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Forza Motorsport 7 - Test

Das Letzte seiner Art.

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Die letzte Karriere-getriebene Arcade-Sim leistet sich außer bösen Loot-Boxen keine Aussetzer und baut konservativ auf dem eigenen Erbe auf.

Alle Rennspiele suchen sich gerade ihre Nische, nur einer fühlt sich scheinbar genau da pudelwohl, wo er sich seit mittlerweile sieben Teilen und einem Dutzend Jahren herumtreibt: Forza. Es ist ein wenig der letzte Saurier der Ära von Rennspielen, die mit Gran Turismo begann. Und nun bleibt nur noch Forza, wenn sich GT Sports in die Multiplayer-E-Sport-Arena verabschiedet. Aber verzagt nicht - außer ihr habt nur eine PlayStation -, denn die Nummer sieben hält das Banner der Arcade-Sim aufrecht, die jeder mit jedem Auto gegen jedes andere Auto spielen kann.

Wenn es auf er 'ollen' One S und 1080p schon so gut aussieht, wie wird das erst in 4K auf der One X? Sind wir so viel visueller Schönheit überhaupt gewachsen?

Das ist auch der größte Reiz und vor allem einer, den viele Rennspiele zugunsten von mehr Realismus bei der Auswahl des Rennfeldes aufgegeben haben. Ihr könnt ein 1940er Ford DeLuxe Coupe oder einen Ford Escort aus den 70ern nehmen und im freien Rennen der Super-Klasse auf den höchsten Tuning-Stand schrauben und gegen alles antreten, was sich auch auf diesen Stand bringen lässt. Was jedes andere Auto wäre, denn Forza bricht am Ende des Tages alles auf einen Vergleichswert runter. Das hat dann zwar nicht mehr viel mit den ursprünglichen und realen Werten und Eigenschaften dieses Autos gemein, aber was soll es. Oldtimer vs. was auch immer ein Radical RXC Turbo genau sein mag, warum nicht? Es ist am Ende nur ein Videospiel.

Das nicht zu vergessen, ist ebenfalls eine Stärke von Forza. Wer wirklich und echt Auto fahren möchte oder zumindest auf der Suche danach ist, fängt nicht hier an, sondern bei Project Cars, Assetto Corsa oder iRacing. In Forza geht es um das Gefühl, ein echtes Rennen zu fahren und wenn ihr alle Assistenten abschaltet und euch auf die Physik einlasst, dann findet ihr hier ein Modell, dass keineswegs nur Arcade ist, sondern mit einem gewissen Anspruch und Perfektionswillen an alles herangeht. Ihr habt die Telemetrie, das Feintuning in all seiner Tiefe und was dazugehört, aber die wirkliche Kunst besteht darin, das alles ein wenig zu vergessen und den Spieler auf dem Kurs machen zu lassen. Die Bandbreite ist dabei endlos: Schaltet alle Assistenten an und ihr seid fast im Autopilot. In zig Abstufungen und Optionen findet hier jeder den Spaß, den er haben möchte, sei es der Schwierigkeitsgrad der KI, das Fahrverhalten oder das - wie immer fast rein interne - Schadensmodell. Tut so, als würdet ihr gut Autorennen fahren oder fahrt sie tatsächlich gut, wie es euch Spaß macht. Dieses nicht ganz frische Konzept wirkt fast schon wie ein Gegenentwurf zu Slightly Mad Studios oder Codemasters, dessen "Gamer-Level" in Dirt 4 nicht annährend so vergebend sein kann, wie Forza 7, wenn ihr es möchtet. Die Arcade-Sim driftet aber auch nicht komplett in das Arcade eines Forza Horizon 3 ab, es ist dieses sich elegant spielende Mittelfeld zwischen den beiden Polen.

So sehr ich das ATV als Fahrzeug hasse, ich mag den Überblick, den man im Cockpit hat.

