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Sniper Elite 4 - Mal ganz entspannt ein paar Nazis snipen

Die Freiheit, es im Shooter auch mal ruhig anzugehen.

Sniper-Spiele sind ohne Frage populär und der Grund dafür ist - zumindest soweit ich das beurteilen kann - relativ einfach: Sie sind entspannt. Es ist ein Shooter, aber einer, der nicht nur auf Reflexen basiert, sondern von ein wenig Planung und Methodik lebt. Und den auch jeder spielen kann, der mit der Hektik eines CoD oder Doom nicht zurechtkommt. Und sollte das der Grund sein, dann wird Sniper Elite 4 das ultimative Spiel für diese Absicht.

Ihr habt acht oder so große Gebiete. Nicht zu groß, keine echte offene Welt. Aber die braucht es auch gar nicht, die Vorzüge guten Level-Designs im Vergleich zu so endloser wie austauschbarer Weite sollten sich herumgesprochen haben. Packt jetzt noch ein wenig Sandbox mit rein. Die KI dreht ihre nicht ganz festen Runden, ihr habt viele Interaktionsmöglichkeiten mit der Landschaft, aber auch mit dem Inventar, in dem ihr Bomben auf unterschiedliche Art basteln und nutzen könnt, um den Nazi-Besatzern 1943 zu Leibe zu rücken. In jeder Stage habt ihr ein paar Ziele, die erreicht werden müssen - hier war es das Ausschalten von ein paar Schlüsseloffizieren an malerischer Küste -, aber der Rest ist optional und bleibt dem Spieltrieb des Spielers überlassen.

Nazifestungen zwischen alten Ruinen, fast schon ein Klassiker.

Jede Nische dieser Steilküste scheint etwas zu bieten zu haben. Dort ein halb verfallener Turm, mit ein paar Schuss geräuschreduzierter Munition, hier ein paar Soldaten, die einen Truck reparieren, dort ein Bauernhaus, um das ein paar Nazis herumschleichen. Nichts davon ist für eure Mission direkt wichtig, aber der Spieltrieb sagt: Wenn es da ist und sich so nett präsentiert, sollte man damit auch was machen. Ich hatte an meiner eigenen Mission, um den Level abzuschließen, vergleichsweise geringes Interesse. Stattdessen streifte ich in Büschen und hinter Deckungen umher, um ein paar lautlose Nahkampf-Kills abzugreifen, hier und da für ein wenig Chaos zu sorgen und zu gucken, was die KI so treibt, wenn man sie aufscheucht.

Nun, sie hat ihre Momente. Nicht zu viele, aber im Suchen ist sie nicht schlecht, da die Soldaten ein relativ großes Gebiet abdecken, wenn sie wissen, dass wortwörtlich was im Busch ist. Die Koordination untereinander scheint dabei eher zufällig. Einen wirklich koordinierten Streifzug mit gegenseitigem ständigen Blickkontakt braucht ihr meist nicht zu befürchten. Leichen lassen sich beseitigen, was euch ein paar Endlos-Alarme ersparen dürfte, aber wenn eine Leiche gefunden wird, dann haben die Gegner eher ein Auge auf die Umgebung als auf die Leiche. Einfach zu warten, bis sich alle über sie beugen und so einen ganzen Stapel an toter KI zu produzieren, funktionierte nicht.

Genauso wie der obligatorische U-Boot-Bunker.

Was den Schwierigkeitsgrad generell angeht, muss man hier klar zwei Grade auseinanderhalten. Der, auf dem ich spielte, war der Sonntagmorgen-Partisanenspaziergang mit Führung. Gegner lassen sich mit dem Fernglas schnell markieren und bleiben immer markiert, egal wohin sie gehen. Durch das Zielfernrohr seht ihr den Punkt, auf den ihr schießen müsst, um Wind und Flugwinkel auszugleichen. Sollte man entdeckt werden, ist der Alarmzustand ist schnell aufgehoben. Sehr entspannter Ausflug an der Küste. Der andere Modus bietet nichts davon. Keine Zielhilfe, keine Markierung, nur ihr und euer Auge in einer durchaus schönen, detaillierten und zumindest in diesem Level mit augenscheinlicher Liebe entworfenen Welt. Für alle, die eben die richtige Herausforderung suchen.

