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PlayStation VR - Test

Der Tag der Wahrheit.

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Trotz schwachem Tracking im Stehen: Immersive und günstige VR-Lösung, die die Technik endlich im Massenmarkt ankommen lassen könnte.

Es konnte einem schon ein bisschen Bange werden, so häufig wie man in den Jahren vor der Ankündigung von PlayStation VR von Verantwortlichen bei Oculus oder von Grafikkartenherstellern hörte, Konsolen seien für die neue Technologie nicht stark genug. Nun, Jetzt ist PlayStation VR da und beweist das exakte Gegenteil. Mit ein bisschen Erfindergeist und Kompromissen an den richtigen Stellen, stellt die PS4 - nicht die PS4 Pro, der Test hier dreht sich um das normale Modell - durchaus genug Saft für überzeugende VR-Erlebnisse.

Natürlich sprechen wir auch hier von einigen Titeln, die in Sachen Texturen und Polygonzahl längst nicht an ausgewachsenes Triple-A-Niveau heranreichen, aber das wird auch auf den deutlich teureren und auf hochgezüchtete Spiele-PCs ausgerichteten VR-Brillen eher selten geboten. Die Frage war eher, ob Sony die richtige Entscheidung traf, PlayStation VR um schon länger existierende Technologie herum aufzubauen - nämlich die PlayStation-Move-Controller und die PlayStation Kamera. In seinen besten Momenten gibt die Hardware ihren Erschaffern recht, in den schlechtesten muss man gestehen, dass hier noch etwas Arbeit vonnöten ist.

Schön ist sie geworden. Und ergonomischer als die Konkurrenz. Kleiner Tipp beim Aufsetzen: Sie muss höher sitzen, als man denkt.

Konkret heißt das: Wenn ihr VR-Spiele wollt, die ihr mit dem Controller im Sitzen spielt, im Grunde das aktuelle Oculus-Setup, dann liefert PlayStation VR für das verlangte Geld ein sehr wohl vergleichbares Erlebnis zu Palmer Luckeys VR-Vorreiter. Erst, wenn die Hardware Anstalten macht, mit dem HTC Vive in direkter Konkurrenz zu gehen, nämlich im Stehen und mit zwei in Echtzeit verfolgten Händen, merkt man, dass hier Limitationen bestehen, gegen die Sony noch etwas zu kämpfen haben wird.

Doch von vorn: Packt man die Brille aus, ist man direkt angetan vom Sportwagen-Look und der guten Verarbeitung. Der Aufbau ist ebenfalls einfach: Eine HDMI Verteilerbox wird per USB angeschlossen und schleift ein Bildsignal von der Konsole zum Fernseher durch und liefert das andere direkt an die per zweiadrigem Verlängerungskabel angeschlossene Brille. Nun noch die Kamera an die rückseitige Buchse der Konsole angeschlossen und es kann losgehen. Das VR-Headset wird per integrierter Kabelfernbedienung eingeschaltet, in die man auch die mitgelieferten Ohrstöpsel oder - besser - einen guten On- oder Over-Ear-Kopfhörer einsteckt.

An den Move Controllern hat sich nichts geändert, selbst der Mini-USB-Stecker ist noch mit von der Partie. Wohl dem, der vor dem Launch günstig Restbestände mit funktionierendem Akku abgegriffen hat.

In Sachen aufsetzen und Anpassen an die Kopfform ist PlayStation VR die Klassenbeste dieser Brillen. Die leicht gummierten, weichen Kunststoffkissen sind ausgezeichnet gepolstert. Ein Rädchen am hinteren Halteband lässt einen die Brille fast stufenlos festzurren. An der Unterseite der Brille noch ein Knopf, mit dem man die Entfernung der Displays zu den Augen verändert, indem man die komplette Front auf einer Schiene vor- und zurückbewegt. Anders als beim Vive oder Oculus liegen die Ränder der Brille nicht feste am Gesicht an, es handelt sich um weiche Gummilippen, die einfach nur Umgebungslicht aus eurem Sichtfeld halten. Insgesamt stellt sich so ein deutlich besserer Tragekomfort selbst als beim Rift ein. Netter Nebeneffekt: Die Waschbäraugen - die brillenförmigen Abdrücke der anderen Headsets, produziert PlayStation VR nicht.