Denkt aber nicht, dass es zu einfach wird - außer natürlich ihr stellt es so ein -, denn die Drivatar-KI ist wieder dabei und hat sogar gelernt, sich zu benehmen. Ihr habt einen Regler, ob sie aggressiv fahren darf und noch mehr schubsen, als sie das eh schon tut. Lasst ihr diesen aber aus, bekommt ihr nun ein deutlich konsistenter fahrendes Feld, was die Eigenheiten, die es sich von realen Spielern abgeguckt hat, etwas in den Hintergrund rückt, vor allem die Ausrutscher. Schon auf dem mittleren Level jedoch merkt ihr, dass es in den späteren Rennen eines Turniers nicht mehr reicht, in jeder Kurve einfach nur ein wenig im gelben Bereich der Idealkurve zu fahren. Das tun die ersten acht Autos auch und so wird die obligatorische Aufholjagd aus dem Mittelfeld über die in der Kampagne nicht sonderlich langen Rennen hinweg anspruchsvoller als zuvor. Geht ihr dann hoch, müsst ihr richtig kämpfen und ziemlich perfekt fahren, um überhaupt aufs Treppchen zu kommen. Ein Gummiband gibt es bei den Drivatars übrigens nicht: Die realen Vorbilder warteten schließlich auch nicht auf Leute, die mal wieder in einen Reifenstapel donnerten. Genauso wenig gibt es aber fahrerische Perfektion: Wer allergisch dagegen ist, dass die KI sich schon mal ein wenig dusselig anstellt, wird hier alle paar Rennen Grund zu mäkeln haben, vor allem im mittleren und hinteren Fahrerfeld geht es manchmal etwas wüst zu, während vorne eher Disziplin herrscht. Das ist inzwischen Teil von Forza, es wurde abgemildert und geschliffen, aber es ist keine fehlerfreie Ideallinien-KI. Und genau dafür liebe ich den Drivatar bis heute.

Mehr 'Fantasy'-Strecken wie Prag oder Dubai bitte.

Die Karriere ist bei dem Konzept natürlich ein wichtiger Teil und definitiv der, in dem Forza 7 heller scheint als praktisch alle Konkurrenten. Nummer sieben geht dabei etwas weniger konventionell vor, als noch Teil sechs, in dem ihr euch recht konventionell von hochgezüchteten Kleinwagen über eine lange Spielzeit bis zu den Super-Cars vorgearbeitet habt. Hier gibt es etwas mehr als ein halbes Dutzend Gruppen. In jeder habt ihr bis zu 15 kleine Rennserien und Events, die sich aber sehr gründlich voneinander unterscheiden. Schon in der ersten Runde habt ihr die Wahl zwischen frühen 80er und 90er Super-Cars, 4x4-Buggys, American Muscle und einigen mehr, dazu kommen Events, wie mit einem Audi-Rennwagen in einem gestaffelten Start gegen eine Reihe etwas preiswerterer Audis anzutreten und zu gucken, ob ihr sie vor der Ziellinie alle überholen könnt. Langeweile kann da eigentlich kaum aufkommen, zumal ihr ja immer noch den freien Modus habt, in dem ihr alle Strecken und Autos vom Start weg für frei definierbare Einzelrennen zur Verfügung habt. 50 Runden in Dubai bei Nacht? Kein Thema, wenn ihr den Abend sonst nichts vorhabt. Und so gestählt geht es dann wieder in den Karrierezirkus zurück.

