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Sea of Thieves - Test

Alle Mann an Deck, sonst wird das nichts.

Allein ein Langweiler, mit dem Matchmaking eine Lotterie, mit Freunden ein Spaß. Für ein Weilchen, denn viel zu tun gibt es (noch?) nicht.

Ich habe Sea of Thieves einige Male gespielt, schon bevor ich jetzt die Review-Fassung installierte. Immer nur ein bisschen, aber - immerhin. Bereits bei den ersten zwei, drei Events, auf E3 und Gamescom zum Beispiel, hinterließ das Spiel gemischte Gedanken in meinem Hirn - an mein Herz konnte es sich damals nicht rantasten. Ich war mir je-doch einer Sache zu dieser Zeit relativ gewiss: Solo oder mit Zufallsbekanntschaften könnte das Piratenspiel von Rare seine Probleme bekommen - mit ein paar coolen Freunden vielleicht ein spaßiges Erlebnis werden. Es ist so eine Sache mit solch frühen Impressionen - ihr wisst es ja selbst: Der erste Eindruck zählt, und es nie einfach, den zu widerlegen. Auf der anderen Seite weiß man als Spieletester mit ein bisschen Erfahrung aber auch: Es kann sich immer noch etwas ändern und insbesondere bei Games mit großem Gewicht auf Online-Gaming und Mehrspieler-Features kommt es manch-mal doch ganz anders, als man zunächst dachte. Die gute Nachricht für Sea of Thieves ist: Der erste Eindruck hat sich nicht vollständig bestätigt. Die Schlechte ist: Mein Herz konnte das Spiel nicht erobern, obwohl ich wirklich versucht habe, mich auf die Freibeuterei einzulassen.

Einmal den Kraken erledigen ist das Ziel jedes richtigen Freibeuters! (Sea of Thieves Test)

Bevor ich euch erkläre, warum keine Liebe zu Microsofts Hoffnungsträger aufkommen wollte, vielleicht noch ein paar Grundinfos über das Game, damit ihr auch versteht, wovon ich überhaupt spreche: Sea of Thieves ist ein Online-Freibeuterspiel für Xbox One und PC, bei dem ihr mit bis zu drei weiteren Spielern die Besatzung einer Schaluppe - kleines Schiff, aber wendig - oder Galeone - großer Kahn, mehr Feuerkraft - stellt. Das Ziel: Ihr geht gemeinsam auf Schatzsuche, absolviert Aufträge für drei verschiedene Fraktionen, kassiert Erfahrungspunkte, Gold und andere glitzernde Habseligkeiten. Dabei erledigt ihr die anfallenden Arbeiten an Bord wie Segel setzen, Anker lichten und Navigation als Team. Im Idealfall sprecht ihr all das mit euren bisweilen holzbeinigen Kumpanen per Sprachchat ab und erlebt nebenbei spannende Seegefechte, Stürme, wundervolle Sonnenauf- und Untergänge. Es ist fast malerisch, dieses Piratenleben - wenn doch die ganzen spielerischen Untiefen und Sandbänke nicht wären. Eines der größten Probleme des Spiels kann auch der beste Entwickler nicht lösen - den Faktor Mensch. Hier ein paar Einträge aus meinem Logbuch, die das gut belegen:

Tag 1, raue See:
Ich: "Hey guys, what's up?"
... Stille ...
Ich "Erm, anyone listening? Do you have headsets?"

Die zwei Leichtmatrosen sind plötzlich weg. Ich stehe allein an Bord der Galeone und logge aus, um ein neues Spiel zu finden. Das dauert eine halbe Stunde, weil ich entweder ohne Mitspieler in den Partien lande, oder ... siehe oben.

Atmosphärisch ist das Spiel oft ein Brett, vor allem das Meer ist wunderschön. (Sea of Thieves Test)

Tag 2, tolles Wetter, ruhige See:
Ich: "Hey guys, what's up?"
Antwort: "Fuck You!"
Ich "What's wrong with you?"
Antwort: "Fuck off!"
Ich: "Aye, bye!"

Leider keine Seltenheit, auf solche Halsabschneider zu treffen - aber vielleicht spielen sie ja einfach ihre Rollen perfekt ...

Tag 3, es ist Nacht, die Wellen schlagen im Sturm verdammt hoch - werde ich etwa seekrank?
Ich: "Hi there, let's have fun!"
... Stille ...
Ich: "You're not the talkative bunch, are you?"
Antwort: "Nope."

