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Die Nische, die keine sein sollte: Wo ist die Gesellschaftskonsole unserer Zeit?

Switch könnte gewinnen, weil sie nicht gewinnen müssen.

Wow! Wenigstens gibt es Zelda. Zu sagen, dass ich von der Switch-Präsentation nicht gerade beeindruckt war, wäre die Untertreibung des Jahres. Da wir aber gerade erst zwei Wochen in diesem Jahr drin sind, muss ich es wohl direkt aussprechen: Ich war absolut nicht beeindruckt vom ersten großen Switch-Auftritt.

Heute Abend findet das Hand-on statt und ein Kollege von Digital Foundry wird für uns Hand an die Konsole legen (Juhu, der erste deutsche DF-Artikel! Premiere!). Ich selbst werde dann Ende des Monats hier in Berlin den Controller in die Hand nehmen - ich weigere mich noch, den Namen Joycon zu benutzen. Zu sagen, dass dieser Name mich nicht beeindruckt, wäre die zweite Untertreibung des Jahres. Dann wird sich das alles relativieren oder auch nicht. Bis dahin lehnte ich mich aber erst mal kurz zurück und dachte über die große Lage nach.

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Es gibt den Konsolenkrieg Xbox vs. PS4. Wenn man ihn denn kindisch so nennen möchte. Aber warum gibt es ihn überhaupt? Weil beide Konsolen identisch sind. Hart gesagt. Natürlich gibt es Unterschiede im Detail. Der eine hat dieses exklusive Line-up, der andere ein anderes. Einer macht 4K so, der andere so. Aber auf einer viel grundlegenderen Ebene sind beide das gleiche Gerät. Eines, bei dem ihr euch ein Headset aufsetzt und entweder allein oder online in ferne Gaming-Welten abtaucht. VR ist das Sinnbild dessen, wenn sogar der Rest der Couch ausgeblendet wird.

Der Gegenentwurf ist, was ich mal die Gesellschaftskonsole nennen würde. Eine, die eine solide Auswahl an Spielen bietet, die auf der Couch zusammen mit Familie, Freunden und fernen Bekannten gespielt wird, ohne dass ganz große Erklärungen nötig wären. Die Wii mit Wii Sports war der König dessen, aber auch die PlayStation und sogar die Xbox hatten mit Quizspielen wie Buzz und ähnlichen früher ein gewisses Repertoire in dieser Richtung. Sachen, die man Silvester mal vorholen konnte, wenn als Alternative die große Helene-Fischer-Show drohte. Spiele, bei denen es egal war, ob ihr sie mit euren Kindern um 18:00 Uhr oder mit besoffenen Kumpels nach Mitternacht rauskramt. Brettgesellschaftsspiele haben sich auch deshalb immer ihren Platz bewahrt, nicht zuletzt, weil Videospiele fast nie in der Lage waren, ihnen diesen streitig zu machen. Fast.

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Wie gesagt, die Wii mit Sports ist der Archetypus schlechthin, das Idealbild dessen, aber Nintendo hatte immer diese Gruppe im Blick und bediente sie besser als jeder andere. Mario Kart auf dem Super Nintendo: zugänglich, Splitscreen. Mario Kart 64: nicht weniger zugänglich, Vierer-Splitscreen. Mario Party: wurden immer besser. Es waren immer ideale Kombos aus Vertrautheit durch die Marke, fein abgestimmtem Gameplay und Tauglichkeit nicht nur für eine Zielgruppe - außer man sagt, "gesamte Menschheit" ist ja auch eine Zielgruppe.

Keine der beiden großen Plattformen bietet aktuell auch nur irgendwas in der Richtung. Singstar ist die Ausnahme, die die Regel umso stärker bestätigt, denn Singen vor Publikum, und sei es noch so klein, ist nicht das Richtige für jeden. PlayStation und Xbox stecken in einer Hardwareschlacht mit Pro und Scorpio, versuchen sich bei den Headset-Spielen zu übertrumpfen und "For the Players" fasst es perfekt zusammen. Es sind Konsolen für Spieler. Aber eben nicht für die Menschen um die Spieler drumherum. Für uns als Core-Gamer ist das klasse, da kommen gute Spiele bei rum. Aber in den Gesellschaftsmomenten, seien es die kleinen täglichen mit der Familie oder die größeren im Kreise zu Festen, stehen diese Geräte außen vor, weil sie einfach nichts zu bieten haben.

