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Octopath Traveler wandelt in wunderbar bequemen Schuhen auf vertrauten Pfaden

Jetzt müssen sich seine Helden nur noch die Hände reichen.

Ich bin nicht ganz sicher, weshalb der grafische Stil von Octopath Traveler von vielen als neu verkauft oder empfunden wird. "HD 2D" nennt Square Enix das - ein Begriff, der bei mir eher Assoziationen zu fein gezeichneten Dingen wie Rayman Origins, Steamworld Dig oder Kleis gesamtem Output weckt -, während ich mich direkt in die PSone-Zeit zurückversetzt fühle. Auf gute Art zwar - dieses Spiel sieht absolut fabelhaft aus, wenn man Retro-Vibes zugetan ist. Nur neu ist mir der Look keinesfalls.

Schon Ende der Neunziger kombinierten Spiele wie Dragon Quest 7, Star Ocean Second Story, Xenogears oder Grandia 2D-Charaktersprites - allesamt entweder von Enix oder Square - mit Polygonumgebungen und setzten mit zeitgemäßen Lichtspielereien anachronistische Highlights. Allerdings kann man sehr wohl das Argument bringen, dass Octopath Traveler diesen Mix aus klassischen und aktuellen Designkniffen nun wiederaufleben lässt und ihn perfektioniert.

Es sind bekannte Themen, die da auf euch zukommen. Aber auch das gehört zum Konzept, die JRPGs von einst neu aufleben zu lassen.

Viel schöner dürfte es in dieser Kombination nicht mehr werden und der Schaukasten- beziehungsweise Pop-up-Buch-Effekt, der hier bisweilen erzielt wird, ist unwiderstehlich charmant. Zumindest, wenn man seine Rollenspiele erdig und ein bisschen finster mag, denn eine gewisse Melancholie liegt schon über dieser Welt, die ihr in den Stiefeln von acht verschiedenen Charakteren erkundet.

Mit wem ihr startet, liegt bei euch. Mit der ersten Quest wird die Hintergrundgeschichte der Figur und ihre zentrale Quest vorgestellt, und auf dem Weg, die zu erledigen, lernt ihr die anderen Sieben kennen. Sobald ihr aufeinander trefft, ergründet ihr auch den Background und die Beweggründe eures neuen Freundes und so geht das dann immer weiter, bis die Bande schlussendlich komplett ist. In den ersten guten sieben Stunden, die ich Octopath spielte, gefiel mir dieser Ansatz sehr, fast fühlte ich mich mit den spielgewordenen Ursprüngen der Charaktere ein wenig an Dragon Age Origins erinnert, wenngleich das dort nur für eure auserkorene Hauptfigur gegeben war.

Das Kampfsystem gefällt als puzzliges Tauziehen um die Initiative.

Eine Jägerin auf der Suche nach ihrem verschollenen Meister, ein Dieb, der widerwillig einen Auftrag für eine Nobeldame ausführt, ein Apotheker, der versucht, die Tochter eines Freundes zu retten - diese Dinge grenzen die Figuren schön voneinander ab und auch wenn die Charakterisierung genretypisch nicht allzu sehr in die Tiefe geht (und gerade der Apotheker Alfyn einen seltsam unpassenden jovialen Ton anschlägt), ist man doch voll und ganz bei ihnen.

Was mich jetzt allerdings seit einer Weile stutzig macht, ist der Zusammenhalt der Party. Die einzelnen Charakterstorys sind zwar gut ausgearbeitet und schön unterschiedlich in ihrer Stimmung. Aber so richtig interagieren die Party-Mitglieder nie miteinander. Nach der ersten Vorstellung ist automatisch klar, dass einem potenziellen Neuzugang auf seiner Quest geholfen wird und ohne weiteren Kommentar die jeweils eigene, wahnsinnig wichtige Heldenreise hinten angestellt wird. Danach redet kaum noch einer miteinander, reden tut dann immer nur noch der Neue, dessen Quest man aktuell verfolgt. So nett die einzelnen Figuren sich in ihren Waffen und Talenten auch ergänzen, man hat das Gefühl, in Sachen Handlung spielt jeder ein bisschen für sich allein.

Hauptsache, ihr bekommt irgendwann auch eine, die ihr zusammen als gleichberechtigte Helden erlebt.

