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Harold Halibut: Ein handgemachtes Adventure mit Endgültigkeit, feinen Details und Fehlern

"Es gibt nun mal kein 'undo' in der Realität."

Gestern startete die Kickstarter-Kampagne zum Adventure Harold Halibut, das derzeit beim deutschen Entwicklerstudio Slow Bros. in Köln entsteht. Das Besondere an dem Titel ist, dass man auf einen Stop-Motion-Look setzt. Und dabei wird viel von Hand gearbeitet, denn alle Figuren und Sets entstehen erst mal vorab als echte Modelle, bevor sie schließlich eingescannt und im Spiel verwendet werden. Das sorgt für ein einzigartiges visuelles Design des Spiels.

Ausschlaggebend für die Idee zu diesem handgemachten Spiel ist die Liebe der Entwickler zu Stop-Motion-Filmen, ebenso hat das interdisziplinäre Team ein besonderes Interesse am analogen Workflow, wie Game Designer Onat Hekimoglu im Gespräch mit Eurogamer.de betont.

"Hinzu kam unsere damalige Unfähigkeit, zeichnen zu können oder 3D-Programme zu beherrschen. Da erschien das Basteln und Bauen zunächst einfacher zu sein, was sich schon bald widerlegen sollte... Schon bald sind allerdings mit Ole Tillmann ein wahnsinnig toller Künstler und mit Ilja Burzev ein 3D-Artist hinzugekommen, sodass die Dinge, vor denen wir uns zu Beginn gefürchtet haben, nun fester Bestandteil unserer Pipeline sind", sagt er.

Mit dem einzigartigen visuellen Stil wird Harold Halibut auf jeden Fall aus der Masse herausstechen, was die Entwickler zwar als Vorteil sehen, aber sie wollen sich nicht alleine darauf ausruhen. Vielmehr soll am Ende ein konsistentes Spielerlebnis entstehen, bei dem der Stil, die Atmosphäre und der Humor Hand in Hand gehen.

Spielerisch legt man großen Wert auf die Story und das Erkunden der Spielwelt. Hekimoglu zufolge ist es im Hinblick auf den Spielablauf irgendwo zwischen Firewatch und klassischen Point-and-Click-Adventures angesiedelt. Weiterhin nennt er Night in the Woods als Beispiel für einen Titel, der Harold Halibut recht nahe kommt.

"Es geht vor allem darum, die Situationen zu verstehen und mit den richtigen Leuten über die richtigen Dinge zu reden. Während also bei klassischen Point-and-Click-Adventures die Objekte die Hauptakteure sind, stehen bei uns die Dialoge mit den über 30 Charakteren und die zwischenmenschlichen Beziehungen im Mittelpunkt. Diese sorgen auch dafür, dass sich Harold im Verlauf des Spiels, das sich über mehrere Jahre erstreckt, persönlich weiterentwickelt und dadurch neue (soziale) Fähigkeiten erlangt", sagt er.

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Die Story sei stets humorvoll, aber stellenweise werde es auch etwas ernster, gibt er an. Es ist keine epische Superhelden-Geschichte, vielmehr geht es um die kleinen Dinge, die insbesondere für diejenigen, die sie erleben, eine tragendere Rolle spielen können als irgendwelche weltbewegenden Ereignisse.

Hinter der Produktion der Figuren und Sets steckt jedenfalls sehr viel Aufwand. Wie viel, hängt vom jeweiligen Objekt ab. Das können mehrere Stunden für kleinere Dinge wie Stühle sein, während die Arbeit an Charakteren und größeren Sets schon mal mehrere Wochen in Anspruch nimmt.

Und mit dem anschließenden Einscannen ist es dann natürlich nicht getan, anschließend geht es an den Feinschliff, erklärt Hekimoglu: "Da beim Scanprozess unsaubere High-Poly-Modelle entstehen, die so noch nicht im Spiel verwendbar sind, müssen diese zunächst digital aufbereitet werden. Neben der Retopologie (erstellen eines im Spiel verwendbaren 3D-Modells) werden die Texturen bearbeitet und Materialeigenschaften definiert, was bei einem Charakter ca. eine Woche dauert. Hinzu kommen dann bei Charakteren natürlich noch das Rigging und die Animation."

