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Call of Duty: WW 2 - Vergesst den Trailer...

Spielen sollt ihr Band of Brothers.

Call of Duty: WW 2 hat zwei völlig unterschiedliche Gesichter: Da ist der Trailer, dieses Hollywood-geschwängerte Werk, voller Adrenalin, Dramaturgie, hektischer Schnitte, Close-Up-Zooms auf die Protagonisten und heroischem Soundtrack. Es will die Soldaten bei der Invasion der Normandie als Helden zelebrieren. Und dann ist da echtes Gameplay, zwei der ersten gezeigten Missionen: Angst, Chaos und Blut wie in einem Schlachthof zeichnen das Bild auf Omaha Beach.

Transformers-Star Josh Duhamel spielt Sgt. William Pierson und macht bisher schauspieltechnisch einen guten Job.

Unser Protagonist Ronald Daniels ist das Gegenteil vom CoD-Special-Forces-Prototypen. Er ist kein muskelgestählter Soldat, sondern ein Hänfling. Er und die meisten seiner Kameraden hatten keine Ahnung, auf was sie sich hier einlassen, als sie sich freiwillig meldeten. Die Rampe ist noch nicht ganz ins Wasser gelassen, da sterben die Männer um ihn herum wie die Fliegen. Von deutschen MG 42 werden sie förmlich durchlöchert, zappeln kurz, brechen tot zusammen. Als sich Ronald über die Reling retten will, ist die bereits Blut verschmiert. Die Sicht verschwimmt, er nimmt das Abschlachten aus einer Art Trance wahr, ehe ihn ein Sergeant am Schlafittchen packt, ordentlich durchrüttelt und in Deckung wirft. Das hier ist ein anderes Call of Duty als Advanced Warfare, Black Ops 3 oder Infinite Warfare. Statt Soldaten als kugelsichere Iron Men zu feiern, fühlt sich die Weltpremiere von Call of Duty: WW 2 an wie ein spielbares Band of Brothers oder Der Soldat James Ryan. Doch was macht Sledgehammer Games, die ja bereits mit Dead Space gezeigt haben, wie gut sie inszenieren können, spielerisch daraus?

Einen emotionalen Einstieg zu inszenieren, der den Protagonisten als irrelevanten Normalo einer riesigen Armee präsentiert, ist nicht besonders schwer. Die Kunst liegt jetzt darin, diesen Gedanken konsequent weiterzuführen. Zu viele Shooter arbeiten auf der einen Seite mit ängstlichen, verunsicherten Charakteren, die aber auf der anderen so perfekt schießen als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Far Cry 3 hatte dieses Problem, indem der Nobody binnen Stunden zur Jack-Bauer-Ein-Mann-Armee avanciert. Wo hat der Sunnboy gelernt, mit einer AK 47 oder Desert Eagle auf absurd hohe Distanzen so gut zu treffen? Hier brechen dann die Ambitionen des Storytellings mit dem Gameplay.

CoD hat sich immer schwer getan mit Personality, bei WW 2 haben wir ein besseres Gefühl.

Call of Duty: WW 2 macht das smarter, weil sich Daniels Fehler erlaubt, die spielerisch eingebettet sind. Seine Waffe wackelt, weil seine Hände zittern. Ihr scheitert auch daran, einen Bangalore-Torpedo zusammenzubauen und zu zünden, die damals von den Alliierten benutzt wurden, um Stacheldraht wegzusprengen. Sledgehammer ist dabei sehr gut darin, den Druck konstant hochzuhalten. Das Spiel schreit euch quasi permanent an: „Mach hinne. Je länger du brauchst, desto mehr Kameraden werden hier verrecken." Oder wie es Sledgehammers Studiochef Glen Schofield umschreibt: „Das sind im Grunde noch Kids, die von einer Extremsituation in die nächste gestoßen werden." Auch deshalb verzichtet man auf ein Auto-Heal-System, „weil jede Kugel zählen muss." Sledgehammer will sich ganz bewusst zumindest für diesen Ableger vom Superhelden-Mythos der Reihe verabschieden. Ergibt Sinn, im Zweiten Weltkrieg gab's noch keine Kevlarwesten. Ein direkter Treffer oder auch nur ein dummer Querschläger reichte oft, um sein Opfer zu töten. Der Ansatz reicht nah an ein spielbares Band of Brothers. Steven Spielberg lässt seine Soldaten ziemlich bewusst mehr beiläufig sterben: Sie werden von einem Sniper erschossen, als sie sich unterhalten. Oder von einer Mine zerfetzt, als sie über die Straße rennen.

Solltet ihr die Blu-ray haben, müsst ihr mal drauf achten: Nur wenige Männer sterben, weil sie sich für etwas Großes oder die Gruppe opfern. Gleiches in CoD: Der halbe Zug wird geschreddert, als plötzlich deutsche Stukas in den Tiefflug gehen. Typen, mit denen Ronald gerade noch geflachst hat, sind auf einmal weg. Nicht weil sie einen taktischen Fehler gemacht haben, sondern einfach Pech hatten - zur falschen Zeit im falschen Kornfeld. Okay, 44 hatten die Alliierten nahezu uneingeschränkte Luftüberlegenheit und die Deutschen keine funktionierende Luftwaffe mehr, aber diese kreative Freiheit wollen wir dem Designteam lassen. Und hoffen, dass sich Call of Duty noch ein paar mehr Dinge von Spielberg abschaut.

Auto-Heal fällt weg und das ist auch gut so.