Die Zahl der Strecken und vor allem der Autos wurde erwartungsgemäß dramatisch erhöht. 700 sind's und ja, alle haben ihr Cockpit für die entsprechende Perspektive. Wie gesagt, in dem freien Modus müsst ihr euch über die Preise dieser Wagen keine Gedanken machen, in der Karriere jedoch kann Sammelwut ganz schön ins virtuelle - und bei Ungeduld auch reale - Geld gehen. Ihr bekommt oft genug auch so neue Autos bei Levelaufstiegen und in Events, es fällt genug Geld bei den Rennen ab, um zumindest immer irgendein taugliches Autos für eine bestimmte Serie zu kaufen und müsst ihr nur selten, wenn überhaupt, grinden, um weiterzukommen. Aber es ist natürlich auch so, dass jeder von uns manche Autos einfach braucht und mein angestrebter Ferrari-Fuhrpark ist noch weit weg von dem, was ich mir bisher erfahren konnte. So ein 250 GTO geht halt ins Geld.

Drift-Challenges sind eine immer gern gesehene Abwechslung.

Was uns zum unschönsten Aspekt bringt: Loot-Boxen und Echtgeld. Ja, es gibt jetzt auch hier Loot-Boxen und ehrlich gesagt reicht es. Es ist in Multiplayer-Shootern schon eine Seuche, aber hier kosten die Dinger richtig Punkte und mit dem erspielten Geld werdet ihr euch nicht so oft eine gönnen. Wenn ich dann aber bei einem Vollpreisspiel auch noch am Glücksrad drehen muss und dann wieder mit irgendeiner Karre aus der Lootbox dastehe, die ich nie haben wollte, ist es langsam gut. Bei anderen unverschämten Sportspielen sehe ich wenigstens noch, was ich kaufe. Lootboxen sind hiermit offiziell auf Eurogamer geächtet. Bäh. Wenigstens scheint es derzeit so, dass ihr euch alles auch im Spiel erspielen könnt, alles hat einen In-Game-Preis. Sollte sich das nach dem Launch noch ändern, gibt es hier dazu ein Update.

Böse, böse Lootboxen!

Aber zurück zu erfreulicheren Dingen und wie gesagt, irgendeinen Untersatz zum Fahren habt ihr immer und auch so - wäre ja schlimm, wenn nicht. Die Streckenauswahl könnte allerdings deutlich mutiger sein. Forza 7 will den Spagat zwischen der Hardcore-Sim und der Arcade, aber bei der durchaus stattlichen Anzahl der Strecken ist nicht viel spannendes dabei. Außer natürlich ihr findet eine reale Rennstrecke spannend. Sicher, Suzuka ist immer ein Klassiker, Circuit of the Americas geht immer und Le Mans sowieso. Nur die Fantasy-Tracks machen sich wieder extrem rar. Ihr habt Dubai als das große Highlight, dass euch von der Stadt in die Wüste und zurück bringt, Maple Valley ist ein Klassiker der Reihe und Prag kehrt zurück. Aber drei von über 30 ist zu wenig. Sicher, hier geht es um Geschmack, aber während ich in einer Simulation wie Project Cars und Co. auch die Stercken simuliert sehen möchte, will ich in einem Spiel, dass sich eh schon die Freiheiten nimmt, die es braucht, mehr von der Showcase-Action haben, die Dubai so glamourös und in Perfektion zeigt. Forza kann das so gut, wenn es sich doch nur traute.

Was es sich nun traut ist sich dynamisch veränderndes Wetter. Bei Sonne starten und im Regen ankommen gibt es nun endlich, auch wenn Project Cars 2 in Sachen Wettermodell und Auswirkungen auf die Fahrphysik erwartungsgemäß deutlich vorn liegt. Forza lenkt sich bei nasser Piste schon etwas anders, aber der Unterscheid ist nicht so dramatisch wie beim Konkurrenten oder der Realität. Damit habe ich kein Problem, alles andere würde der Designphilosophie von Forza zuwiderlaufen.

'Man wird ja noch mal ein wenig schubsen dürfen...' dachte sich die KI.

