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Mothergunship - Test: Die Mutter aller Waffen

Da kommen nicht genug Kugeln raus!!!

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Stil und UI lassen zu wünschen übrig. Ansonsten gefällt die flinke Ego-Roguelite-Bullet-Hell mit dem lustigen Waffen-Crafting ausgezeichnet.

Erinnert sich noch wer an Tower of Guns? Der Ein-Mann-Indie-Projekt, das euch in einer Mischung aus Doom und Binding of Isaac durch prozedurale 3D-Bullet-Hells schickte? Etwas über vier Jahre ist das kleine Kuriosum nur her und mich erinnerte Mothergunship so frappierend daran ... dass ich trotzdem ein ums andere Mal vergaß, nachzuschauen, ob es da eine Verbindung gab.

Nun, die gibt es, und zwar nicht zu knapp. Mothergunship ist der mehr oder weniger direkte Nachfolger, streicht den Cel-Shading-Look zu Gunsten von ansehnlichem, wenn auch etwas generischem Computerspiel-Sci-Fi und integriert mit neuen Crafting-Aspekten nach Roguelite noch flugs das nächste Buzzword-Feature. Neu sind die Zutaten anno 2018 keinesfalls. In dieser Zusammenstellung jedoch bekommt man sie sonst nicht vor die Flinte.

Nach dem Release wird irgendwann ein Koop-Modus folgen. (Mothergunship - Test)

Ich bin ehrlich gesagt froh, dass Terrible Posture an dem Grundgedanken von Tower of Guns festhielt. Es war ein bewundernswert zielstrebiges kleines Spiel, das viel von der Wissenschaft eines guten Kugelballetts verstand. Wenn die robotischen Feinde aus allen buchstäblichen Rohren um sich schossen, und man sich ballernd, strafend und mehrfachspringend durch das Muster an Schüssen hindurchduckte, ohne den Energiestand der Waffen aus dem Auge zu verlieren, gelangte man prima in diese magische, hypnotisierende "Zone", die nur die besten Geschicklichkeitsspiele jemals erreichen.

Und auch wenn das Poster-Feature - Waffen bauen - diesmal ein anderes ist, ist es doch die Union aus Bewegung und Ballern durch die teilweise wahnsinnig in die Vertikale gezogenen Raumschiffsinnereien, die als Grund reichen, eben genannter Zone nachzujagen. Wieder und wieder stürzt man sich in die prozedural aneinandergereihten Räume, schießt von einem Sprungfeld zum nächsten, teilweise Dutzende Meter in die Höhe, meidet Lava-Böden und Kugelwilli-große Geschosse, während man versucht, selbst genügend seiner vielfältigen Projektile zu platzieren.

Verdeckt bisweilen die Sicht, macht aber ordentlich 'bumm bumm'. (Mothergunship - Test)

Dass das Spiel stilistisch oft nicht nach mehr aussieht, als "Generischer Alienraumschiff-Bausatz #1867" und die betont lässig eingestreute Story sich für deutlich witziger hält, als sie ist - geschenkt. Ersteres schmeichelt zwar nicht unbedingt dem Auge und seine vorgefertigten, aber prozedural aneinandergereihten und mit zufälligen Gegnermustern gefüllten Gegnern sehen irgendwann ein wenig eintönig aus. Aber es hilft, im schlimmsten Getümmel noch ein bisschen Übersicht zu wahren, während die Dialoge wegklickbare Nebensache sind, über die man kurz mit den Augen rollt, und dann "E" drückt, um sie zu überspringen.

Oder man lässt ihn laufen, denn auch das Spiel gönnt euch alle paar Meter eine dringend benötige Verschnaufpause. Ich gebe zu, die ersten Stunden fand ich den Rhythmus, so gut wie im jeden zweiten Raum zunächst noch einen Waffenladen samt Crafting-Bank zu finden, um minutenlang an meinem Loadout rumzudoktern, mehr als nur befremdlich. Aber je intensiver die Gefechte im Verlauf wurden, desto willkommener waren mir diese Ruhephasen, zumal es immer mehr Komponenten zum Experimentieren gibt.

