startempfehlung für Blood & Wine ist. Als mir auf einem Streifzug ein Stufe-45-Monster über den Weg lief, verstand ich sofort, warum das so ist. Derer soll es übrigens zwanzig komplett neue geben, statt die alten Bestien höher gelevelt noch mal als große Nummer auf den Weg zu schicken, wie es Hearts of Stone tat.

CDP nimmt sich auch angemessen Zeit für anderes. Ich hatte ein bisschen das Gefühl, Gesprächen zur Charakterisierung von Land und Leuten steht besonders anfangs mehr Gewicht zu, immer unterbrochen durch Phasen hexerhaften Handelns. Sei es ein Ritter, dem Geralt mitten während des Turniers zur Seite springen muss, oder ein "Golyat", der mit einem abgebrochenen Schiffsmast den ersten Bosskampf vom Zaun bricht. CDP hat eine Menge Souls gespielt, das merkt man. "Definitiv, es war eine Inspiration für diesen Kampf", meint Quest-Designer Philipp Weber, "und das sollte es auch für jeden Entwickler sein". Nettes Detail: Schafft man es, mit einem Bolzen durch ein kleines Loch in dessen Kopfbedeckung zu schießen, stirbt der Riese ohne großes Federlesen.

Mit den Hexersinnen und seinen detektivischen Mitteln der Spurensuche kommt man nach und nach der Bestie auf die Schliche, die einige Leute für eine göttliche Strafe halten.

All diese Ausschnitte sind von wunderbar hoher Qualität. Dazwischen steht ein an die mittelitalienische Toskana erinnerndes Gebiet, farbenfroh strahlend auf seinen Mohnfeldern, mit Zypressen und bewirtschafteten Weingütern zum Schlendern. Wenn nicht gerade alle Leute dort dahingemetzelt werden, was Geralt über einige Umwege in den Besitz eines solchen Weinguts bringt. Man kann hier gesammelte Rüstungen in einem Raum ausstellen, Plötze einen festen Platz zuteilen oder andere neckische Dinge ausbauen lassen. Nach und nach finden sich Arbeiter ein, hämmern herum und das Anwesen wächst. Nichts von Bedeutung, aber sicher gut für den gelegentlichen Moment der Zerstreuung, während des Hexers letztes Kapitel ausklingt, zumal man endlich die vielen Münzen loswird.

Eine Sache, von der man vermuten darf, dass die Entwickler irre stolz darauf sind: die verbesserten Points of Interest, also die bekannten Kartenmarkierungen von Banditencamps bis Monsternest. Lag ihre Gestaltung vormals auf den Schultern der Quest-Designer, hat das Studio inzwischen eine eigene Abteilung dafür. Entsprechend aufregender soll das Abgrasen dieser Punkte ausfallen, etwa indem Banditenlager zueinander in Bezug stehen. Schafft man es, die kleinen Knotenpunkte platzen zu lassen, herrscht im Hauptlager weniger Gegenwehr. Oder haut man erst Letzteres aus den Fugen, sollen die kleinen Lager nach und nach verschwinden. Und kümmert man sich nicht so schnell wie möglich um den Flüchtigen, der mit einer Fackel Richtung Leuchtfeuer eilt, ruft er Verstärkung auf den Plan. Woanders ist die Rede von miteinander konkurrierenden Weinbauern, eingebunden als normale Kartenmarkierung. Eine spannende Frage, inwieweit diese Verbesserungen in die ziemlich sicher scheinende GotY-Ausgabe eingreifen. Zuzutrauen wäre es CDP nach den Enhanced-Editions der beiden Vorgänger, nicht dass man es von ihnen fast schon erwarten würde.

Ein Blick auf das besser sortierte Inventar.

Letztlich saß ihnen nach dem Grimm großer Kriege und zum versammelten Abschied der Schalk im Nacken, wenn sie Geralt auf die Jagd nach einem Fake-Einhorn schicken, niedergelassen in einem Universum mit den humoristischen Tönen, die es hergibt. Hier passiert noch so einiges Witzig-Verquatschtes, das zu verraten eine Schande wäre. Blood & Wine also, ein Abschied mit Tränen, wenn es sein muss, darunter garantiert das eine oder andere Lachtränchen. Es ist nicht endlos viel Content in dieser Qualität möglich. CD Projekt zieht einen Schlussstrich. Wer kann es ihnen nach dieser gewaltigen Reise verübeln?

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