Damit ist auch der größte Konkurrent für die Xbox vor allem in Deutschland klar: Switch. Nintendo wird diese Spiele wieder veröffentlichen, ein Mario Party wird kommen, Kart ist ja schon klar und andere werden folgen. Parallel zu Mario Odyssey und Zelda werden sie die Zeiträume bedienen, in denen Battlefield, Gears und Uncharted ausbleiben müssen. Die PlayStation dominiert in Deutschland und all diese Leute müssen schon ganz schön core sein, um sich gleichzeitig eine Xbox hinzustellen. Als Zweitkonsole hätte zumindest ich gerne eine Konsole, die sich unterscheidet, und wenn Switch es schafft, wie die Wii das Wohnzimmer zu beherrschen, sobald mehr als ein Mensch darin sitzt, muss Switch sich nicht mal nur damit begnügen, einen zweiten Platz in den absoluten Zahlen installierter Konsolen zu erreichen.

Es ist derzeit wenig Wille bei Sony oder Xbox erkennbar, die Pixelzahl-Grabenkämpfe aufzugeben und die Gesellschaftsspiele weniger als Nebenschauplatz im infantilen Krieg der Konsolen zu eröffnen. Sicher, es gibt eine große Core-Zielgruppe und diese will mit Technik umgarnt werden. Selbst da gewinnt nicht immer, wer die allerbeste Technik hat, aber zu weit hinten darf man auch nicht anstehen. Es gibt aber auch noch das, was die Wii zeigte, nämlich dass auch Menschen, denen 4K genauso egal ist wie das beste Gamepad, manchmal gerne Spiele spielen. Wenn man zusammenkommt und Spaß haben möchte. Selbst Leute, die sich für das beste Gamepad interessieren und darüber streiten möchten, werden sich nachdenklich den vorhandenen oder auch nicht vorhandenen Bart kraulen, wenn es heißt: "Mami und Papi, lasst uns was spielen." Weder Sony noch Microsoft haben auf diesen Wunsch eine echte Antwort.

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Das heißt nicht, dass ich bei Switch keine Probleme sehen würde. Die Wahrnehmung des hohen Preises ist sicher das größere Problem als der Preis selbst. 300 Euro sind nicht teuer für eine Konsole, so viel kostet ein Durchschnitts-Tablet oder ein unteres Mittelklasse-Handy. Daneben stehen aber zwei Geräte, die auch für Spiele da sind, in denen mehr Technik und 4K-Player und sonst was steckt und die eben etwas günstiger sind. Die Wirkung der Wahrnehmung könnte sehr real sein. Das Line-up ist noch sehr mager, selbst die Aussicht darauf. Eine Menge J-RPGs, was für eine kleine Gruppe Spieler klasse ist, sicher. Mario kommt aber erst noch, Splatoon 2 auch, andere Dinge irgendwann und dazu zählen eben auch diese Gesellschaftsspiele jenseits eines 1-2-Switch, das sich erst mal den Status eines Wii Sports erarbeiten muss - ich denke immer noch, dass ein "Switch Sports" da mehr gerissen hätte. Und sagen wir es mal ganz hart: Noch nie hat ein Zelda die Marke von zehn Millionen geknackt. Es musste sich noch nie wirklich als System-Seller beweisen und als Core-Action-Adventure hat es dafür nicht die besten Grundvoraussetzungen, egal wie fantastisch es als Spiel sein mag. Außerdem: 32 GB sind heutzutage im Zeitalter von Download-Games und Patches ein Witz.

Daher, die Chance von Switch liegt genauso wenig in einem Dreier-Deathmatch der Konsolen wie in der Hoffnung, dass jeder Battlefield-/Halo-/Uncharted-Spieler auch für Zelda/Mario gewonnen werden kann. Es ist stattdessen die Eroberung eines Feldes, das die beiden anderen anscheinend komplett aufgegeben haben. Dieses Feld ist zigmal größer als alle anderen und wisst ihr was: Dabei ist es sogar egal, dass die Technik 50 Euro mehr kostet. Wenn man nämlich etwas bietet, das kein anderer hat, ist der Preis plötzlich nicht mehr vergleichbar.

In diesem artikel

The Legend of Zelda: Breath of the Wild

Nintendo Wii U, Nintendo Switch

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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