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Steel Division: Normandy 44 - Test

War. War never changes.

Strategiespiel für Liebhaber mit der Tiefe eines schwarzen Lochs. Erst leicht zu steuern, dann aber umso schwerer zu beherrschen.

Vereinfacht gesagt gibt es zwei Arten von Echtzeitstrategiespielen. Die leichter zugänglichen, die im Wesentlichen der alten Command-&-Conquer-Formel folgen, und die schweren Schinken à la Crusader Kings, in die sich Einsteiger erst mal eine gute Zeit lang reinarbeiten müssen. Mit Steel Division: Normandy 44 versuchen die Entwickler von R.U.S.E., einen Kompromiss aus beidem zu finden. Mit klassischer C&C-Steuerung findet ihr euch zwar erst mal rein in das Spiel - stellt aber nach der dritten bis vierten Singleplayer-Mission plötzlich fest, dass es so einfach doch nicht ist. Bis dahin habt ihr allerdings einen gewissen Ehrgeiz entwickelt - und der motiviert auch längerfristig.

Was gleich auffällt: Die Entwickler haben viel Wert auf Realismus gelegt. Sie hatten offenbar Spaß daran, sich sowohl mit dem historischen Kontext zu beschäftigen, also der Landung der Alliierten in der Normandie, als auch die dabei eingesetzten Gerätschaften und Waffen genau unter die Lupe zu nehmen und sie im Spiel möglichst exakt nachzubilden. Daher habt ihr im Multiplayer-Modus 18 historische Divisionen zur Auswahl, neun aufseiten der Alliierten und neun Divisionen der Achsenmächte. Dadurch ergeben sich besondere Herausforderungen, beispielsweise schlicht dadurch, dass nicht jede Division auch jeden Einheitentyp zur Verfügung hat. Manche eignen sich beispielsweise für schnelles Rush-Gameplay, andere eher fürs langfristige Planen. Eine Partie ist in verschiedene Phasen eingeteilt. Zu Beginn jeder Mission stellt ihr eure Einheiten zusammen - die sind mit A, B und C markiert, weshalb ihr immer schon genau wisst, wann welche Waffe ins Spiel kommen wird. Wer jetzt also beispielsweise weiß, dass die Stärken seiner Division in den ersten beiden Phasen liegen, legt sich für Phase C nur noch ein paar Notfall-Eingreiftruppen zurecht. Denn: Die maximale Einheitenzahl ist nach oben hin begrenzt.

Hier stoßen gerade verstreute alliierte Einheiten mit denen der Achsenmächte zusammen.

Und eure Einheiten solltet ihr auch klug einsetzen. Antipanzerwaffen idealerweise auch wirklich gegen Panzer, Aufklärungseinheiten nicht gerade für die nächste Offensive und Panzer nicht unbedingt im Kampf gegen Flugzeuge. Tut ihr das doch, mögt ihr eine Mission zwar vielleicht schaffen, aber mit herben Verlusten. Und ebendiese Verluste rächen sich im weiteren Spielverlauf, denn sie bleiben erhalten. Geht euch eine Einheit verloren, habt ihr im Verlauf der Singleplayer-Kampagne auch in den folgenden Missionen keinen Zugriff mehr darauf. Auf diesem Weg erzählt das Spiel eine durchgehende Kriegsgeschichte. Einheiten wachsen dem Spieler durchaus ans Herz, auch wenn dieses Gefühl nicht gerade vergleichbar ist mit dem, was Taktikspiele wie XCOM bieten. Schließlich ist Steel Division ein Spiel über den Zweiten Weltkrieg. Das Sterben auf dem Schlachtfeld ist gar nicht zu vermeiden.

