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Life is Strange: Before the Storm Episode 2 - Kollateralschäden

Wenn alles in Flammen steht.

Ich mag Prequels. Eigentlich. Zumindest kann ich mich mit der Idee anfreunden, auch wenn das ein gerne mal sehr kontrovers diskutiertes Thema ist. Aber das ist ja das Schöne an der eigenen Meinung: Sie ist fließend und man muss nicht alles mögen. Meine kindliche, jugendliche Faszination für die Star-Wars-Episoden 1 bis 3 ist etwa weitestgehend verflogen und ich betrachte sie heute nüchterner, kritischer als damals. Wohingegen ich mich mit der Star-Trek-Prequel-Serie Enterprise selbst heute noch sehr gut anfreunden kann. Und Life is Strange: Before the Storm? Nun, ich weiß es noch nicht so richtig.

Ich bin ganz ehrlich, wenn ich sage, dass der Funke bei mir bislang noch nicht so richtig übergesprungen ist. Klar, Before the Storm versprüht diesen gewissen Life-is-Strange-Charme, der den ersten Teil mit ausmachte, aber es fehlt hier das Unerklärliche, das Übernatürliche, das Bedrohliche. Stattdessen ist das hier im Grunde ein ganz gewöhnliches Teenager-Drama rund um Chloe Price und ihre Freundin Rachel Amber, die, wie wir ja alle wissen, später verschwindet.

Also bemüht sich Before the Storm vielmehr darum, ein paar Lücken in der Vergangenheit zu füllen, was in Brave New World nicht anders ist. Analog zum Ende der ersten Episode steht die Welt um Chloe und und Rachel herum mehr oder minder buchstäblich in Flammen. Es entsteht das Gefühl, dass beide sich überwiegend nur noch mit sich selbst befassen, in ihrer eigenen kleinen Welt leben und der Rest verfällt zur Nebensache.

Ärger droht.

Dieses Gefühl spiegelt sich ebenso im Gameplay wider. Alles, was rund um die beiden Hauptprotagonistinnen herum passiert, scheint nicht wirklich wichtig zu sein. Und so fühlt es sich letzten Endes leider an. Auf einem Schrottplatz irgendwelche Gegenstände zu suchen, zählt jetzt nicht unbedingt zu den Spielspaßhöhepunkten. Oder wenn ich mit ihr für Frank Schulden eintreiben soll und dann mitbekomme, wie der Schüler vor seiner Tür verprügelt wird, ist mir das irgendwo ziemlich schnuppe, selbst wenn das Spiel versucht, mir ein anderes Gefühl zu vermitteln. Und egal wie sehr ich David zurechtweise, ich weiß, dass er in Life is Strange am Anfang noch immer dieses Arschloch ist.

Und genau das ist gewissermaßen das Problem. Chloe trifft ihre Entscheidungen - oder viele davon - meist mit Rachel im Hinterkopf. Der Rest fühlt sich wie ein Nebenschauplatz an, wie Kollateralschäden, die man zwar mitunter bedauert, doch im Endeffekt sind sie einem dann doch egal. Oder ihr wisst eben, dass sich später nichts an einer Situation ändern wird. Shit happens. Das Leben geht weiter.

Auch eine Art, seinen Aggressionen freien Lauf zu lassen.

Im Gegenzug vermittelt Before the Storm aber recht gut, warum Chloe und Rachel so gut miteinander auskommen, wie sich ihre Freundschaft entwickelt. Sie scheinen exakt auf derselben Wellenlänge zu harmonieren, haben beide die Schnauze voll von Arcadia Bay und wollen einfach nur weg von dort. Für sich selbst sind sie jeweils eine Art Rettungsanker, der sie davor bewahrt, komplett am Rad zu drehen, weil ansonsten scheinbar alles schiefläuft. Ein Ventil, bei dem sie Dampf ablassen können. Wie weit ihre Beziehung geht, ob sie nur freundschaftlich oder doch mehr ist, was Life is Strange noch offen ließ, bestimmt ihr übrigens selbst.

Aber das alles hängt wiederum von euren Entscheidungen ab, von denen hier wieder einige gefragt sind. Mehrmals zum Einsatz kommt außerdem Chloes Backtalk-Fähigkeit, eine Art Rededuell à la Monkey Island, selbst wenn hier niemand wie eine Kuh kämpft - aber im Grunde ist es ja dahingehend ähnlich, dass ihr die passende Antwort finden müsst, damit ihr euch durchsetzen könnt. Gerne hätte man das Ganze noch mehr verwenden dürfen, denn es macht durchaus Spaß, diese Auseinandersetzungen zu spielen. Es ist ein befriedigendes Gefühl, sich mit Worten aus einer schwierigen Situation zu kämpfen und die Oberhand zu gewinnen.

Ein bisschen Shakespeare schadet nie.

Wie sich die diversen Entscheidungen am Ende auswirken? Nun, wer weiß... Wie gesagt, wissen wir ja schon, was als nächstes passieren wird. Rachel verschwindet und Max kehrt zurück. Das raubt Before the Storm in gewisser Weise etwas von seiner Zugkraft, wenn es um Entscheidungen geht, zumindest im Vergleich zu seinem Vorgänger. Wo Life is Strange noch in größeren Dimensionen dachte, konzentriert sich Before the Storm mehr auf etwas Kleineres. Das macht es alles in allem nicht weniger unterhaltsam. In gewissen Momenten spielt Before the Storm klar auf demselben Niveau wie Dontnods Erstlingswerk, in anderen Situationen frage ich mich hingegen, ob ich das jetzt wirklich brauche. Und es würde mich nicht wundern, wenn es am Ende genau darauf hinausläuft: Ein Prequel, das zwar viele neue Hintergrundinfos und ein paar schöne Szenen bietet, aber hat mir das jetzt wirklich gefehlt? Momentan ruft Before the Storm in mir noch nicht das Gefühl hervor, dass ich irgendwas vermissen würde, wenn es nicht existierte. Vielleicht ändert sich das ja noch mit Episode 3.

Entwickler/Publisher: Deck Nine Games / Square Enix - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 15 Euro (Für alle Episoden) - Erscheint am: erhältlich (Episode 1 und 2, eine weitere Episode folgt später)- Sprache: Englisch, Deutsch (Untertitel) - Mikrotransaktionen: Nein

In diesem artikel

Life is Strange Before the Storm

PS4, Xbox One, PC

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

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