Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Yooka-Laylee - Test: Ein Duo, als wäre Rare nie weg gewesen

Ein verlorenes Genre kehrt zurück.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Die Kamera haben sie nie hinbekommen, aber ansonsten habt ihr hier das verlorene Rare-Jump'n'Run, das ihr all die Jahre wolltet.

Hey, die späten 90er sind zurück! Mit bunt!! So viele Farben!! Und alles ist niedlich! Und drollig! Und überhaupt so knuffig-knuddelig! Und erst der Sprachwitz! Früher besser bekannt als Attitude, sie ist wieder da! Volle Kante und EXTREME!!!

Und weil alles wieder da ist: Ein bisschen schwer einzuschätzende Sprünge in 3D, eine zickige Kamera, ein dürftiges Minimum an Optionen, etwas zu viel der Attitude, etwas zu viel knuffige Musik, all das ist auch zurück. Und kann einem ganz schön auf den Keks gehen.

Aber ja, Yooka-Laylee ist genau das Rare-Spiel, das Microsoft aus welchen Gründen auch immer nie in Auftrag gegeben hat. Zu 100+10-Prozent. Das gesamte Art-Design, das Gameplay, die Musik runter bis zur letzten Note, das Spiel startet damit scham- und hemmungslos und hört auch bis zum letzten Hüpfer nie wieder damit auf. Es fühlt sich auf die beste nur denkbare Art wie ein neuer Skin auf einem nie veröffentlichten Banjo-Kazooie-Spiel an, bis runter zur Schriftdesign des Namens. Womit ja auch alles gesagt wäre, denn schließlich kennt ja jeder noch dieses Meisterwerk der N64-Zeit, das gerade mal 19 Jahre jung ist. Absolut jeder, oder?

Ein Blick auf eine frisch wiederentdeckte Genre-Welt.

Das ist die große Frage, denn als Hommage an die mehr oder weniger gute alte Zeit funktioniert Yooka-Laylee ohne Frage. Wer endlich mal wieder einen echten 3D-Plattformer "wie früher" haben will, einen, der durch offene Levelgestaltung und vollgestopft mit Herausforderungen glänzt, dann gibt es nichts Besseres als das. Es gibt eigentlich nicht mal was Schlechteres. Es gibt nur Yooka-Laylee. Was noch mehr erstaunt, ist, wie frisch sich dieses Ur-Konzept des 3D-Jump'n'Runs anfühlen kann, wenn man es auch wirklich macht wie damals.

Banjo-Kazooie, wie zuvor Mario 64, Spyro oder noch früher vergessene Spiele wie Jumping Flash!, basiert weniger auf einem linearen Ablauf eines Levels, sondern setzt euch in einen Spielplatz, in dem es verschiedene Bereiche gibt, an denen ihr euch abarbeiten könnt. Früher oder später habt ihr dann endlich alles eingesammelt habt, was es da an Belohnungen gibt. Schon lange vorher schaltet ihr immer neue Level frei. Der allgemeine Konsens ist in der Regel eine Hub-Welt, die alles zusammenhält. Ein Gegenentwurf war zum Beispiel Crash Bandicoot, dessen Level weitestgehend gradlinig verliefen. Ich erkläre das so genau, weil es den ursprünglichen 3D-Plattformer dieser Mario-64-Art seit mindestens einer Dekade nicht mehr gibt und ich eben doch nicht so überzeugt davon bin, dass noch jeder weiß, was das eigentlich ist.

Hindernisse? Der beste Teil dieses Cartoon-Hüpfer-Lebens. Und in Masse vorhanden.