Euer Ziel muss es in Steel Division aber nicht unbedingt sein, den Gegner zu vernichten. Dafür sorgt eine Mechanik, die die Entwickler Suppression-System nennen. Jede Einheit hat einen bestimmten Stresslevel und durch feindlichen Beschuss steigt dieser. Ist er ganz oben angelangt, ist die Einheit praktisch nicht mehr handlungsfähig, verkriecht sich also gewissermaßen in ihrer Deckung, zittert vor sich hin, kommt aber nicht mehr auf die Idee, selbst auch nur einen Schuss abzugeben. Wollt ihr also beispielsweise ein paar Einheiten eskortieren, könnt ihr den Feind auch gut mit einer ungenaueren Einheit unter Beschuss nehmen - und so dafür sorgen, dass er zumindest vorübergehend keine Bedrohung mehr darstellt. In dieser Situation kann es hilfreich sein, eine eigene Infanterieeinheit auf den Gegner zulaufen zu lassen. Dann nämlich fühlt sich Letzterer noch mehr bedroht, kapituliert und verlässt das Schlachtfeld. So lassen sich teilweise ganze Einheitenverbände gezielt unter Artilleriefeuer und mit wenigen Klicks aus dem Spiel nehmen.

Vor jeder Mission dürft ihr euch verfügbare Einheiten nach eigenem Gutdünken zusammenstellen.

Die Mechanik funktioniert auch bei Flugzeugen. Stationäre Flugabwehrgeschütze haben nur eine sehr geringe Chance, feindliche Flugzeuge tatsächlich zu erwischen. Aber sie setzen sie so sehr unter Stress, dass ihre Angriffe nicht mehr wie geplant stattfinden können oder zumindest ungenauer werden. Wollt ihr dagegen deutsche Flugzeuge vom Himmel holen, ist es empfehlenswert, ein paar Spitfires aufsteigen zu lassen.

In jedem einzelnen Spielmoment zeigen die Entwickler ihre Liebe zum Detail. Ihr könnt nah an die Einheiten heranzoomen und erkennt so auch kleine Details, die dem historischen Original so nah nachempfunden sind, wie es nur irgendwie geht. Diese Details sind natürlich auch bei den Achsenmächten vorhanden. Für diesen Artikel konnte ich lediglich die internationale Version anspielen, diese wird aber vor dem Launch noch an die deutsche Rechtslage angepasst, soll heißen: Hierzulande verschwinden die Nazi-Symbole aus dem fertigen Spiel. Weil der Publisher dennoch rechtliche Bedenken hat, erscheint das Spiel hier aber nicht als Boxversion, sondern lediglich als digitaler Release.

Mir hat Steel Division vor allem gefallen, weil es sich relativ einfach steuern lässt, fast wie ein Starcraft oder Command & Conquer, mir gleichzeitig aber das Gefühl gibt, gerade das Mastermind hinter einer großen, strategischen Operation zu sein. Ja, es gibt die für das Genre typischen Schere-Stein-Papier-Mechaniken, aber nicht um jeden Preis. Nicht jede Einheit hat zwangsläufig ein exakt passendes Gegenstück, das sie besonders effektiv ausschalten kann. Manchmal braucht es eben eine Kombination aus mehreren Einheiten, hin und wieder gipfelt alles in einer riesigen Materialschlacht. In dieser Hinsicht wollten die Entwickler in erster Linie die historische Realität nachbilden - laut Aussage der Macher bei der PDXCON ging das so weit, dass sie Anfragen von der französischen Armee bekamen, wie sie diesen Grad an Realismus verwirklichen konnten. Dieser Grad an Realismus hat natürlich auch seinen Preis.

Es gilt, eine Brücke zu halten - meine Einheiten habe ich schon mal in Stellung gebracht.

Realitätsgetreu haben eure Truppen teils verschiedene Waffen und dafür verschiedene Munition. Die wiederum muss aufgefüllt werden, wenn sie zur Neige geht, wofür wiederum je nach Spielsituation der Nachschub über die Map eskortiert werden muss. Dafür bringt ihr am besten Einheiten in Stellung, die möglichst gut gegen den Feind geschützt sind. Gelb heißt leichte Deckung, grün ist starke Deckung. Wenigstens die Munitionsaufnahme funktioniert automatisch, wenn sich Nachschub und Kampfeinheit nur im gleichen Radius befinden. Aber das ist natürlich nicht alles an Mikromanagement - wollt ihr beispielsweise ein stationäres MG-Geschütz in einem Bauernhof ausschalten, könnt ihr entweder Rauchgranaten mit der Artillerie darauf schießen und den Schützen anschließend direkt vor Ort aufs Korn nehmen. Ihr könntet das Geschütz aber auch ins Kreuzfeuer nehmen. Oder ihr besorgt euch eben eine Artilleriewaffe, die noch weiter schießt als das Kriegsgerät, das ihr ausschalten wollt.