Zu Seegefechten kommt es seltener als man denken möchte - dann aber kracht es richtig! (Sea of Thieves Test)

Zugegeben, das sind drei ziemlich negative Exempel, die allerdings in relativ kurzer Zeit hintereinander passierten. Oft kam gar keine Mannschaft zusammen. Spieler loggen ein und verschwinden wieder, oft stehen die Leute auch nur stumm rum. Um fair zu sein: In dritten Beispiel hat sich letztlich eine durchaus lustige Spielsession über mehrere Stunden ergeben, zwei meiner Mitspieler boten mir sogar die Xbox-Freundschaft an, die ich gerne annahm. Aber es war irgendwie nur der halbe Spaß, ohne Voicechat zu kommunizieren. Wir sandten nonverbale Nachrichten hin und her, spielten Musik miteinander, holten uns gemeinsam Schätze und betranken uns gemeinschaftlich. Dann hieß es per Textnachricht "Hisst die Segel!" oder "Anker lichten" und schon ging es weiter. Es ist speziell deshalb nur ein halber Spaß, weil ich weiß, wie cool Sea of Thieves in den guten Momenten wirklich sein kann.

Dann nämlich, wenn alle Mitspieler Bock haben, an einem Strang zu ziehen. Wenn jeder eine Aufgabe an Bord der Galeone oder der Schaluppe übernimmt. Wenn man beim Zocken ins Schwärmen kommt, wie toll Rare die Welt und insbesondere das Meer designt hat. Wenn ich gemeinsam mit einem Kumpel (Ahoi, Tobi!) darüber lache, dass wir den Kompass falschrum gelesen haben, während wir versuchen, eine Schatzkiste zu finden. Wenn uns der Kahn unterm Hintern weggeschossen wird, es uns aber egal ist, weil der andere Kumpel mit der einen wertvollen Fracht, die wir dabeihatten, längst über Bord gesprungen ist und sich versteckt hält, bis wir ihn abholen - mit einem brandneuen Schoner. Es bedarf gar keines Seemannsgarns, um viele der witzigen Eskapaden zu erzählen, die andauernd passieren.

Schätze sind das A und O des Piratenlebens, und in Sea Of Thieves ist das nicht anders. (Sea of Thieves Test)

Wenn ich etwa ein Gefecht mit zwei kleineren Schiffen erlebe, in dem wir mehr als hundert Kanonenkugeln verballern, zwischendurch immer wieder selbst getroffen werden, mit Eimern Wasser schöpfen und mit Holzplanken notdürftig die Lecks verschließen. Plötzlich steht ein unbekannter Spieler neben mir, der sich an Bord geschlichen hat und sich und uns gleich mit als Selbstmordkommando in die Luft sprengt. Als wir respawnen und versuchen, unser Schiff wiederzufinden, werden wir von einem anderen Schiff versenkt. Frustriert geben wir auf, in zwei Stunden gesammeltes Diebesgut ist futsch. Aber das gehört wohl zum Freibeuter-Geschäft. No risk - no fun!

Doch so amüsant Sea of Thieves in diesen exzellenten Augenblicken auch ist, dem Spiel fehlt einfach - sorry, kein Wortspiel - der Tiefgang. Spielerisch ist das Ganze relativ seicht. Die Gefechte erfordern weder besonderes Können noch ist die Seefahrt und Navigation anspruchsvoll. Die Schatzsuche wird bald zur Routine, sobald man das System erst mal kapiert hat. Klar, jeder will mal den Kraken sehen - ist mir leider noch nicht gelungen - und natürlich will man in den drei Klassen aufsteigen, Gold sammeln und sich feine Piratenklamotten holen. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die Spielmechaniken sehr schnell abnutzen und zum Trott werden, weil es zu wenig Abwechslung gibt. Die Welt wirkt mir zudem insgesamt zu leblos - es gibt ein paar Fische im Wasser, und den einen oder anderen Hai, es gibt Schlangen auf den Inseln und Hühner oder Schweine. Aber sie sind Mittel zum (Quest-)Zweck, keine wirkliche Bereicherung der Umgebung.

Schatzkarten und geheime Rätsel führen die Freibeuter zu den Schatzkisten. (Sea of Thieves Test)

Sea of Thieves erscheint außerdem in einigen Bereichen nicht komplett durchdacht, ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, dass das alles so geplant gewesen ist. So ist es mir und anderen schon mehrmals passiert, dass ich sofort nach Spielbeginn in der Brig gelandet bin, dem Schiffs-Gefängnis. Die Besetzung entscheidet per Mehrheitsbeschluss, ob und wer dort eingebuchtet wird - vorgesehen ist diese Mechanik eher für Trolle, nicht für motivierte Mitspieler. Viele machen sich allerdings einen Spaß daraus, Neuankömmlinge zu „briggen" und im Knast schmoren zu lassen. Manche 3er-Teams haben schlicht keine Lust auf die Nummer vier.

