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Blade Runner 2049 - Filmkritik (spoilerfrei)

Gut. Und jetzt als nächstes Dune.

Regie: Denis Villeneuve
Buch: Hampton Fancher, Michael Green
Darsteller: Ryan Gosling, Harrison Ford, Ana de Armas, Sylvia Hoeks, Jared Leto

Nicht so prägend und umwälzend wie der Vorgänger - aber der bessere Film

Okay, ich lege mich fest: Denis Villeneuve ist aktuell der spannendste Regisseur in Hollywood. Wenige andere springen so gekonnt zwischen Genres und liefern dabei dermaßen runde Filme ab wie er.

Nicht jedes seiner Werke muss man gleich gernhaben. Aber jedes einzelne von ihnen muss man respektieren. Enemy mit Jake Gyllenhaal kanalisiert Lynch und Cronenberg zu einem Mindfuck, den nicht jeder kopfwippend mitgehen wird. Prisoners nickt in Richtung eines Fincher-artigen Thrillers, der nicht nur an der Psyche des Täters, sondern vor allem an der der Opfer interessiert ist und waghalsig und an die Nieren gehend Grenzen auslotet. Sicario ist ein Drogenkartell-Film der Marke Traffic, nur nicht ganz so Soderbergh-trocken und mit einer Finsternis verhangen, die in jede Ritze dringt.

Und Arrival - puh... ohne Frage Villeneuves emotionalster Film - bekam es unter der Tarnkappe eines langsamen, intelligenten Science-Fiction-Films hin, dass seine nichtsahnenden Opfer am Boden zerstört und zugleich hoffnungsvoll den Wert des Lebens neu bewerteten. Villeneuve hat Präzision ohne emotionale Unterkühlung, Bandbreite ohne Verwässerung bewiesen. Jetzt also der Nachfolger zum wohl prägendsten Science-Fiction-Film der Neuzeit - was kann da schon schiefgehen?

Es spricht für den Frankokanadier Villeneuve, dass er vor einer solchen Herausforderung nicht zurückschreckt. Schaut man sich das Resultat an, muss man aber zu dem Schluss kommen, dass er von Anfang an den richtigen Weg gekannt haben muss, um die Fortsetzung zu einem Erfolg zu machen. Tatsächlich ist Blade Runner 2049 in meinen Augen sogar der bessere Film. Das Original bewundere ich eher, als dass es ein großer Genuss für mich wäre, es zu schauen. Scott inszenierte stilsicher und visionär, war aber anders als die Noir-Filme, die Blade Runner zu Grunde lagen, zu keinem Zeitpunkt an dem Fall interessiert, den Harrison Fords Replikantenjäger Rick Deckard vor der Brust hatte. Stimmung schlug Plot, Vision die Charakterentwicklung.

Mausert sich Dave Bautista etwa zum wandlungsfähigen Charakterdarsteller?

Villeneuve wetzt genau diese Scharte aus, während er mit großer Selbstverständlichkeit die Welt des Vorgängers 30 Jahre in eine Zukunft der Zukunft versetzt, die sich nahtlos und folgerichtig an Scotts Film anfügt. Ryan Goslings lapidar "K" genannter Blade Runner darf richtig ermitteln, sich an die Lösung eines Problems machen und eine Wandlung durchleben, anstatt uns gefühlte Stunden dabei zuschauen zu lassen, wie er ein bisschen gelangweilt auf Monitore starrt und sich im Scharfstellen verschwommener Videoaufnahmen ergeht. Die Handlung selbst werde ich hier im Einzelnen nicht aufdröseln. Nur so viel sei gesagt: Auch wenn der Film am Ende des zweiten Drittels gefährlich in eine in diesem Genre bereits mehrfach zur Genüge abgeschrittene Richtung spaziert, muss man ihm zu Gute halten, dass er bei diesem Vorgänger eigentlich nicht anders konnte. Es ist die logische Schlussfolgerung einer Mythologie um selbstständige, aber künstliche Organismen, die sich als Lebewesen zweiter Klasse ein unerträgliches Maß an Entwürdigung gefallen lassen müssen.

