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Rise of Industry: Der Industriegigant findet eine würdige Fortsetzung

Im Gespräch mit Lead Designer Alex Mochi.

Erinnert ihr euch noch an "Der Industriegigant"? Die von Jowood entwickelte Wirtschaftssimulation erschien im Jahr 1997 und war für das Unternehmen ein voller Erfolg, woran der 2002 veröffentlichte Nachfolger jedoch nicht anknüpfen konnte. Und nun, 20 Jahre nach dem Debüt des ersten Teils, arbeitet ein kleines Team unter dem Namen Dapper Penguin Studios an einer spirituellen Fortsetzung. Vielleicht habt ihr davon schon mal unter dem Namen Project Automata etwas gehört, aber mittlerweile heißt das Spiel Rise of Industry.

Das Studio beschäftigt mehrere Veteranen der Industrie, die zuvor etwa bei Blizzard und Trion gearbeitet haben und gemeinsam eine jahrzehntelange Erfahrung vorweisen können. Rise of Industry soll vor allem diejenigen ansprechen, die in den 90ern aufgewachsen sind und zahllose Stunden mit Tycoon-Spiel verbracht haben. Aber natürlich will man gleichermaßen Neueinsteiger für das Genre begeistern.

Wie im Vorbild übernehmt ihr in Rise of Industry die Rolle eines Unternehmers, baut Fabriken, errichtet Transportwege, baut Rohstoffe und stellt Produkte her, um diese dann an die umliegenden Städte zu verkaufen. Keine leichte Sachen, denn die zahlreichen Produkte erfordern unterschiedliche Rohstoffe und Bestandteile, die ihr erst mal besorgen und herstellen müsst. Am Ende entsteht so ein kompliziertes, miteinander verzahntes Konstrukt, bei dem ihr immer weiter an der Optimierung arbeiten könnt, wobei ihr die Konkurrenz natürlich nie aus den Augen lassen solltet.

Schöpfer und Lead Designer des Spiels ist Alex Mochi, mit dem ich über die Entwicklung des Projekts sprach. Schon als Kind beschäftigte er sich mit IT und der Entwicklung, freischaffender Entwickler wurde er schließlich vor fünf Jahren, bevor es für ihn an der Zeit war, sich einem eigenen, großen Projekt zu widmen.

"Ich wuchs mit Maxis- und Jowood-Spielen auf und war erstaunt, dass im letzten Jahrzehnt nicht eine industrielle Wirtschaftssimulation entwickelt wurde, daher sagte ich mir selbst: 'Nun, wenn es sonst niemand macht, kann ich es gleich selbst machen.' Das Ganze war als Zwei- oder Drei-Mann-Projekt für ein paar Monate geplant, aber nun arbeiten wir schon zu sechst seit fast zwei Jahren daran. Es dauert ein weiteres Jahr bis zum Release, wir haben zwei neue Rekruten und der Umfang ist noch immer enorm. Ganz oder gar nicht, nehme ich an", sagt er im Gespräch mit Eurogamer.de.

Aber das Wichtigste zuerst: Woher kommt eigentlich der Name Dapper Penguin Studio? "Meine Verlobte hat mich jahrelang am PC gesehen. Ich kam spät ins Bett und verbrachte viel Zeit vor einem Monitor. Da sie Zoologin ist und Pinguine ihre Lieblingstiere sind, wollte ich ihr den Studionamen widmen. Der "dapper"-Zusatz kommt daher, dass Pinguine mit Zylindern und Monokeln gleichermaßen niedlich und albern aussehen. Also warum nicht?"

Als primäre Inspirationsquelle für Rise of Industry nennt er Der Industriegigant 2, obwohl auch Factorio und Anno ihn auf Ideen brachten. Zwar werde das Spiel aufgrund seines Looks gerne mal mit OTTD oder SimCity verglichen, aber hier geht es mehr um Produktionslinien und nicht einfach nur darum, seine Waren von A nach B zu bringen oder hübsche Vorstädte zu erschaffen.

Ursprünglich versuchte das Team sein Glück mit einer Kickstarter-Kampagne, die ihr angestrebtes Ziel jedoch deutlich verfehlte.

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"Der Misserfolg auf Kickstarter war extrem demütigend. Wir dachten, dass wir ausreichend Marketing hätten und die Community uns wohlgesonnen wäre, aber wir lagen sowas von falsch. Dass wir nach einem Monat nur 10 Prozent unseres Ziels erreicht hatten, war ein sehr harter Schlag", erklärt er.

Er blieb aber hartnäckig, stellte weitere Mitglieder für das Team ein und man setzte die Entwicklung erst mal fort. Später fand man dann mit Kasedo Games, dem Digital-Label von Kalypso, einen Partner. Mochi ist überzeugt, dass seine und die Hartnäckigkeit des Teams dazu beigetragen hat, diesen Partner zu finden. Denn am Ende zeige es, dass man wirklich an sein Projekt glaubt, was ihm zufolge heutzutage nicht nur in der Industrie selten vorkommt.