Band of Brothers und Der Soldat James Ryan waren auch deshalb revolutionär, weil sie amerikanische, britische und deutsche Soldaten als das gezeigt haben, was sie sind: Menschen mit Fehlern, Gefühlen und dem Wunsch nach Rache. In der Serie exekutieren GIs Wehrmachts-Soldaten, obwohl diese sich klar erkenntlich ergeben oder schießen fliehenden Einheiten in den Rücken, was auch gegen die frühen Formen der "Rules of Engagement" verstieß. Sledgehammer will sich auch als US-Studio um Balance bemühen: „Aus Gesprächen wissen wir, dass viele deutsche Soldaten für ihr Land kämpften und darauf mitunter stolz waren. Aber nicht an Hitler glaubten oder die Gräueltaten guthießen. Es ist uns wichtig, klar zwischen Wehrmachts-Soldat und SS zu unterscheiden."

Zeit, über den Multiplayer zu sprechen, in dem Sledgehammer sicherlich das berühmte Three-Lane-Design für einige Modi anwenden wird: Drei Routen pro Map, symmetrische Karten sind schließlich wichtig für den eSport. Aber es gibt auch einen experimentaleren Modus namens WAR mit asymmetrischen Karten. Nehmen wir ein klassisches französisches Dorf, der Kirch- wurde zum Funkturm umgerüstet, ein 88-Millimeter-Geschütz bildet die Artillerie. Häuser bieten Deckung für die Wehrmacht, US-GIs haben die Wahl, über die Straße rein zu preschen oder eher die Hecke zu nehmen. Die Missionsvorgaben passen sich dabei dynamisch dem Schlachtverlauf an: Priorität hat die Verteidigung des Funkturms für die Deutschen. Fällt der, ziehen sie sich auf Position Zwei zurück und versuchen, das 88er lange genug zu halten. Wie die Kalifornier versprechen, soll jede WAR-Karte zudem mehrere Stages haben, ähnlich wie im Operations-Modus von Battlefield 1. Die Schlacht wird also hin- und herwiegen, beide Fraktionen haben mehrere Möglichkeiten, das Blatt noch zu wenden.

Das 2017er CoD nutzt Fotogrammetrie, die 3D-Scan-Technik von Star Wars: Battlefront.

Spannend in diesem Punkt, wenn auch nur so halb bestätigt: In der Kampagne wird es Klassen mit unterschiedlichen Attributen geben. Der eine ist Sani, der andere verteilt Munition. Ob das im Multiplayer auch der Fall ist, will Sledgehammer noch nicht verraten. Diese Squad-Mentalität hatte allerdings bereits Advanced Warfare: Ihr konntet automatisiert Granaten abschießen lassen oder das Team mit einem Schild decken. Generell wird der Munitionsnachschub ein größeres Thema werden, denn Gasdrucklader wie die M1 Garand hatten nur acht Schuss, keine 30 wie die Honey Badger. Wie Sledgehammer im Video zeigt, will man das Nachladen auch durchaus authentisch umsetzen: Der Clip springt raus, die Kugeln werden per Hand in den Lauf gelegt. Das passiert während einer automatischen Animation, ist aber bei weitem nicht so schnell wie in den modernen CoDs - Deckung nehmen ist da Pflicht. Und eine Thompson hat zwar inklusive Trommel 600 Schuss, verzieht aber auch ordentlich. Verwöhnte Quick-Scope-Spieler und Holographisches-Visier-Upgrader werden sich umstellen müssen, aber im Neuentdecken eines Spiels liegt ja auch viel Reiz.

Im Multiplayer gibt's asymmetrische Schlachten mit dynamischen Missionszielen. Cool!

Nun, es ist noch etwas früh, zu viele Lorbeeren rauszuschießen, aber die Richtung von Call of Duty: WW 2 gefällt. Gerade auch, weil sich Sledgehammer der größten Schwäche der Serie endlich annimmt: mangelnde Persönlichkeit. So wird es zwar einige Perspektivwechsel geben - eine französische Widerstandskämpferin und ein britischer Officer sind spielbar - , aber in erster Linie sollen wir Daniels Squad kennenlernen. Es ist durchaus angenehm, hier auf Charaktere wie Pierson und Turner zu treffen, die zwar zusammen viel durchgemacht haben und eigentlich Buddies sind, aber ihre Verantwortung unterschiedlich begreifen: Der eine ist bereit, seine Jungs zu opfern, nur um irgendeine Mission zu erfüllen. Der andere will die „Kids" sicher durch die Normandie führen und Verluste minimieren. Der Streit eskaliert, die Fäuste fliegen - eine Szene wie aus Band of Brothers, wo Winters permanent zwischen seinem Pflichtbewusstsein als Soldat und der Verantwortung für das Leben seiner Männer steht. Bleibt zu hoffen, dass die Macher ihrem Versprechen treu bleiben, eine nuancierte Story zu erzählen und nicht zu sehr in plattes „Hooray for the USA" abdriften.

Der Multiplayer muss erst noch spielbar sein, bevor er eingeordnet werden kann. Gerade die Richtung dynamischerer Schlachten mit mehr Tiefe im Teamplay macht aber Lust auf mehr und es gibt noch jede Menge Unbekannte. Der Headquarter-Modus etwa, wo sich 48 Spieler am Strandkopf von Omaha Beach in einer sozialen Zone treffen und Teams bilden können. Scheint so als würde auch das Progressionssystem darüber laufen: Wäre ja interessant statt einfach nur in Menüs wie in The Division bestimmte Punkte ansteuern zu müssen, um in der Waffenkammer den neuen Ballermann entgegen zu nehmen. Und selbst das Wörtchen „Armored Division" fällt, erleben wir etwa ein Comeback der Panzer aus World at War? Hättet ihr Lust auf ein bisschen mehr Battlefield in CoD?

In diesem artikel

Call of Duty: WW2

PS4, Xbox One, PC

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Über den Autor

Benjamin Kratsch

Freier Redakteur

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