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Onrush - Nenn mich nicht Racer!

Das Gummiband als Spielkonzept.

Wenn Codemasters mit einem "Arcade-Racing"-Spiel lockt, wie könnte man da ablehnen? Aktuell scheinen sie mit keinem Rennspiel daneben zu liegen, Rally oder Dirt 4 gehören zu den besten auf dem Markt. Jetzt noch ein wenig Arcade, um das Portfolio der Racing-Glorie abzurunden, das klingt wie die offensichtlichste Idee überhaupt. Nun, zu offensichtlich scheinbar. Und ein wenig überraschen wollten sie dann doch.

Erst einmal aber vorweg, dass Onrush nicht von einem der Dirt- oder Rally-Codemasters-Teams entwickelt wird, sondern von einer frisch dazugeholten Truppe, die im Prinzip und zum größten Teil das ist, was bis vor kurzem noch die Evolution Studios waren. Wiederum, das passt perfekt, denn bevor Sony das Studio schloss, hatten sie mit Driveclub und davor allen Motorstorm-Spielen eine solide Arcade-Racer-Karriere hingelegt. Wiederum davor waren sie für die guten WRCs zuständig. Ein Studio also, das Ahnung von Rennspielen hat, geht zu einem Studio, das noch mehr Ahnung von Rennspielen hat. Es passt perfekt, Onrush muss nach allen Maßstäben das beste Arcade-Rennspiel seit Daytona USA werden. Mindestens. Oder?

Einer ist nichts, die Herde ist alles.

Nun, Onrush wird es nicht ganz einfach haben, denn wenn ihr es solo als klassischeres Action-Racing einwerft, ist der Frust nicht mehr weit weg. Es gibt zwar Rundkurse, aber es dreht sich nichts um Rundenzeiten, Platzierungen oder andere Dinge, die eher traditionelle Vertreter des Genres als Spieldesignelemente nutzen. In Onrush geht es dagegen nur um die Herde. Es ist das zentrale Kernstück des Spiels und im Prinzip ist es das, was man sonst eine Gummiband-KI nennen würde, die das Rennfeld immer zusammenhält, nur dass es hier mit voller Absicht in den Vordergrund geschubst wird.

Die Idee ist, dass ihr nie alleine eure Runden dreht, sondern in diesem sehr auf Fahrzeugkampf ausgelegten Design immer mitten im Pack drin seid. Immer mitten in der Action. Wenn ihr explodiert, werdet ihr mitten hinein zurückgeworfen. Wenn ihr zurückfallt, dann sorgt das Spiel dafür, dass ihr aufholt. Es sollen immer möglichst viele Autos in möglichst nie fallenden 60 Frames um euch herumrauschen, das mit möglichst hohen Tempo, das Adrenalin soll nonstop fließen. Diese netten Pulk-Momente, in denen in einem anderen Spiel alles passieren kann, wer zuerst blinzelt hat verloren? Das will Onrush in jeder Minute der Spielzeit erzeugen.

Die Spezialfertigkeiten sorgen für Individual-Momente.

Da in einem solchen Gummiband-Dauerpack die beste Platzierung kein sinnvolles Maß wäre, dachte sich Codemasters eine paar Spielmodi aus, von denen zwei im Detail spielbar waren. Der Erste erinnert an eine Art Team Deathmatch nach Punkten. Beide Teams haben ein paar Tausend Punkte und wenn der Gegner die Wagen des eigenen Teams zerstört oder anderweitig punktet, verliert ihr Punkte. Wer zuerst bei Null landet, hat verloren. Das Zählen der Punkte war noch etwas undurchsichtig, aber das Grundkonzept nicht weiter kompliziert. Noch einfacher ist das Zeitfahren, bei dem ihr ähnliche wie in alten Arcade-Titeln durch Checkpoints fahren müsst, um Bonuszeit für das eigene Team zu bekommen. Läuft der Zähler eines Teams aus, dann heißt es für diese Runde Game Over.