Aber hey, ich bin noch ziemlich früh im Spiel und es würde mich nicht wundern, wenn sich das im weiteren Verlauf noch grundlegend änderte. Spielerisch tut Octopath jedenfalls alles, dass ich dabei bleibe, um das in Bälde rauszufinden. Das System, nachdem die nicht gar nicht lästigen Zufallskämpfe rundenweise ablaufen, trifft bis hierhin genau meinen Geschmack. Klassisch rundenbasiert ist es ein Mix aus Grandia und Persona. Es ist ein Kampf um die Initiative, bei dem ihr es darauf anlegt, dass der Gegner gar nicht dazu kommt, euch anzugreifen.

Auf einer Zeitleiste wird die Reihenfolge angezeigt, in der alle Kombattanten an der Reihe sind. Alle Fantasy-Kreaturen oder feindliche Krieger, gegen die es geht, verfügen über einen Panzerungswert, den ihr tunlichst runterprügelt, indem ihr ihre Schwachpunkte ausnutzt. Feuer, Eis, Wind und Blitz oder Dolche, Schwerter, Äxte, Bögen, Lanzen - das alles sind Dinge, gegen die die Gegenseite anfällig sein kann und ein Treffer damit reduziert die Panzerung um einen Zähler. Ist sie bei null, wird der Feind für eine Runde ausgeknockt und rutscht auf der Zeitleiste nach hinten. Seine Attacken so zu sortieren und zu organisieren, dass möglichst viele Feinde zugleich die Sterne sehen, ist folglich das A und O und der spaßigste Teil dieses Kampf-Puzzles.

Die Optik ist ein Traum, auch wenn ich nicht umhinkomme, sowohl im mobilen als auch im stationären Modus den einen oder anderen Ruckler zu bemerken. In diesem Spiel ist das zu verschmerzen, wenn auch nicht unbedingt schön.

Damit sich Kämpfe nicht länger hinziehen als nötig, sammeln die Figuren mit jeder Runde auch bis zu fünf Boost-Stufen an, mit denen sich einzelne Angriffe stufenweise verstärken lassen, was in einer längeren Schlagserie resultiert, mit der man die Panzerung umso schneller wegbröselt. Komplettiert werden die grundlegenden Attacken und Zauber durch figurenspezifische Talente.

Die Jägerin H'aanit kann etwa betäubte Gegner mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit unterjochen und sie dann im Kampf beschwören, um so deren besondere Aktion oder Angriffsart einzusetzen. Der Apotheker Alfyn mixt in seiner Runde unterdessen aus einer nicht zu kurzen Liste an Zutaten Heiltränke sowie Buffs und Debuffs zusammen. In Octopaths Kämpfen greifen ein paar schön ausgearbeitete Rädchen dynamisch und passgenau ineinander. Ich mag das System sehr.

Auch beim Erkunden der Welt kommt pro Figur haargenau eine Fähigkeit zum Tragen. Die Tänzerin Primrose kann etwa NPCs dazu verleiten, ihr zu folgen. H'aanit kann sich im Kampf mit ihnen messen (und sie am Ende ausknocken) und Dieb Therion die meisten Figuren mit unterschiedlicher Erfolgsquote bestehlen. Solche Dinge. Nix Revolutionäres, was in anderen Spielen nicht auch eine Figur alleine könnte, aber trotzdem eine viel versprechende Art, den Spieler mit der Welt interagieren zu lassen. Aber auch hier gilt: Ich bin noch nicht weit genug, um abschließend darüber zu urteilen, inwieweit das noch maßgebliche Auswirkungen auf den Rest des Abenteuers haben wird.

Octopath Traveler: E3-TrailerAuf YouTube ansehen

Was zählt, ist, dass ich nach wie vor eine Menge Lust verspüre, das herauszufinden. Wo in vielen auf Retro-Appeal setzenden Spielen der Reiz häufig abklingt, nachdem man sich seine Dosis Nostalgie gesetzt hat, lockt Octopath mit gutem Tempo, schönem Kampfsystem und netten Charaktermomenten weiter vorwärts. Jetzt muss sich, bei aller Bewunderung für die Idee der achtfach gespaltenen Wege, am Horizont nur noch die eine große Straße auftun, auf der alle Figuren gleichberechtigt und gemeinsam einem großen Abenteuer entgegen schreiten. Dann bin ich mit Octopath Traveler beinahe wunschlos zufrieden.


Entwickler/Publisher: Square Enix, Acquire/Nintendo - Erscheint für: Switch - Geplante Veröffentlichung: 13. Juli

In diesem artikel

Octopath Traveler

PC, Nintendo Switch

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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