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Dear Esther - Vinyl Soundtrack Rezension

Komponist: Jessica Curry

Label: Black Screen Records

Stil: Piano-Streicher-Ausflug mit CMI-Einflüssen in die Hölle und zurück

Erhältlich über: Amazon, Label, Discogs, Ebay

Das Spiel: Die Erfindung des Walking-Simulators mit dichter, mystischer Handlung.

Spiel

Die Editionen: Was das Vinyl angeht, gibt es drei Versionen. Einfach zu haben ist die goldene und sehr schicke Re-Release Edition, die ihr praktisch überall bekommt. Schwieriger erhältlich sind das schwarze und das weiße Vinyl der ersten Veröffentlichung, vor allem letztere ist gefragt. Das Cover ist ein wunderschönes Gatefold mit aufwändigen Sleeves für die 180g-Vinyls. Auf diesen findet ihr auch die Danksagungen und Liner-Notes. Eine schöne Aufmachung, die diesem ungewöhnlichen wie einflussreichen Soundtrack würdig ist.


Angehört

Seite A: Okay, das ist die Musk, zu der jemand in Zeitlupe in die Hölle fährt. Wie auch immer das genau aussehen mag, das ist die Musik. Das ist das Piano, das ist die kurze Choreinlage, das ist das Finale. Oder eben der Anfang. Drohend schlägt der Hammer jede einzelne Note im Klavier nieder, scheint sich von Ton zu Ton zu schleppen, dazu Geräusche wie aus Silent Hill. Ein einsamer Streicher begleitet ein einsames Klavier. Das ist keine Horror-Musik. Das ist ein musikalisches Urteil. Und wieder, es ist nur der Anfang, der sich weiter aufbaut, während sich die Verkündung alle Zeit nimmt, die sie braucht. Das Schicksal wird mit einer ruhigen, aber helleren Piano-Melodie akzeptiert, bis unser dunkler Streicher die Realisation über die Tragweite von alledem zurückbringt.

Seite B: Nachdem die erste Seite schon so fröhlich wie Kafka war, startete Seite 2 wie... soll das so klingen? War das Intro auf Seite 1 die Höllenfahrt, dann ist das hier das Aufwachen dort. Aber schwacher Trost kommt in Form einer einsamen Engelsstimme, die sich wie ein Klagechor of One über alles legt. Das Hauptthema des erstens Akts macht in Variation eine erneute Aufwartung, gibt sich aber deutlich dramatischer orchestriert, lichter. Was folgt, ist Cold Meat Industry, ich kann es nur nicht ganz einsortierten, Coph Nia vielleicht. Langgezogene, dunkle Töne, ein in diesen Ton einstimmender Tenor, der mit in der Dauer eigentlich nur kurzen Schüben Ewigkeit ausdrückt. Zwischendurch das Grundrauschen der Entropie für zehn Sekunden. Warum? Was weiß ich. Hintergrundkatharsis oder so. Bevor es dann auf einer ätherisch wertvollen Note des Tenors in einer Art Elysium endet. Wir sind weit gekommen in diesen nicht mal 15 Minuten.

Seite C: Es ist nicht klar, was danach jetzt noch kommen soll und für den ersten Augenblick scheint das Album darauf keine echte Antwort zu haben, bis sich die Tiefe der Variation im Hauptthema erschließt und sich auch dem Ohr in der dritten Abwandlung die Intention erschließt. Dies ist trotz des lichter werdenden Pianos der bisher dunkelste Ausflug und seine Reprise rundet ihn perfekt ab. Danach folgt eine fast zärtlich aufspielende Abendstimmung mit einem Michael-Nyman-Vibe, nur um in der schwarzen Nachtklage zu enden. War zu erwarten.

Seite D: Der zweite Track, der was mit "Esther" heißt. Welche besondere Bedeutung mag er haben? Mit Spannung erwartet und... 30 Sekunden einer einsamen, etwas unspektakulären Geige. Das war... unspektakulär. Das Thema wird zum Glück danach gründlich und ausführlich aufgearbeitet, indem es zu dem inzwischen bekannten immer wiederkehrenden Grundrauschen von etwas sinisterem, ausgebaut wird, bevor sich wie schon bei Seite B der Tenor mit eingreift und der Schwermut eine zielstrebige Richtung gibt. Der dann mehrere Minuten gefolgt wird. Es wirkt ein wenig wie eine verlorene B-Seite von Dead Can Dance, was sicher keine schlechte Sache ist. Zum Schluss hin: Was mit einem Abstieg begann, trägt nun im Ausklang den Titel Ascension zu Recht. Es ist das Erteilen einer späten Absolution. Nicht ohne Schwermut, nicht ohne Reue, aber alle Beteiligten scheinen sich einig, wenn sie hier partizipieren und euch entlassen.

Eine Platte wie: Diese halbstündige Jam-Session, die Dead Can Dance auf seinen Konzerten nie macht.

Eine Art Fazit: Beeindruckend in seinem pointierten Minimalismus, Effektiv wird jedes Instrument genutzt, um den subtilen Wandel der Stimmungen nachzuverfolgen. Ein echter moderner Klassiker und das auch in einer ausgesprochen hübschen Version.


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Selbst anhören:


Gehört und genossen auf...

Dies ist die "Eurogamer-Referenz-Anlage": Plattenspieler - Thorens TD 203 (Test); Phono-Verstärker - Pro-Ject Phono Box DS2 USB; Stereo-Verstärker - Teufel Kombo 62 CD-Receiver; Boxen - Nubert nu Vero 30 (Test); Kopfhörer: Beyerdynamic Amiron (Test) + A20 (Test)


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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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