In jeder Mission, die wenig mehr beinhalten als das Beseitigen aller Feinde auf dem Weg zum Level-Ende, erhaltet ihr Waffenteile als Belohnung oder kauft sie in den Shops, die alle paar Räume warten. Überlebt ihr den Level, bringt ihr alle Komponenten mit zur Basis zurück. Vor der nächsten Mission wählt ihr dann wieder aus, was ihr mitnehmt - auf die Gefahr hin, bei einem Tod alle Teile zu verlieren. Die Komponenten lassen sich grundlegend in Verbindungsstücke, Läufe und Modifikatoren einteilen. Von jeder Art gibt es diverse Ausführungen.

Am Ende eines Story-Levels wartet oft ein riesiger Endgegner. Vorher dürft ihr aber auch Nebenmissionen gegen verschiedene Belohnungen erledigen. Lohnt sich, will man gestärkt in den Kampf gehen. (Mothergunship - Test)

Ob man nun Raketenwerfer, Schrotflinte, diverse Laser oder Sägeblattwerfer bevorzugt, genug Auswahl gibt es. Sogar Unterarten, leichte oder schwere Varianten etwa, sind reichlich vertreten und alles existiert in unterschiedlichen Seltenheitsgraden, die Schadensoutput und allgemeine Leistungsfähigkeit beeinflussen. Manche Waffen haben einen gewaltigen Rückstoß, sodass Raketensprünge möglich werden, andere machen das Gegenteil, ziehen euch mit jedem Schuss also vorwärts, was gut ist, wenn ihr in große Höhen vorstoßen wollt. Die feinen Abstufungen bei den Komponenten führten auf jeden Fall dazu, dass ich immer zweimal überlegte, welche Teile ich in einer schwierigen Mission aufs Spiel stellen sollte.

Beim Basteln selbst setzen euch nur die vorhandenen Komponenten Grenzen; und natürlich die Logik. Ein Waffenlauf muss natürlich immer nach vorne zeigen. Manche Verbindungsstücke haben aber die meisten Steckplätze an anderer Stelle, sind zum Beispiel würfelförmig mit Slots an jeder Seite. Andere sind L-förmig und erlauben so etwa, noch einen Lauf nach vorne zu "verlegen, anstatt einen "nur" Modifikator an der Seite der Basis anzustecken. Doch auch die haben es in sich, auch wenn sie im Grunde meist erst später in einer Mission eine Rolle spielen, wenn man sein Loadout für die letzten paar Räume zu optimieren beginnt, weil man meint, nach vorne fliegt schon genug vom glorreichen Feuertod.

Weite Teile eines jeden Raums verbringt man in der Luft. Sprungfelder und Mehrfachsprünge machen es möglich. Fühlt sich spitze an. (Mothergunship - Test)

Schnellere Feuerrate, höherer Schaden, mehr oder weniger Streuung, verdoppelte oder verdreifachte kritische Trefferquote und sogar minimierte Schwerkraft für Projektile - man hat schon Möglichkeiten, sein Arsenal auf den eigenen Geschmack zuzuschneiden. Allerdings ist der Rahmen vom Level stets vorgegeben, denn nicht nur ist man den Waffenteilen ausgeliefert, die die Shops nach zufälliger Manier anbieten, man muss auch im Raum unmittelbar davor genügend Münzen gesammelt haben, um sich die besten Stücke der Läden auch leisten zu können. Ich hatte definitiv einige grausame Runs, in denen ich scheinbar einfach nichts Gutes bekommen konnte. Passierte selten genug und relativierte sich deutlich, als ich weniger geizig wurde und selbst bessere Ausrüstung mitbrachte. Aber das Potenzial für den einen oder anderen frustigen Lauf ist da.