Schön aussehen tut dabei jedes Wetter. Wie auch die Fahrphysik ist der Look von Forza 7 nicht realistisch. Farben leuchten kräftiger, Wasser und Lack spiegelt stärker, die Sonne scheint etwas heller und das Gras ist nicht nur auf der anderen Seite grüner, auch auf eurer. HDR übernimmt das Ruder und selbst wenn ihr das nicht habt, selbst auf lumpigen 1080p auf einer alten Xbox One S sieht dieses Spiel so dermaßen gut in seinen stabilen 60 FPS aus, dass es fast unanständig ist. Was ich auf der One X mit 4K sah ist noch mal ein Sprung und rein im Look hat Forza 7 derzeit keine echte Konkurrenz. Womit es auch eine wichtige Funktion eines Rennspiels mit Bravour bewältigt, nämlich die Konsole gut aussehen zu lassen. Selbst wenn ihr mit Racing sonst nichts am Hut habt, das könnte ein Grund sein es zu kaufen, schließlich will man, dass die eigene Konsole vor Freunden gut aussieht. Vor allem, wenn man mit ihnen zusammenspielt.

Im Multiplayer habt ihr auf der Xbox einen horizontalen Split-Screen, was schon mal immer ein Bonus ist, vor allem, wenn er so sauber läuft wie hier. Diesen Modus gibt es wohl aber nur auf der Xbox, nicht auf dem PC. Zur PC-Version kann ich eh noch nicht viel sagen. Außer, dass der Windows-Store nach wie vor eine Seuche ist und ein allgemeiner Feldversuch zur Entschleunigung des hektischen Gamer-Lebens. Nach jetzt vier Tagen hat er mit inkonstanten Geschwindigkeiten von mal hundert Kilobyte bis hoch auf mächtige 3,6 Mbit nebenbei immerhin 80 Prozent der 100 Gigabyte geladen - immerhin wurde der Download bisher noch nicht abgebrochen. Die Xbox war nach einer Nacht mit ihren 80 Gigabyte fertig... Über die weiteren Multiplayer-Modi lässt sich noch nicht so viel sagen, weil die meisten Dinge einfach noch nicht laufen. Die grundsätzliche Technik steht und funktioniert so gut wie eh und je bei Forza, das zeigen die Einzelrennen, aber von Turn 10s großen Plänen ist noch nicht viel anklickbar, inklusive der Turnier-Modi. Soll einiges kommen, ist noch nichts da. So ähnlich wie der Echtgeld-Shop.

In 4K könnte ich jetzt die Hot-Dog-Verkäufer auf den Rängen sehen.

Forza 7 bleibt stehen, während der Rest der Racing-Welt in alle Richtungen davonstiebt, jeder in seiner eigenen Ecke auf der Suche nach eigener Perfektion. Was Turn-10s-Flaggschiff wohl dann zum letzten Verteidiger der einsteigerfreundlichen, Karriere-getriebenen Arcade-Sim macht, an der auch Fortgeschrittene und Pros dank endloser Optionsvielfalt ihre Freude haben werden, wenn sie sich dem Geschwindigkeitsgefühl hingeben wollen. Es ist Autoliebe in vollendeter Schönheit mit einem intelligenten Karrieremodus, einem solide gewachsenen Fahrzeug- und Streckensortiment - wobei letzteres in Zukunft gerne mehr dem Weg von Dubai und Prag folgen darf und die realen Rennstrecken etwas mehr den Sims überlassen sollte. Auf die Lootboxen dagegen darf es gern ganz verzichten, aber sonst leistet sich Forza 7 keine größeren Schnitzer. Es ist aber auch so, dass die viele Konkurrenz überall mit ihren eigenen Stärken glänzen kann, während Forza 7 nun an dem Punkt ankam, der Stärke und Schwäche gleichzeitig ist: Es ist halt Forza und macht, was es immer machte. Das ist sehr schön - wortwörtlich -, vertraut, ausgereift und durch und durch solide. Aber wie aufregend ist es noch? So sehr wie das nächste FIFA?

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Forza Motorsport 7

Xbox One, PC

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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