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For Honor - das beste Spiel über Äxte und Schwerter?

Erste Eindrücke zum Start und über einen Einzelspielermodus, der besser ist, als er sein sollte.

Es war schon früh klar, dass For Honor eines der Spiele sein dürfte, denen man ab Verkaufsstart noch ein wenig Zeit geben muss, bis man sich ein abschließendes Urteil erlaubt. Letzte Woche wurde uns diese Entscheidung dann insofern abgenommen, als dass Ubisoft den Medien erzählte, dass die Server erst am Montagabend in Betrieb genommen würden. "Testfassung zum Launch" ist zwar die Sorte Phrase, bei der routinemäßig die Alarmglocken anspringen, vorwerfen, dass er nicht mit offenen Karten spielte, das kann man dem Entwickler in diesem Fall aber nicht. Tausende Spieler konnten bereits vor dem Launch in Alphas und Betas in For Honor hineinschnuppern, was auch wir zuletzt vor zwei Wochen taten.

Den gestrigen Abend nutzte ich dann vornehmlich dazu, die Einzelspielerkampagne auf ihre Zugkraft für Solo-Schwertkämpfer abzuklopfen. Drei mal sechs Missionen, soweit ich das bisher abschätzen kann, führen euch je durch die Ritter, Wikinger und schließlich Samurai-Fraktionen und geben dabei Gelegenheit, mehr oder weniger alle Klassen kurz mal anzuspielen. Wie das so oft ist - und wie es zuletzt Rainbow Six: Siege mit seinen Solo-Situations ein bisschen auf die Spitze trieb - vermutete ich hier ein glorifiziertes Tutorial, das zu wenig Gehalt bietet, um sich über die Always-on-Pflicht aufzuregen. "Dünne Dreingabe" war meine Vorabeinschätzung und wie ich nach gut vier Stunden zur Hälfte durch den Solo-Modus hindurch feststellen muss, lag ich damit nicht ganz richtig.

Für ein mehr oder weniger reines Multiplayer-Spiel sieht For Honors Kampagne ausgezeichnet aus.

Ja, immer und immer wieder werdet ihr in neue Grundlagen mittelalterlicher Kampfkunst eingeführt und ja, man macht selten mehr, als sich durch Horden an Bots und regelmäßig auch KI-gesteuerte Helden zu häckseln. Soll heißen: Ablauf und Struktur gleichen den Online-Matches durchaus. Aber einzelne Zwischensequenzen, durchaus nett choreografierte Set-Piece-Momente und eine stimmig geschriebene und gut gesprochene Rahmenhandlung verströmen tatsächlich das Gefühl, dass Ubisoft und der kreative Kopf hinter For Honor, Jason Vandenberghe, ihre Schlachtplatte nicht ohne Lore-Garnitur servieren wollen. Man will nicht nur ein cooles Spiel über Duelle mit schartigen Klingen schaffen, sondern auch ein Universum drum herum stricken.

Ich würde immer noch nicht so weit gehen For Honor Einzelspieler-Fans voll und ganz ans Herz zu legen. Dafür ist der Modus noch immer zu sehr Heranführung an das, was einen online erwartet, ganz zu schweigen davon, dass mit Dark Souls 3 und Nioh gleich zwei tolle und in Sachen Gewicht und Körperlichkeit vergleichbare Spiele auf diese Spieler warten. Aber es fällt mir schwerer, die Kampagne zu ignorieren, als ich ursprünglich erwartet hatte. Ich werde sie in jedem Fall zu Ende bringen. Tatsächlich bin ich an dem Punkt, den ich vor zwei Wochen in meinem Vorabbericht noch nicht sah: Ich habe morgen fast zehn Stunden Zugfahrt vor mir und bin jetzt doch ein bisschen angefressen, dass ich für den Solo-Part online sein muss.

Thematisch unterscheiden sich die Missionen, am Ende drückt man an Interaktionspunkten aber einfach nur eine Taste.

Aber das ist wohl eine Sicherheitsmaßnahme, um allzu viel Mogelei vorzugreifen. Schließlich verdient man sich hier ja nicht nur Buffs und Perks zum Ausprobieren, man schaltet tatsächlich auch schon über Ausrüstungskisten neue Waffen- und Rüstungsteile sowie Individualisierungsmöglichkeiten frei. Offline wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis Hacker die Systeme zu ihren Gunsten ausnutzen. Wir werden sehen, ob es dabei bleibt, oder ob Ubisoft nicht vielleicht doch einen Weg findet, die Always-on-Anforderung noch zu kippen.