Ihr fahrt, egal in welchem dieser oder der anderen Modi, nie allein, sondern es sind immer zwei Teams gegeneinander. Würdet ihr alleine offline spielen, würde die KI die anderen Fahrer übernehmen und ihr erlebt eines der unmotivierendsten Spielerlebnisse überhaupt, nämlich größtenteils wie eine KI gegen sich selbst spielt. In einem Team aus acht Fahrern muss das ganze Team gewinnen. Egal wie gut oder wie schlecht ihr als einziger Mensch spielt, euer Beitrag macht grob ein Achtel aus und ist damit nicht so relevant, wie es ein Sieg in einem normalen Rennspiel wäre. Stellt es euch wie ein Team Deathmatch mit Bots vor. Gut zum Üben und Reinkommen ins Spiel, aber nichts, womit man länger als eine oder zwei Stunden verbringt.

Motorräder sind wendig, kommen aber schneller unter die Räder.

Daher auch der Einwand, dass "Arcade-Racing" für Onrush keine gute Genre-Schublade ist. Onrush ist ein Teamspiel mit Autos, vielleicht entfernt und ein wenig wie Rocket League. Die Rundkurse erinnern weit mehr an normale Rennspiele, aber macht nicht den Fehler, es damit zu verwechseln. Onrush, so wie es hier gezeigt wurde, funktioniert ausschließlich als Spiel mit anderen Mitspielern und das in voller Besetzung. Die Spielmodi sind nicht die eines Rennspiels, sondern kreative Varianten, um das Konzept der Horde von sich ohne Pause beharkenden Fahrzeugen ideal einzusetzen. Das ist auch keine Kritik an Onrush, sondern sei einfach nur gesagt, um euch ganz klar wissen zu lassen, was Onrush ist und was nicht. Denn ausgehend von der Betonung eines sogar in einer Story eingebundenen Solo-Modus mit an die hundert Rennen, die aber alle auf genau diesen Spielmodi basieren sollen, bin ich nicht ganz sicher, ob Codemasters das auch weiß.

Wie gesagt, beim aktuellen Stand ist Onrush allein schlicht keine gute Idee, aber in der Gruppe gegen andere Spieler ist es eine ganz andere Geschichte. Das sehr gute Geschwindigkeitsgefühl, verbunden mit einer sehr soliden Steuerung, vielen Sprüngen und kleinen Air-Stunts, gibt schon einen ordentlichen Kick. Dazu kommt einen Art Dauer-Boost. Dank zahlreicher, immer um euch herumwuselnder schwarzer Fahrzeuge, die nur existieren, um von euch nebenbei weggerammt zu werden, sammelt ihr Boost-Punkte so schnell ein, dass ihr mit ein wenig Geschick einen Dauer-Turbo aufrechterhaltet, der es wieder einfacher macht, andere Spieler zu schubsen. Dadurch erhöht sich auch das generelle Spieltempo, mit dem das Horden-Gummiband die Herde zusammenhalten muss.

Gelegenheiten für Spektakuläre Stunts bieten sich in den oft weit nach links und rechts geöffneten Strecken immer wieder an.

Sicher, welche Geschwindigkeit ihr genau fahrt, wann wer wie aufholt, das passiert alles ausschließlich in Relation zu den anderen Spielern, teilweise auch sehr willkürlich und für die Herde ist es schlicht nicht wichtig. Bleibt am Leben und kümmert euch um das Ziel der Spielmodi, sprich holt Punkte oder fahrt durch Tore, um das Zeitlimit zu strecken. Das alleine wäre etwas dünn und daher gibt es einen ganzen Schwung an verschiedenen Fertigkeiten und unterschiedlichen Fahrzeugen. Manche sind schneller und wendiger, vor allem die Motorräder, andere sind massive Pickups, die sich schwer in engen Kurven handhaben lassen, aber praktisch durch kleinere Fahrzeuge durchfahren können. Dazu kommt eine Spezialfertigkeit für jedes Auto, von denen manche dem Team helfen, indem sie andere Autos des Teams reparieren oder schützen, andere Specials lassen euch mit Höchsttempo durch alles durchrauschen, was da im Weg ist.