Es kann daher auch sein, dass ein gewisser Mangel an Komfort etwas erstaunen könnte. Es gibt keine Karte der nicht immer übersichtlichen Gebiete. Hin- und Herlaufen gehört zum Geschäft. Eher beschauliche Erkundung genauso. Highspeed und aufs Tempo drücken kannte diese Art von Spiel nie wirklich und das hat sich hier auch nicht geändert. Selbst die Bosskämpfe, fast schon beiläufig und optional eingestreut, vermitteln eher Beschaulichkeit, vergleicht man sie mit späteren Hüpf-Eskapaden der Post-Banjo-Kazooie-Ära. Das ist kein Bug, sondern ein ganz großes Feature. Es erlaubt nämlich, auf Entwicklerseite das Design eines Levels in vollen Zügen auszukosten und praktisch überall etwas zu verstecken, verdecken und erst nach und nach freizulegen. Zahlreiche erneute Besuche mit neuen Fertigkeiten - Schalter im Boden drücken können, sich kurz unsichtbar machen und so weiter - eröffnen immer wieder in eigentlich schon längst abgegrasten Levels frische Blickwinkel auf das vertraute Terrain. Ein wenig Metroid steckt also auch in der Formel. Aber nur sehr wenig Castlevania. Und gar kein Metroidvania. Es gibt keine Level, keine Erfahrungspunkte, kein Crafting. Es ist so erfrischend angenehme wie es auch fast schon verstörend ist, endlich mal wieder ein Spiel ohne diese Dinge zu sehen.

Etwa 10 Minigames sind mit dabei und können auch jederzeit für sich gespielt werden. Manche, wie dieser Ballon-Fight-Klon, sind okay.

Was leider mit der Zeit auch auffällt, ist zum einen eine gewisse Neigung zur Wiederholung. Das ist bei einem so großen Spiel nicht erstaunlich - 15 bis 20 Stunden locker, wenn ihr durchkommen möchtet, viel mehr, bis ihr alles gesammelt habt. Und es ist nicht mal eine echte Wiederholung, da durch die neuen Fertigkeiten auch neue Optionen in den Puzzles dazukommen und genutzt werden, aber es fühlt sich weniger aufregend an als noch in den ersten Welten. Auch wirken diese im fortschreitenden Spielverlauf mit jeder Welt etwas weniger durchdesigned. Ich will nicht sagen lieblos, weil das sind sie selbst in ihren schlimmsten Momenten nie. Aber es ist ein Fall von einem starken Start mit einer leichten Kurve nach unten. Kleine Spielereien werden seltener, wirklich witzige Ideen liegen weiter auseinander. Vielleicht wollte man doch irgendwann mal fertig werden.

Andere erinnern nur daran, dass Super Cars ein weit besseres Spiel war und auch das war nur in seiner eigenen Dekade gut.

Dann habt ihr Dinge wie Mini-Aracde-Spiele, die mal mehr, mal weniger clever auf britische Schätze der Urzeit wie Super Cars verweisen. Meh, da hätte man eher die Klassiker emulieren sollen als neue, nach heutigen Maßstäben ähnlich schlechte Spiele zu kreieren. So bleiben diese etwas unpersönlichen Hommagen als einige der schwächeren Momente des in rauen Mengen vorhandenen 90er-Videospielhumors zurück. Was das angeht, wie gesagt, das Team hatte offensichtlich eine Art Stau, was das angeht, und sie mussten Yooka-Laylee machen, weil ihnen sonst die Schädel explodiert wären. Gefühlt gibt es keinen Wortwitz, der nicht vorkommt, es gibt hier und da sogar diese kleinen, nicht ganz jugendfreien Anspielungen. Eine Schlange mit einer Hose, die Trowzer heißt. Trowzer Snake. Trouser Snake. Hosenschlange. Penis. Hihi. Dutzendfach, wenn auch nicht immer ganz so infantil oder grenzclever. Auf Deutsch? Ganz schön erzwungen bis einfach ignoriert. Nicht alles lässt sich von einer Sprache in eine andere transportieren, das sah man ein, der Versuch hätte auch nie eine Chance bei einem Spiel, dass sich geradezu in Wortspielen zu suhlen scheint. ... Außer natürlich man geht den ganzen Weg und macht es wie bei LucasFilm-Adventures oder Thimbleweed, aber das war vor Rares Zeit.

Ein paar Puzzles müssen natürlich auch sein.

Die sich in zwei Stufen öffnenden Level - wenn ihr genug der Blätter gesammelt habt, könnt ihr neue Level direkt vollständig erkunden - sind riesengroß. Verschachtelt noch dazu. Aber auch wirklich gewaltig und das heißt, dass viel gehüpft werden muss. In den 90ern gab es bei solchen Geschichten immer einen großen, ungebändigten Feind und es war die Kamera. Ist in 2D jeder Sprung in einem guten Jump'n'Run praktisch eine Frage der Ehre, wenn es um Pixelpräzision geht. In 3D... Man war schon dankbar, wenn ein Schatten einem zeigte, wo man ist, und wenn die Kamera sich nicht in letzter Sekunde wegdrehte, irgendwo verfing und komplettes Polygon-Chaos für ein paar entscheidende Sekunden zeigte.