Schon im Menü fällt auf, dass der Fliegengitter-Effekt, bei dem der Raum zwischen einzelnen Pixeln sichtbar wird, wirklich minimal ausfällt und dass das Bild einfacher in den Fokus zu bringen ist. Die Zone, in der man vollkommen klar sieht, ist gefühlt größer als bei der Konkurrenz. Noch ein Bonus: Der Schliff der Linsen sorgt bei PlayStation VR nicht für viele der ungewollten "Lens-Flare-Effekte", die vor allem beim Vive sehr ausgeprägt sind. Hier hält sich das in jedem Fall in engen Grenzen. Die Brille ist also bequem, man sieht unmittelbar so gut perfekt und freut sich über eine störungsfreie Bildwiedergabe. Die Auflösung ist zwar sichtbar niedriger, aber das lässt sich aufgrund der erwähnten Vorzüge noch verschmerzen. Irgendwas ist ja immer und viele Spiele kaschieren den vergleichsweisen Mangel an Bildpunkten absolut gekonnt.

Die äußerlich überarbeitete neue PlayStation Kamera.

Erste Tests in Titeln wie Rigs, Tumble VR, Rush of Blood, Headmaster, Battlezone VR, Rez Infinite und Playroom VR vermitteln einen guten Sichtbereich (FOV) und absolut flüssige Bildwiederholrate und haben viele A-ha-Momente zu bieten. Die Kopfbewegungen werden annähernd perfekt eingefangen, so lange man sich im Sichtfeld der Kamera bewegt und nicht zu sehr auf seinem Sitz umherrutscht. Auch konnten wir nicht das Wandern des Sichtfeldes nach links oder rechts beobachten (Sitzentfernung zur Kamera ca. 1,50 Meter), von dem einige User berichten. Und wenn man doch einmal die Sicht neu zentrieren will, etwa, weil sich die Sitzposition verändert hat, hält man einfach die Starttaste für eine Sekunde. Am Sitz-VR auf der PlayStation, so wie wir es erlebt haben, gibt es nichts auszusetzen. Das hier ist vielleicht nicht immer in Sachen Grafik, aber vom Mittendringefühl her auf Augenhöhe mit den Erlebnissen, die man von der Oculus Rift kennt.

Demzufolge fällt es auch mit PlayStation VR leicht, Freunden und Verwandten, die die Technik noch nicht kennen, ein Staunen aufs Gesicht zu zaubern - oder eben selbst ordentlich in "Ohs" und "Aaahs" zu verfallen, wenn dies der Erstkontakt mit dem neuen Medium ist. Und selbst wenn man die anderen Brillen bereits kennt, ist man doch auch hier immer wieder angetan, vom maßstabsgetreuen Größeneindruck und dem Gefühl, dass sich die Spielwelt um einen "herumwickelt". Das gibt es nur in VR. Abgespeckt wirkt hier nichts, höchstens in Titeln, die ein bisschen zu viel wollen - die Kitchen-Demo von Residen Evil 7 hat zum Beispiel mit einem etwas anstrengenden Kantenflimmern zu kämpfen. Aber insgesamt vermitteln viele der Spiele einen deutlich fertigeren, ausgereifteren Eindruck als Vergleichbares, das zum Verkaufsstart der anderen beiden Headsets erhältlich war.

Was man sieht, bevor man abtaucht: Die angenehmen Gummilamellen halten das Licht draußen, ohne Abdrücke im Gesicht zu hinterlassen. Mehr noch als die Rift trägt man PSVR wie eine Mütze.