Dass Rebellion nicht erst seit gestern Shooter macht - 1994 war das legendäre Alien vs. Predator auf dem Jaguar ihr erstes Spiel, danach folgten einige -, wird in den Bewegungen schnell klar. Sniper Elite 4 spielt sich auf die beste Art routiniert. Ihr wollt in Deckungen gehen? Dann tut es einfach. Die Figur hängt nicht an Ecken oder ähnlichem, es spielt sich einfach flüssig, und das ist ein wichtiger Teil dieses ersten Eindrucks, bei dem ich überrascht war, wie positiv er ausfiel. Die Menüs sind sinnvoll strukturiert und intuitiv und bei all seinen Möglichkeiten und Optionen ist es doch ein Spiel, in das ich in wenigen Minuten sehr gut hineinfand und in dem ich mich sofort heimisch fühlte.

Das Gelände erlaubt sehr viel Erkundung, was die Suche nach guten Positionen selbst schon sehr unterhaltsam werden lässt.

Der Koop hängt stark davon ab, ob ihr euch mit eurem Partner unterhalten könnt - das ist ja keine Seltenheit - und mit ihm versteht. Der Kollege vor Ort hatte wenig Interesse daran, sich mit mir zu koordinieren, ich auch nicht mit ihm. Entsprechend lief das dann auch, als er sich Gott weiß wo auf der Karte aus Versehen von einer Klippe stürzte und ich ihn binnen 60 Sekunden nicht finden konnte. So lange habt ihr Zeit für eine Wiederbelebung, dann heißt es "Game Over". Ansonsten spielt ihr den gleichen Level mit den gleichen Zielen, nur eben zu zweit. Kann sicher viel Spaß machen, vor allem, weil beide Spieler gleichberechtigt sind. Es gibt aber wohl auch einen Modus, bei dem der eine ein Spotter ist und der andere der Schütze.

Eine Überraschung war der Horde-Modus. Ich weiß, Horde-Modus und Sniper-Spiel sollte ein Widerspruch in sich sein, aber schon beim normalen Spielen hat sich gezeigt, dass ihr, wenn ihr ein guter Shooter-Spieler seid, auch gegen zumindest zwei oder drei Gegner mit dem MG und der Pistole eine gute Chance habt. Zumindest auf dem handzahmen Schwierigkeitsgrad. Wer weiß, wie das bei der Pro-Version aussieht. In Horde spielt ihr Koop mit bis zu vier Leuten und müsst nicht unbedingt eine bestimmte Position halten, sondern vor allem eine gewisse Zahl an Feinden ausschalten. Ihr habt wenig Zeit, euch zu positionieren und die Feinde kommen in Wellen. Vor allem wissen sie, wo ihr seid. In etwa jedenfalls. Die ersten Runden wird noch elegant vom Dach aus gesnipert, spätestens in Welle 3 bricht aber die Panik aus. Dass das Ganze mehr als nur Glück und Hektik sein kann, zeigte sich an dem, was wir falsch machten. Die ersten Runden war das hohe Dach der beste Freund, aber als die Gegner schneller und zahlreicher kamen, war das einfach nur ein Platz ohne Fluchtmöglichkeiten. Der Kirchturm war kein guter Ort. Wenn ihr mal eine Zeitmaschine benutzt und als Partisane in Italien ein Dorf gegen heranstürmende Faschisten verteidigt, dann haltet euch fern vom Kirchturm.

Der Blick von der Kirche ist gut, aber trotzdem ist es nicht die Position, die ihr haben wollt, wenn der Feind heranstürmt.

Mit dieser Lehre und dem Gefühl, für zwei Stunden sehr gut unterhalten gewesen zu sein, ging ich aus dieser überraschenden Anspiel-Session. Überraschend insoweit, dass ich Sniper-Spiele meist nicht mag, vor allem in dem Setting, weil sie sich zu ernst nehmen. Zu dunkel, zu selbstverliebt in ein Material, dessen inhaltliche Reichweite sie gleichzeitig nicht zu erfassen scheinen. Sniper Elite 4 kann das in späteren Missionen auch noch werden, so viel habe ich nicht gesehen, aber was ich sah, war es die perfekte Mischung aus offenem Leveldesign, spielerischen Freiheiten, inhaltlicher Irrelevanz - hier Gewehr, da Nazis, auf geht es - und gutem Gameplay. Kein Spiel, das die Welt weiterdrehen wird, aber eines, mit dem man - gerade mit einem kommunikativen Freund im Koop-Modus - wohl eine Reihe guter Abende verbringen dürfte. Ein, zwei Bier und ganz gechillt das Reich vom Stiefel runterschicken.

In diesem artikel

Sniper Elite 4

PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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