Allein: Von solchen Situationen finden sich auf kriegsgebeutelten Stell-Division-Maps gern mal sieben oder acht gleichzeitig. Und was ihr seht, wenn ihr herauszoomt, sind eure Armeen, wie sie sich über den Bildschirm schieben und die feindlichen Armeen zurückdrängen. Das ist auf den ersten Blick befriedigend, kann aber schnell ins Gegenteil umschlagen, wenn ihr auf die falschen Gegner trefft. Dann müsst ihr also ranzoomen, die Details auskundschaften, Einheiten in Häusern Deckung nehmen lassen. Geschütze richtig positionieren, vielleicht ein paar Amphibien-Einheiten hinzukommen lassen. Dieser stete Wechsel aus Makro- und Mikromanagement ist faszinierend, aber aufwändig und ganz sicher nichts für jeden. Ehrlich gesagt nur für die wenigsten. Und selbst die dürften sich teilweise eher an Mühsal als an Spiel erinnert fühlen. Steel Division fühlt sich gegen schwierigere Gegner oder in einer der schwereren Kampagnen an wie harte Arbeit. Aber, und das unter diesem deutlichen Vorbehalt: Wer auf eine akkurate Nachbildung der Geschichte steht und außerdem strategische Tiefe liebt, muss da durch und hat vielleicht eine Chance, Steel Division zu mögen.

Hier noch eine persönliche Randnotiz: So sehr ich die Tiefe des Spiels zu schätzen weiß, muss ich zugeben, dass es mir seit Panzer-General-Zeiten immer wieder unangenehm aufstößt, wenn ich in einem Spiel in die Rolle eines Kommandanten der Wehrmacht schlüpfen kann. Mir ist wohl bewusst, dass es nicht die Absicht der (französischen) Entwickler war, hier irgendetwas zu verherrlichen - im Fall des Zweiten Weltkriegs ist meines Erachtens aber auch Neutralität keine Tugend. Auch weiß ich natürlich, dass diese Diskussion so alt wie die entsprechenden Spiele ist. Und doch, ich kann nicht anders: Ein fader Beigeschmack bleibt.

Eine solche Ansicht verschafft einen ganz guten Überblick über die Strategie - verrät aber wenig bis nichts über die Taktik.

Was das bloße Gameplay angeht, habe ich an Steel Division wirklich nichts auszusetzen. Es macht Spaß, den Feind zurückzudrängen, ihn unter Druck zu setzen und über die historisch akkurate Karte zu treiben. Es ist eine Freude, wenn endlich der sehnlichst erwartete Nachschub eintrifft. Die Präsentation ist so detailverliebt wie hübsch, die Geräuschkulisse ein einziger Teppich an Kriegsgeräuschen, den ich in jedem anderen Zusammenhang als äußerst unangenehm empfinden würde, der hier aber einfach gut zum Geschehen passt. Erklärten Pazifisten wird das nicht gefallen, aber das ist wohl eh nicht ihr Spiel. Wer überhaupt eher zugängliche Spiele mag, wird ebenfalls keine Freude an Steel Division haben, bis hin zu dem Punkt, wo das Spiel in mühsames Dauer-Multitasking und die Freude in Stress und schlicht Arbeit ausartet. Leider ist das eigentlich kontinuierlich der Fall. Ich mag komplexe Spiele. Ich arbeite mich gerne ein. Am Ende will ich aber immer noch Spaß haben, und das ist hier gerade im Verlauf etwas zu selten der Fall gewesen. Und trotzdem, wer Freude am hier gebotenen historischen Anspruch und außerdem Lust hat, sich in Spiele hineinzugraben wie ein Maulwurf in die Erde auf der Suche nach Australien, der darf sich freuen. Dieses Spiel ist für euch, wenn ihr in der Lage seid, ihm euch ganz hinzugeben.

Entwickler/Publisher: Eugen Systems/Paradox Interactive - Erscheint für: PC - Preis: 39,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsche Bildschirmtexte, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.
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