Doch es gibt auch Probleme, an denen noch hart gearbeitet werden muss. Spiele, die im Stehen und unter Einsatz von zwei Move Controllern gespielt werden - Batman Arkham VR, Job Simulator - hatten in unserem Testaufbau nicht selten Probleme mit dem Tracking. Die Spielumgebung wanderte regelmäßig ein, zwei Zentimeter vor und zurück, als hätte die Kamera Probleme, mich in Fokus zu bringen. Ich probierte verschiedene Abstände aus, drehte mein Setup einmal komplett um 90 Grad. Versuchte es mit und ohne zusätzliche Lichtquellen im Raum, gestern Nacht sogar bei völliger Dunkelheit. Es reichte, um Batman Arkham VR nach einer Stunde zu seinem Ende zu bringen, aber die Probleme beim Tracking und das leichte Wackeln des Blickfelds rissen mich vor allem in stillen Szenen ohne viel Bewegung doch immer wieder aus dem Erlebnis.

Und dann muss man bedenken, dass hier nur erfasst wird, was die Kamera auch sehen kann. Sobald zum Beispiel ein Move Controller an den Rand des erfassten Bereichs gerät, können die virtuellen Hände schon mal Spasmen an den Tag legen. Bei Batman mit der Batclaw senkrecht in die Luft zu zielen, war selbst aus zwei Metern Entfernung nur mit angewinkeltem Arm möglich. Und verdeckt ein Controller Teile des Headsets, kann es ebenfalls zu Wacklern des Bildes kommen. Damit kann man sich arrangieren, sollte sich dessen aber bewusst sein. Aktuell ist PSVR also noch nicht weit genug, als dass "Stehspiele" auf PSVR ein vergleichbar gutes Erlebnis wären, wie das Spielen im Sitzen. Aber berichtet uns gerne, falls es euch anders erging und unter welchen Voraussetzungen. So oder so: Nicht jeder scheint dieses Problem zu haben, aber wir sind auch nicht die einzigen, die das so empfanden. Sony kann und wird sicher noch daran arbeiten. Hoffen wir, dass die Limitationen aufseiten der Software liegen, sonst bleibt es eben beim Oculus-artigen Sitz-Gameplay.

Unten das integrierte Mikro und - rechts - der Knopf, um den Abstand der Displays zum Gesicht zu regulieren.

Für den Moment reichen mir aber diese Sitz-Games - noch dazu einige der besten dieser Art, Tests folgen - sowie einige der Move-Spiele, die ebenfalls mit den vier Buchstaben tief in der Couch versenkt gespielt werden, um den PSVR-Launch als überraschend rundes Erlebnis zu bezeichnen. Ich selbst war lange der Auffassung, dass dies für Sony ein Projekt aus purer Eitelkeit ohne Rücksicht auf die Machbarkeit sein würde. Mal wieder eine Erinnerung daran, ihre trickreichen Ingenieure niemals zu unterschätzen. Jetzt müssen die Entscheider am oberen Ende der Hierarchie nur noch dafür sorgen, dass die Plattform den nötigen Support erhält, um sie zum dauerhaften Teil des Sony-Ökosystems zu machen.

Es hilft, dass das Gerät selbst so gut gemacht ist. Das können die Sonys eben wie wenige andere. Aber wie sehr der Aufbau hier wie von selbst ging, wie schön schnörkellos das Starten, Aufsetzen und die allgemeine Benutzung sind, das hat schon Vorbildfunktion. Dass - mit Ausnahme Move-befeuerter Stehspiele - die meisten Erlebnisse absolut auf dem Stand aktueller VR-Technik sind, ist eine Leistung, die man nicht unterschätzen sollte. Der erste Schritt ist gemacht. Jetzt darf man gespannt sein, wie die breite Masse auf die neue Technologie reagiert und ob es Sony gelingt, mehr Leute von der Idee zu begeistern als die auf PC-Enthusiasten abzielende Konkurrenz. Denn davon würden zweifellos alle drei Plattformen profitieren.


Hersteller: Sony - Erscheint für: PlayStation 4 - Preis: UVP 399 Euro ohne Kamera und Controller, 499 inklusive - Erscheint am: Erhältlich

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel
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Project Morpheus

PS4

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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