Neue Fertigkeiten helfen euch durch vorher schwierige Passagen: Hier könnt ihr euch unsichtbar machen, um der wachsamen Kamera zu entgehen.

Sprungverhalten und Kamera, beides sind Dinge, die sich Yooka-Laylee zu einem gewissen Grad aus den 90ern bewahrt hat. Das Sprungverhalten ist präzise, aber gewöhnungsbedürftig. Wirklich, es geht. Im ersten Level habe ich oft geflucht, im zweiten manchmal, im dritten klappte dann alles, zumindest soweit der faire Schwierigkeitsgrad mir mit einer manchmal doch recht harten Sprungfolge keinen Strich durch die Rechnung machte. Für die Kamera gilt das Gleiche, aber immer wieder bewegt sie sich von Geisterhand, bleibt irgendwo hängen, zoomt zu nah heran, dreht sich schon mal im Sprung, aber nicht dahin wo sie soll. Wie damals auch lernt man damit zu leben, ihr wisst schon bald, wann ihr welches Verhalten von eurem unsichtbaren Kameramann zu erwarten habt. Trotzdem, 20 Jahre Evolution der Kamera sind hier relativ spurlos vorbeigegangen. Vielleicht ist das aber auch einfach Teil des Konzepts bei diesem Spiel.

Ganz sicher Teil dessen ist die quietschbunte Grafik. Es ist erstaunlich, wie viele Farben es gibt und wie viele ein Spiel davon gleichzeitig zeigen kann. Sicher, wir haben nicht mehr die tristen 2000er, aber solche Bonbons, wie es hier einige der Stages bieten, sind selten. Das, plus die Animationen aus der selten geöffneten Schublade "Super-Duper-90s-Niedlich", komplettiert den Rückfall in das, was einmal Rare visuell war, bevor sie sich mit Avataren befassen mussten. Leider gilt das auch für die Musik und ich weiß, dass einige diesen Stil aus viel Blaskapelle, schrägen Instrumenten - ein Kazoo ist natürlich auch dabei - und einem akustischen Dauerbombardement aus Synthie-Humpta schätzen. Ich nicht so sehr und umso problematischer ist dann der komplette Mangel an Abwechslung. Sicher, jede Welt hat so ihren lose eigenen Klang, aber für mich klingt am Ende alles ebenso Rare wie gleich.

Rare sind zurück. Auch wenn sie jetzt Playtonic heißen.

Ich kann genau das sagen, was alle Rare-64-Bit-3D-Jump'n'Run-Fans hören wollten: Yooka-Laylee ist geworden, was ihr gehofft habt. Es ist dieses aus der Zeit und dem N64 gefallene Rare-Spiel, das erst jetzt erscheint, aber eigentlich irgendwo in eine andere Zeit gehört. Geht los, kauft es, freut euch. Die Mängel, die es gibt, sind keine anderen als sie es damals waren: Eigenwilliges Sprungverhalten, sehr eigenwillige Kamera, nicht jeder Level ist ein Klassiker. Nichts davon muss euch groß kratzen, ihr habt weit Schlimmeres in der Richtung gesehen - wenn auch nicht in den letzten zehn oder so Jahren. Also, kaufen und spielen, ganz als wäre es 1999.

Was den Rest der Welt angeht: Gebt dem nur nach heutigen Maßstäben schrägen Duo aus Echse und Fledermaus eine Chance. Es ist nicht so, dass es viele Spiele dieser Art geben würde und noch weniger, die so liebevoll und natürlich mit Expertise an das Thema herangehen. Es ist ein Genre, bei dem man nach Yooka-Laylee schon fragen muss, warum es eigentlich weitestgehend ausgestorben war und hoffen darf, dass es nun zumindest gelegentlich in so sympathischer Form zurückkehrt.

Entwickler/Publisher: Playtonic / Team 17 - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Preis: ca. 35 Euro - Erscheint am: 11.4.17 (Switch-Version später in 2017)- Getestete Version: Xbox One - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Yooka-Laylee

PS4, Xbox One, PC, Mac, Nintendo Switch

Verwandte Themen
Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Kommentare