Wie der Aufwand im Vergleich zur klassischen Entwicklung ausfällt, bei der alles am PC modelliert wird, hängt von der Betrachtungsweise ab. Da jedes einzelne Modell erst mal gebaut, dann eingescannt und nochmals komplett überarbeitet werden muss, ist es auf jeden Fall ein extrem zeitaufwändiger Prozess, gerade für ein solch kleines Team.

Dennoch hat das Ganze gleichermaßen Vorteile. Eine solch visuelle Qualität rein digital zu erreichen, würde laut Hekimoglu sogar noch länger dauern: "Durch die analoge Arbeitsweise bekommt man die Details wie Fingerabdrücke, Pinselstriche, Oberflächenstrukturen von Materialien und 'Fehler' sozusagen geschenkt und muss sie nicht im Anschluss an das technisch perfekte Modeling aufwändig hinzufügen."

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass sich alles durch die Handarbeit an den Figuren und Sets noch ein gutes Stück persönlicher anfühlt, was an der Endgültigkeit dieser Arbeitsweise liegt, denn in der Realität könne man eben nicht einfach mal so auf "undo" klicken.

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"Ein Fehler kann im schlimmsten Fall auch bedeuten, dass man ein Modell, an dem man stunden- oder tagelang gearbeitet hat, erneut machen muss. Dies zwingt einen aber auch von vornherein dazu, sich genaue Gedanken darüber zu machen, was man erreichen möchte. Man kann das ganz gut mit der analogen Fotografie vergleichen: Wenn man einen Film mit 36 Bildern und keine direkte Vorschau hat, macht man sich viel detailliertere Gedanken über Licht, Bildkomposition, etc. Außerdem kann man auch in den finalen Modellen Details wie Pinselstriche oder Fingerabdrücke erkennen, die diese persönliche Bindung nicht nur für uns, sondern auch für den Spieler deutlich machen", erklärt er.

In Bezug auf die Kickstarter-Kampagne geht es den Entwicklern vor allem darum, den möglichen Unterstützern klarzumachen, dass die Screenshots und der Trailer tatsächlich Echtzeit-Material aus dem Spiel sind. In der Vergangenheit habe man öfter Probleme damit gehabt, dass das Gameplay-Material nicht als solches erkannt wurde, vielmehr wurden Stop-Motion-Filmszenen oder vorgerenderte Ausschnitte dahinter vermutet.

Daher weist man im Kickstarter-Video explizit darauf hin, dass Spieler sich frei in der Spielwelt bewegen und mit Objekten sowie Charakteren interagieren können. Darüber hinaus verspricht man für die Kampagne noch die eine oder andere Überraschung, die ein paar Aspekte des Spiels verständlicher machen soll.

Die Entwicklung des Spiels wird durch die Film- und Medienstiftung NRW gefördert. Erst dadurch war es nach Angaben von Hekimoglu überhaupt erst möglich, in diesem Maße an dem Spiel zu arbeiten, wofür man sehr denkbar sei. Für den Erhalt einer Förderung braucht man einerseits ein tolles Konzept, andererseits eine Kostenkalkulation: "Für uns war es im Endeffekt nicht ganz so einfach, da wir in diesem Zuge zunächst unser Studio gründen mussten, und damals insbesondere im Bezug auf den bürokratischen Teil (alles was mit der Kostenkalkulation, der Firmengründung, etc. zu tun hat) noch nicht so erfahren waren."

Des Weiteren befindet man sich zur Zeit im Gespräch mit ein paar bekannten Unternehmen aus der Branche hinsichtlich einer etwaigen Zusammenarbeit. Grundvoraussetzung dafür sei allerdings die Freiheit und Unabhängigkeit in Bezug auf den kreativen Prozess der Entwicklung, die man keineswegs aufgeben möchte. Dieser Aspekt ist den Entwicklern besonders wichtig und deswegen hat man sich letztendlich für eine Kickstarter-Kampagne entschieden.

In diesem artikel

Harold Halibut

PS4, Xbox One, PC

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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