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Die Mafia-Reihe könnte zu den ganz Großen gehören

Dafür müsste sie aber einen harten Schnitt machen.

Mafia 3 und das ewige Open-World-Missverständnis! Ich erinnere mich noch gut an den ersten Teil und dass wir damals schon dachten - 2002 immerhin -, wie leblos und gestreckt sich das Spiel zwischen seinen Missionen und in den Straßen von Lost Heaven doch anfühlte. In seinen schlimmsten Momenten war es der Inbegriff eines "Ich-auch"-Produkts im Fahrwasser von Grand Theft Auto. Aber das ist nicht das, was bei den Freunden der Reihe bis heute hängenblieb. In die Erinnerung brannten sich die packende Inszenierung liebgewonnener Mob-Klischees, die Handlung und wie sie erzählt war - und natürlich der Knalleffekt am Ende, dessen Schwung die Reihe geschickt in den zweiten Teil mitnahm.

Es besteht kein Zweifel daran, weshalb diese Reihe vielen als Geheimtipp gilt und auch Mafia 3 bestätigt diesen Trend einmal mehr mit schön geschachtelten Erzählebenen, öfters gutem Buch und meist fähigen Sprechern. Die Verantwortlichen sind sich der Stärken ihrer Serie sichtlich bewusst. Genau deshalb ist es so bedauerlich, dass sie über ihre offensichtlichen Schwächen anscheinend nicht vollends im Bilde sind. Auch Mafia 3 und sein New Bordeaux knarzen eher unter der Last der Open World, anstatt sich von ihr in neue immersive Höhen tragen zu lassen. Das Szenenbild stimmt, die Zeitperiode wird gut eingefangen. Aber die Ansprüche, die das geschulte Spielerauge mittlerweile an verzahnte virtuelle Stadtabläufe stellt, sind mit dieser betagten und oft beliebig wirkenden Open-World-Schablone nicht mehr zu erfüllen.

Das ist die Sorte Moment, in denen Mafia 3 am besten ist.

Es ist einfach zu viel, wenn man nicht Rockstar heißt und es sich erlauben kann, den Großteil eines Jahrzehnts in die Ausarbeitung einer einladenden, glaubwürdigen Welt zu stecken. Warum also Zeit und Arbeit in ein Feature stecken, mit dem man NPC-Irrsinn, technischen Querelen und Bugs Tür und Tor öffnet? New Bordeaux mag nett aussehen, aber es ist auch deutlich lebloser als bei der Publisher-internen Konkurrenz, während die eigentlichen Systeme, allen voran das Stealth, mit seinen Leichenbergen, zu denen man einen gutgläubigen Gegner nach dem anderen locken kann, an der Glaubwürdigkeit dessen nagen, was man hier erlebt. Über sinnentleerte Sammelaufgaben müssen wir hier gar nicht erst diskutieren.

Und doch kann man sehen, was Hangar 13 hier vorhatte. Tatsächlich integriert es sogar die aufgeheizten Rassefragen der Zeitperiode auf interessante Art in seine Systeme, wenn der schwarze Protagonist Lincoln Clay sich immer und immer wieder dem Generalverdacht einer ihm ständig hinterher stierenden Polizei ausgesetzt sieht. Und seine eigenen Leute auf Schlüsselpositionen des wachsenden Imperiums zu setzen, gibt den Spielern Gelegenheit, selbst ein wenig Autorenschaft über die Figuren auszuüben. Die Richtung war eine gute, aber man schritt den Weg nicht weit genug hinunter, um all die Beliebigkeit gängiger offener Welten hinter sich zu lassen. Die Frage ist nun, warum nicht etwas wagen, und die Open-World mit all ihren Fallstricken für ein eventuelles Mafia 4 komplett links liegen lassen?

Abseits seiner Handlung und der guten Charakterzeichnung hat Mafia 3 nämlich auch viel für sich, das den Ausflug ins Quasi-New-Orleans von 1968 lohnt: Tatsächlich darf man über die Qualität der Schießereien durchaus überrascht sein. Selten trat man so wuchtig eine Tür ein, Gegner machen filmreife Abflüge über Geländer und Treppen hinunter, Schrotflinten klangen und wirkten nicht oft mächtiger als hier. Wenn man in den Missionen komplett den hartgekochten Verbrecher gibt und sich nicht auf das lahme Schleichsystem verlässt, ist Mafia 3 genau die Ode an den Gangsterfilm, die sich 2K und Hangar 13 vorgestellt haben.

Es ist verlockend, offene Städte für diese Sorte Spiel zu nutzen. Man sollte nur den Mehrwert gegen die Risiken abwägen.

Zu diesem Zeitpunkt bin ich nicht sicher, ob man den Spielern komplett die Zügel aus der Hand nehmen sollte, wenn es um die Flussrichtung ihrer Aktivitäten geht. Doch auch eine komplett Level- oder missionsbasierte Struktur dürfte eher ein Schritt am Problem vorbei sein als eine wirkliche Lösung - obwohl ich Hangar 13 ein gradliniges Unterwelt-Uncharted mit filmreifen Set-Pieces durchaus zutraue. Am Ende ist aber wohl gesteuerte, kontrollierte Freiheit in entschieden kleineren, dafür reichhaltigeren Umgebungen der richtige Weg. Ich begrüße die Entscheidung, das Szenario zum schweigenden Hauptcharakter zu machen, wenn der aber zwischen den Missionen wenig mehr von sich preisgibt als "hier geht's zum nächsten Sammel-Playboy", tut man weder sich noch der Illusion vom Aufbau eines schwarzen Verbrechersyndikats einen Gefallen.

Ich mag diese Reihe und will, dass sie weitergeht. Wie viel Potenzial hier selbst nach dem Entwicklerwechsel von 2K Czech zu Hangar 13 noch drin steckt, ist alles andere als selbstverständlich. Obwohl man zum dritten Mal im dritten Teil das Gefühl hat, diese Welt habe nicht immer den größten Respekt vor der Freizeit des Spielers, übt es in dem, was es tut, noch eine große Anziehungskraft aus. Und noch viel wichtiger: Anders als viele andere Spiele, die aus dem Open-World-Hype geboren wurden, hat Mafia nach wie vor noch Dinge zu sagen und Geschichten zu erzählen, die ich hören möchte. Es ist nur an der Zeit, eine andere Sprache zu wählen als die der klassischen Open World.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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