Mit Kasedo tauscht man sich demzufolge fast auf täglicher Basis aus und spricht darüber, wie man das Spiel bekannter machen oder besser designen kann: "Patrick (unser wichtigster Kontakt bei Kasedo) spielt das Spiel aktiv und teilt uns seine Meinung mit, selbst in seiner Freizeit (danke, Pat!). Mit ihm als Partner fühle ich mich sehr sicher."

Trotz des Kickstarter-Misserfolgs hat man aber einiges daraus gelernt, zum Beispiel dass man nie genug Marketing haben kann und immer was zu sagen haben sollte.

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"Leider wird die Presse heutzutage mit Anfangen überschwemmt (da mittlerweile wirklich jeder ein Spiel entwickeln kann), daher ist es wirklich schwierig, aus der Masse hervorzustechen. Man muss jemanden finden, der den Finger am Puls der Zeit hat. Ein weiterer Tipp ist, dass man konstant und transparent ist. Ein paar Mal pro Woche (oder noch besser: täglich) sollte man mit der Community und seinen Followern interagieren. Sie sind diejenigen, die den eigenen Traum wahr werden lassen, also sollte man sie respektieren und ihnen interessante Details geben. Nicht übertrieben viel, aber man sollte versuchen, immer etwas zu sagen zu haben", erläutert er.

Für Anfang 2018 ist nun eine Early-Access-Phase auf Steam geplant. Der Gedanke daran macht Mochi zuversichtlich, bereitet ihm aber auch Angst: "Wenn ich genauer darüber nachdenke, sind es 1 Prozent Zuversicht und 99 Prozent Angst. Steam ist ein sehr feindseliger Markt. Wenn man unter eine Nutzerbewertung von 70 Prozent fällt, ist es sehr schwierig, sich davon zu erholen. Ich habe keine Zweifel daran, dass das Team und ich ein exzellentes Produkt entwickelt haben, aber... ist es gut genug? Fühlt es sich einzigartig an? Es braucht nur eine Häufung an schlechten Reviews und das war es, man kann das Studio schließen und wieder zum Reparieren von Laptops oder zum Kellnern zurückkehren."

Für jeden Spieler ist die Roadmap der Entwickler auf der offiziellen Webseite einsehbar. Und wie Mochi schon betonte, ist ihm eine gute Kommunikation mit der Community wichtig. Er redet mit ihnen via Discord und per E-Mail, schaut sich Twitter-Umfragen und andere Meinungen an. Dadurch will er vermeiden, den Blick für das Ganze zu verstellen.

"Was im Kopf eines Designers vielleicht Sinn macht, klingt für die meisten Spieler womöglich absurd. Man muss ständig zuhören, ständig. Dabei gilt es, die richtige Balance zu finden und dem ursprünglichen Design treu zu bleiben. Man muss die Seele respektieren, die im Kern des Gameplays steckt, ohne auf jede Anfrage mit "ja" zu antworten. Es ist sehr schwierig, "nein" zu sagen, aber manchmal ist es nötig", sagt er.

Eines der meistgewünschten Features seien Wasserrohre gewesen, da die Spieler es scheinbar nicht so sehr mögen, Wasser per Zug und LKW zu transportieren. Seiner Ansicht nach würde das jedoch das Spielerlebnis verwässern, denn hier geht es vielmehr um Produktionsketten und nicht um Logitik. Für Städtebausimulationen sei das eine gute Idee, für Rise of Industry nicht.

Gelernt hat Mochi den Umgang mit Unity, indem er sich vor Jahren auf YouTube Videos von Quill18 anschaute, den er in diesem Jahr auf der gamescom traf: "In gewisser Hinsicht war er mein Mentor. Ihn persönlich zu treffen und ihm unser Spiel zu zeigen, war nur aufgrund dessen möglich, was er mir beibrachte. Es war so ein tolles Erlebnis", erzählt er. All das, was er gelernt hat, schützt ihn natürlich nicht vor unerwarteten Glitches oder Bugs während der Entwicklung, zum Beispiel Trucks, die dachten, dass abseits der Straße fahren eine gute Idee wäre, oder sich auf der Stelle drehten. Andernorts produzierten Fabriken Kuchen statt Möbel. "Ja, es sind Bugs und sie verlängern die Entwicklungszeit, aber spaßig sind sie dennoch. Vergessen wir nicht den Zug, der gerne Straßen statt Schienen benutzte [siehe rechts]."

Mit den ganzen Produktionsketten und zusammenhängenden Systemen kann so ein Spiel schon mal ein bisschen überwältigend wirken, insbesondere natürlich für Neueinsteiger, die man mit Rise of Industry aber ebenso ansprechen möchte. Hier die richtige Balance zu finden, ist eine große Herausforderung für das Team. Erst recht, weil man eben viele Features geplant hat und den Spieler damit nicht überfordern will.