Ein weiterer schöner Nebeneffekt des Einzelspielers ist, dass ich durch ihn ein deutlich besseres Gefühl für den Fluss und Rhythmus von For Honors Schlachten bekam. So langsam habe ich den Dreh raus und gewinne an Durchblick, der mich auch online überlebensfähig hält. Es ist schon eine seltsame Lernkurve, die For Honor hinlegt, aber langsames, überlegtes, abwartendes Agieren wird ebenso belohnt, wie im rechten Augenblick zuzuschlagen. In dieser Hinsicht gleicht es seinem modernen Gegenstück Rainbow Six: Siege doch sehr. Jeder Kampf gegen einen KI-Heldencharakter oder einen menschlichen Gegenspieler ist eine Art scharfkantiges Schnick-Schnack-Schnuck, bei dem nicht nur die drei Schlagrichtungen geblockt und pariert werden können, auch Guard-Breaks - Blockbrecher - und unblockbare Attacken (ausweichen!) gilt es zu berücksichtigen.

Trotzdem könnten einige Momente auch aus einem Action-Adventure kommen, allerdings lässt die Mehrheit der Charaktere auch in den Zwischensequenzen ihre Helme auf.

Das System mischt Dark Souls mit klassischem Beat 'em up und erinnert häufig an ein nicht ganz so unvergebendes Bushido Blade. Jedes Duell ist nur ein, zwei versemmelte Paraden davon entfernt, komplett auf die für einen selbst unappetitliche Seite zu kippen, was für eine besondere Spannung sorgt. Dabei imponiert besonders, wie sehr man das Gefühl hat, dass hier Stahl auf Stahl trifft - Äxte auf Beidhänder, Morgensterne auf doppelte Dolche, Naginatas auf Kurzschwerter. Wo Nahkampfwaffen in einigen anderen Games genauso gut das Leben direkt von der Health-Leiste abschnippeln könnten, spürt man hier jeden der aus den schön fließenden Kombobewegungen heraus entstehenden Kontakte. Mittlerweile schaue ich nicht einmal mehr so sehr auf das Diagramm, dass die Angriffsrichtung des Gegners signalisiert, ich kann oft schon intuitiv an seiner Haltung und der Ausholbewegung erkennen, wo ich blocken muss.

Technisch gesehen scheint unterdessen alles in Ordnung. Auf dem PC ist es ein Traum, auf PS4 aktuell mit nur 30 Bildern pro Sekunde, die nicht immer komplett stabil bleiben, nicht ganz optimal, aber immer noch gut spielbar. Das Tempo ist nicht besonders hoch und tatsächlich sind die Animationen lesbar genug, um immer noch gut reagieren zu können. Verbindungsabbrüche waren gestern Abend und heute Vormittag selten und wenn der Host die Partie verließ, ging es nach kurzer Unterbrechung weiter.

Vor allem aber lernt ihr die unterschiedlichen Angriffsschemata und Moves der verschiedenen Klassen kennen.

Über drei Dinge zerbreche ich mir noch den Kopf. Erstens: Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das System - auf hohem Level gespielt - defensive, eher opportunistische Spieler fast zu sehr belohnt. Eine vergleichbar langlebige Motivation, wie das sich endlos verändernde Rainbow Six: Siege, das in Interface und Struktur so offenkundig Pate stand, sehe ich aktuell noch nicht. Dann wiederum: Diese spezielle Sorte Blitz schlägt wohl nur einmal an derselben Stelle ein. Zweitens ist das Chaos im Dominion-Modus immer noch ein bisschen zu heftig. Unterzahlsituationen gilt es tunlichst zu vermeiden und das sorgte schon ein ums andere Mal für Benny-Hill-artige Verfolgungsjagden. Allerdings hatte ich auch schon einige Alleine-gegen-zwei-Situationen gegen offenkundige Anfänger, in denen ich mich wie ein absolut unberührbarer Mittelalter-Mr-Miyagi fühlte. Vielleicht bin ich einfach noch nicht reif fürs dichteste Dickicht - und vielleicht gehört ein mal geordneter, mal kopfloser Rückzug einfach zu dieser Schlachtendynamik dazu.

Nach einem guten Dutzend Beta-Stunden kann ich mir noch längst nicht sicher sein. Sicher bin ich nur, dass ich schon lange kein Spiel über Schwerter und Äxte mehr gespielt habe, das eine vergleichbare Sogwirkung auf mich ausübte wie For Honor. Es sieht toll aus - in Bewegung noch viel besser als im Standbild - und vereint vorbildlich Atmosphäre und ein anspruchsvolles Kampfsystem. Es wird auch hier wieder Spieler geben, die sich einen größeren Einzelspielerfokus - ein echtes Action-Adventure in dieser Welt - gewünscht hätten. Doch das ist nicht das Spiel, das Jason Vandenberghe und Ubisoft mit For Honor machen wollten. Ihr Schlachtengemälde soll die Zeit überdauern, nicht nur die zehn bis 30 Stunden, die man in Solo-Abenteuern für gewöhnlich so totschlägt. Meine abschließende Einschätzung, ob ihnen das gelingt, lest ihr in ein paar Tagen.


Entwickler/Publisher: Ubisoft / Ubisoft - Erscheint für: PlayStation 4, PC, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: erhältlich - Angespielt auf Plattform: PC, PS4

In diesem artikel

For Honor

PS4, Xbox One, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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