Aber: So leicht lasse ich mich nicht vertreiben, das sitze ich aus! Während ich im Spiel also in der Brig sitze, schaue ich im Hintergrund ein paar Youtube-Videos an, zocke auf der PS4 ein bisschen Far Cry 5 und schalte immer wieder rüber zu Sea of Thieves, wo sich nicht viel tut: Ich höre das Rauschen der Wellen, offenbar steht das Schiff still - doch dann rattert es plötzlich los und unermessliche Schätze landen auf meinem Konto - die Kerle dachten vermutlich, sie würden mich loswerden, bevor sie ihren Krempel abgeben. In diesem Moment fühlt sich das cool an, letztlich ist es jedoch eine unausgegorene Spielmechanik. Ich kassiere in der Zeit zwar mit an den Belohnungen und XP, Spiel-Spaß sieht anders aus. Es kommt zudem häufiger vor, dass einzelne Schiffe und Besatzungen gezielt "becampt" und "gegankt" werden. Kaum sind sie mit einem neuen Schiff aus dem Hafen raus - wenn überhaupt -, wird es erneut auf den Meeresboden geschickt. Natürlich können die Entwickler nichts für die Gemeinheiten der Spieler, aber solche Auswüchse haben sich auch schon in der Beta angedeutet und ein Gegenmittel gibt es bislang leider nicht.

Die Missionen laufen meist nach ähnlichen Strickmustern ab. (Sea of Thieves Test)

Wer weiß, dass er ohnehin nur Solo zocken will, braucht bei Sea of Thieves eigentlich gar nicht erst anzuheuern. Das merke ich bei meinen wenigen Versuchen - es ist einfach nur öde. Klar ist es für kurze Zeit entspannend sein, die Ruhe auf dem Meer zu genießen. Auf sich allein gestellt herumzustreunen hat zumindest mir keinen Spaß gemacht und ich nehme an, das wird euch ebenso so gehen, weil es einfach keine dafür ausgelegten Spielelemente gibt. Überhaupt, wenn man sich den generellen Mangel an Inhalten anschaut, ist es fast schon unverschämt, einen Vollpreis für Sea of Thieves anzusetzen.

Sea of Thieves muss sich reinknien, damit nicht sein eigener Sonnenuntergang ziemlich bald kommt. (Sea of Thieves Test)

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Sea of Thieves ist keine durchgehende Enttäuschung. Es funktionierte, wenn die richtigen Mitspieler Lust am Zusammenspiel zeigten. In solchen Momenten war gar nicht mal entscheidend, ob wir am Ende mitsamt unseren Schätzen am Meeresgrund endeten, sondern dass wir ein gemeinschaftliches Erlebnis abfeierten: Wir soffen zusammen, bereisten das Meer, feuerten aus allen Kanonenrohren, flickten den untergehenden Kahn, kämpften zum x-ten Mal gegen klapprige Skelette und laberten dabei ziemlich viel dummes Zeug. Doch leider können diese tollen Augenblicke nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich selbst dann schon nach wenigen Stunden Routine und auch Langeweile breitmacht. Selbst im coolsten Team wiederholen sich dieselben Aufgaben permanent, es wird nicht gespielt, es wird malocht, die Missionen mehr oder minder stupide abgeklappert. Sea of Thieves mangelt es ganz eindeutig an Inhalten, an der notwendigen Spieltiefe, um langfristig für ein Piratenleben auf hoher See zu motivieren.

Noch schlimmer wird es jedoch, wenn die Kommunikation mit den Mitspielern nicht klappt, wenn diese gar nicht kooperieren wollen, sondern nur den Spielspaß zerstören, oder man das störende vierte Rad am Kahn ist. Oder, wenn gar keine Matches zustande kommen, wie es gerade in den letzten Tagen und Abenden häufiger der Fall war. Entweder hat Rare das Matchmaking nach anfänglicher Server-Überlastung immer noch nicht im Griff oder die Spielerzahlen sind bereits eine Woche nach dem Start dramatisch eingebrochen. Ich kann es gar nicht genug betonen: Sea of Thieves lebt davon, dass miteinander gespielt wird. Es ist ein Mehrspieler-Party-Game und wenn mal eine Party zusammenkommt, idealerweise auf beiden Seiten ausgerichteter Kanonenrohre, dann funktioniert es zumindest für eine überschaubare Zeit innerhalb des engen Korsetts ziemlich gut. Aber auch nur dann.


Entwickler/Publisher: Rare / Microsoft - Erscheint für:PC, Xbox One - Preis: etwa 60 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC, Xbox - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Nein (sollen später folgen)

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