Auf dem Weg zu dieser auf den ersten Blick vielleicht etwas bequemen Enthüllung - die zum Glück auch nur eine Station auf dem Weg zum immens befriedigenden Finale darstellt - schlägt der Film trotzdem genügend Haken, um nie offensichtlich oder plakativ zu wirken. Er nähert sich aus verschiedenen Winkeln derselben Frage nach dem Menschlichsein wie der Vorgänger, tut das aber nahbarer und nachfühlbarer und verleiht der Welt des Originals dabei noch die eine oder andere interessant ausformulierte oder weiter gedachte Facette. Während man bei Deckard nur mit viel Wohlwollen den Verdruss über seinen Job und den Stand der Dinge ansah, beschäftigt K das Verhältnis zwischen lebendigen und scheinbar(?) lebendigen Wesen auf verschiedenen Ebenen deutlich intensiver. Dass all das noch in eine faszinierende Schnitzeljagd verpackt ist, während einem Deakins' sprachlos machende Bildkomposition, ein Szenenbild vom anderen Stern sowie einer der besten Hans Zimmer Scores überhaupt die Sinne massieren, lässt die 164 Minuten zwar nicht wie im Flug, aber deutlich schneller vergehen als die 117 des Originals.

Die Entdeckung des Films - neben der, dass Harrison Ford es doch noch kann, wenn er denn Lust hat - dürfte unter anderem Dave Bautista sein, der als Sapper Morton in nur ein paar Minuten zeigt, dass Wrestler mehr können als nur Bildschirmpräsenz und Charme (Hallo, Herr Rock!). Der ansonsten auf B-Actionfilme und den rabiaten Comic-Relief-Charakter Drax the Destroyer in Marvels Guardians of the Galaxy abonnierte Ex-Catcher verblüfft in seinen wenigen Momenten mit echtem dramatischen Talent. Auch die Schweizerin Carla Juri, die einige vielleicht aus "Feuchtgebiete" kennen, den sie selbstverständlich nicht gesehen haben, holt viel gedankenverlorene Zerbrechlichkeit aus nur zwei Szenen.

Im Grunde kann man an jeder Stelle des Films auf Pause drücken und man hat seinen Desktophintergrund für die nächste Zeit.

Von Robin Wright und Ryan Gosling gibt es ebenso gewohntes wie gekonntes Understatement, das mal wieder ein Schippchen zur landläufigen kriminellen Unterbewertung dieser beiden beitragen wird, während Jared Leto als exzentrischer Replikantenproduzent Niander Wallace ein paar prätentiöse Spitzen liefert, die ich dem Film ein wenig übel nahm. Immerhin: Wen, wenn nicht ihn soll man sich für so eine Rolle holen? Insofern: perfektes Casting, den Bock hat das Drehbuch geschossen. Der eine oder andere wird dies Darbietung lieben. Ansonsten bleibt Blade Runner ein bis in die Nebenrollen ein fabelhaft besetzer Film: Wallace' rechte Hand Luv (Sylvia Hoeks) ist richtiggehend gruselig, während Ana de Armas als Ks Lebensgefährtin und Lieblichkeit in Person Joi die perfekte Gegenposition bezieht. Mittendrin zwischen diesen beiden Extremen: Mackenzie Davis (Halt and Catch Fire), die Daryl Hannah aus dem Original wie aus dem Gesicht geschnitten ist.

Trotz all seiner Stärken und der unbeschreiblichen Schauwerte wird auch 2049 wieder nicht für jedermann sein. Das Tempo, das heutige Filme gehen, ist einfach ein anderes, die Aussicht auf die Welt von morgen ist verflixt deprimierend und nicht jeder ist Filmen, die sich in ihrer eigenen Stimmung suhlen, zugetan. Dass erste Einspielergebnisse (nur 31,5 Millionen am ersten Wochenende) den Film als vergleichbar schwach gestartet darstellen wie das Original noch 1982, lässt darauf schließen, das Blade Runner eine Kultmarke ohne Franchise-Appeal bleibt. Vielleicht wagt in 35 Jahren mal wieder jemand eine Fortsetzung, die denjenigen von uns, die dann noch da sind, vorher ordentlich die Knie schlottern lässt. Wenn wieder so ein Film dabei herauskommt wie Blade Runner 2049, wird sich die Wartezeit gelohnt haben.

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