Hilfreich ist laut Mochi, wenn man bestimmte Features erst später im Spielverlauf einführt, zum Beispiel die Umweltverschmutzung oder Katastrophen. Es sei gefährlich, in einem Spiel, in dem man das perfekte Setup finden und so effizient wie möglich agieren muss, zu viel zu tun zu haben. Zu viele Variablen können sich am Ende als zu frustrierend herausstellen. Außerdem möchte man keinerlei Informationen oder Zahlen verbergen, sondern dem Spieler alles zeigen, damit er die Abläufe nachvollziehen kann.

Das bedeutet aber gleichermaßen, dass es viele Informationen zu sehen gibt. Nach meiner bisherigen Spielerfahrung würde ich etwa noch sagen, dass die Menüs etwas klarer und informativer sein könnten: "Das ist eine knifflige Sache. Ich persönlich mag Tabellen, da sie einem viele Mengen an Daten ohne Füllmaterial zeigen. Schau dir einfach eine von meinen an:"

"Aber die Nutzererfahrung ist sehr wichtig. Aus diesem Grund haben wir einen Mitarbeiter in unserem Team, der den ganzen Tag lang Modelle und Varianten all unserer Menüs erstellt. Das Interface befindet sich in ständiger Entwicklung und nichts ist jemals final. Wir versuchen immer, bessere Wege zu finden, um den Spielern mehr Informationen zu geben.

Was die Zukunftspläne für das Spiel betrifft, so ist er der Ansicht, dass alles, was auf der Roadmap steht, etwa ein Temperatursystem, Jahreszeiten oder ein Tag-Nacht-Zyklus, direkten Einfluss auf die Produktion im Spiel haben sollte: "Ansonsten sollte man es Teil des 'Feature Creep" betrachten (der schlimmste Feind eines Game-Designers)', erklärt er. Die Temperatur hat Einfluss auf das Wachstum der Farmen und zufällige Ereignisse, Jahreszeiten beeinflussen den Bedarf an bestimmten Produkten und ein Tag-Nacht-Zyklus würde visuell zeigen, an welchem Zeitpunkt des Jahres man sich gerade befindet (Mittags wäre es Sommer, um Mitternacht Winter). Um hier die richtige Balance zu finden, sei das Feedback der Community nötig.

Die Maps im Spiel werden übrigens prozedural generiert. Und auch hier stellt sich die Frage nach der Balance, denn schließlich sollen die Spieler auf solch zufallsgenerierten Karten keine Nachteile haben: "Es gibt nahezu 50 verschiedene Variablen, die während der Kartenerstellung berücksichtigt werden. Und wir befinden uns erst am Anfang. Mit der Zeit wird es noch komplexer werden und nur durch ernsthafte Tests können wir 'sweet spots' für die Einstellungen bei der Kartenerzeugung finden."

Absolut wichtig für die Entwickler ist darüber hinaus das Modding, weswegen man diesem Aspekt viel Aufmerksamkeit widmet. Jede Mechanik und jedes Skript im Spiel wird unter Berücksichtigung dessen entwickelt, sagt Mochi. Wer Gebäude ersetzen und so zum Beispiel ein Cyberpunk- oder Fantasy-Setting erschaffen möchte, soll das später tun können. Oder aber neue Ressourcen, Zufallsereignisse, fliegende Fahrzeuge, Hoverboard-Fabrken und so weiter.

"Es wird Minuten dauern, um diese Dinge zu implementieren und sie über den Workshop zu teilen (natürlich nur dann, wenn die Modelle vorhanden sind). Man muss es der Community unglaublich leicht machen und dafür sorgen, dass alles auf eine gewisse Art und Weise verändert werden kann."

Für die Zeit nach dem Release ist außerdem ein Multiplayer-Modus mit kooperativen und kompetitiven Elementen geplant. Dabei solltet ihr an 4X-Spiele wie Civilization denken, erklärt Mochi: "Alle starten das Spiel freundlich, teilen sich die Map auf und vereinbaren Verträge. 'Hey Leute, lasst uns Fahrzeuge herstellen! Ich baue das Fahrgestell, du die Räder und er schraubt alles zusammen und bemalt es.' Das ist schön, denn viele Endgame-Produktionsketten sind unglaublich komplex und teuer, eine Spezialisierung ist daher wichtig. Aber nach einer Weile erkennt man, dass man seinen Avatar nicht mag und behält die ganzen Fahrgestelle, erhöht den Preis oder überflutet den Markt, um ihn aus dem Geschäft zu drängen. Wer weiß, was die Freunde von heute morgen sind. Es gibt viele Wege, das Spiel zu spielen und wir wollen es für alle Arten von Spielern unterhaltsam gestalten."

Und auch wenn die Early-Access-Phase des Spiels erst Anfang 2018 startet, könnt ihr Rise of Industry bereits jetzt spielen, wenn ihr es über itch.io kauft. Die neue Alpha-Version 3 ist seit gestern erhältlich und wenn ihr es dort erwerbt, erhaltet ihr zum Early-Access-Start einen Steam-Key.

In diesem artikel

Rise of Industry

PC, Mac

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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