Diese Specials laden sich relativ langsam auf und vor allem immer für jedes Fahrzeug spezifisch. Sobald ihr für ein paar Sekunden aus dem Rennen fliegt, könnt ihr das Fahrzeug wechseln und für jedes wird angezeigt, wie viel der nötigen Special-Energie ihr mit dem schon gesammelt habt. Wechselt ihr ständig, kann es sein, dass ihr in einer Runde gar keine Specials auslösen dürft, aber wenn ihr es taktisch einsetzt, und ein oder zwei kritische Specials für Heldentaten in letzter Sekunde aufladet, aber nicht nutzt, könnt ihr diese später nutzen. Was die restliche taktische Tiefe angeht, ist es erst einmal unglaublich wichtig, dass ihr Headsets im Team benutzt, denn aktuell gab es noch keine Karte oder Anzeige, wer im Team wo ist. Ohne sich abzusprechen gibt es durch das hohe Tempo keine Übersicht und somit wenig Chancen für koordinierte Aktionen. Also, Headsets auf.

Noch ein paar Worte zur Technik: Wenn Onrush fertig ist, dann darf sich diese neue Gruppe bei Codemasters gern diese Engine gleich noch mal vornehmen und noch einen echten Arcade-Racer nachschieben. 60 Frames, hohes Tempo, sehr farbenfrohe Kurse und auch wenn der Detailgrad von Objekten und Landschaft nicht zu exorbitant hoch scheint, ist Onrush einfach eine simple, echte Freude in Bewegung. Es macht Spaß, dieses Spiel zu sehen. Da auch betont wurde, dass - wie so oft in der Entwicklung - zum Ende hin noch viel poliert wird, kann man wohl jetzt schon sagen: Was auch immer Onrush sonst wird, ein Hingucker ist es allemal.

Technisch sehr sauber und das auch in 4K auf Pro und X.

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Aber was genau wird Onrush eigentlich sonst? Es ist interessant, dass ein so erfahrenes Rennspielstudio nicht den sicheren Weg geht und ein Rennspiel veröffentlicht. Selbst wenn man das Genre weit fasst, ist Onrush mehr futuristischer Online-Wettkampf als ein Racer welcher Art auch immer. Dass das keine schlechte Sache sein muss, sieht man sofort an Rocket League. Um auf dessen spielerisches Niveau zu kommen, muss hier noch viel gefeilt werden. An den etwas undurchsichtigen Punktezählern, der kaum existierenden Team-Koordination und den oft willkürlich wirkenden Bewegungen innerhalb der Herde wird sicher noch gefeilt, um ein kontrollierteres Spielgefühl zu vermitteln.

Aber das sehe ich weniger als das Problem, das sollte ein so erfahrenes Team leicht in den Griff bekommen. Mein Problem ist eher die Langzeitmotivation. Die Herde liefert einen direkten Action-Kick auf 180 und dreht ihn dann noch mal hoch. Das ist ein Spiel, das man für eine halbe Stunde einwirft, sich genau diesen schnellen Kick holt und gut ist. Motorstorm kombinierte diese Art von Action in einem soliden Maß mit den Vorzügen eines echten Rennspiels. Diese Art von Balance scheint hier (noch?) zu fehlen. Es wird bei Onrush sehr spannend zu sehen sein, als was es sich am Ende genau entpuppt und wie es seine durchaus vorhandenen Reize entfalten kann.


Entwickler/Publisher: Codemasters / Codemasters Erscheint für: Xbox One, PS4- Geplante Veröffentlichung: 5. Juni 2018 - Angespielt auf Plattform: Xbox One

In diesem artikel

Onrush

PS4, Xbox One

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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