Und: Ich sag's gleich so viel Spaß das auch macht, alle Waffenteile so zu drehen und neu konfigurieren, dass man das Maximum an DPS rausholt: schön ist keine der Waffen, die ihr hier baut. Aber der blanke Wahnsinn, irgendwann zwei Einkaufswagen große Sträuße aus heißem Stahl vor sich herzutragen - natürlich links wie rechts zugleich, was dachtet ihr denn? - das hat schon was hiervon:

Ich würde mir allerdings wünschen, dass Terrible Posture an dem UI des Crafting-Menüs noch etwas macht. Es spricht nichts dagegen, die Komponenten leichter miteinander vergleichen zu können, jederzeit Leistungsdaten der Waffe während der Änderungen irgendwo anzuzeigen und Einzelteile mit nur einer Taste an- und abstecken zu können, anstatt mühsam zwischen separaten Modi dafür hin- und herschalten zu müssen. Warum kann man nicht beim Basteln auf Knopfdruck zwischen beiden Waffenhänden wechseln, warum merkt sich das Spiel nicht die letzte funktionierende Konfiguration? So wie es ist, ist es funktional, aber weit von optimal entfernt. So oft, wie man damit hantieren muss, würde es sich lohnen, diese Aspekte noch einmal zu überarbeiten.

Top ist allerdings, dass man den Kampfanzug, in dem man steckt, in verschiedenen Kategorien, von Tempo über Waffenenergieregeneration bis zu Gesundheit und der Anzahl der Sprünge, die man in der Luft noch vollführen kann. Tatsächlich darf man die Fertigkeitenpunkte auch nach Lust und Laune jederzeit umverteilen. Werden etwa die Waffenkomponenten knapp, weil man eine schlechte Serie hatte, kann es sich zum Beispiel lohnen, den Nahkampfangriff seiner mechanischen Faust zu stärken, um vielleicht nur mit einer Waffe in eine Mission zu starten. Es ist die Sorte zwangloser Rollenspielmechanismus, die gerade aus gutem Grund groß in Mode ist. Warum sich festlegen, wenn man doch die freie Anpassung jederzeit sehr viel mehr Flexibilität und Dynamik erlaubt?

Mit der Zeit werden die Schießprügel immer exotischer. (Mothergunship - Test)

Was ebenso gefällt: Das Spiel legt einem wenige Steine in den Weg, wenn es darum geht, irre Builds zu fabrizieren, indem man jeden Wert mehrfach ins Ungesunde steigert. Der Tempo-Boost war schon auf Level 1 zu viel für mich und nahe an der Unkontrollierbarkeit. Ich freue mich schon auf die ersten Videos von Speedrunnern mit Kolibri-Reflexen, die nach mehreren Dutzend Doppelsprüngen irgendwann gar nicht mehr den Boden berühren. In jeder Mission seine Waffen neu zu konfigurieren, darauf mag der Fokus des Spiels liegen, die Entwicklung des Kampfanzugs ist da einfacher gestrickt, wirkt sich aber ebenfalls stark auf das Spielgefühl aus.

Das Spiel fühlt sich einfach gut an, auch wenn ich sagen muss, dass es ein wenig dringlicher signalisieren könnte, wenn man getroffen wird. Der Screen ist einfach schon so voll von Geschossen und Gegnern links, rechts, vor hinter und teilweise Stockwerke unter und über euch, dass man in den brenzligsten Situationen nicht genau sagen kann, wer und von wo man gerade den Treffer abbekommen hat, der einen das Leben kostete.

Ich denke, es muss mehr über den Sound gehen. Meinetwegen eine (deaktivierbare) Alarmsirene, wenn der Anzug einen schweren Treffer einsteckt. Ein, zwei Mal starb ich nämlich schon, ohne überhaupt zu begreifen, wie schlecht es um mich stand. Man gewöhnt sich dran und geht irgendwann besser damit um, aber zusätzliche Hilfestellung würde ich begrüßen. Ebenso sollte Terrible Posture noch einmal schauen, welche Effekte wirklich notwendig sind und ob man nicht irgendwo noch Ressourcen sparen könnte. Wenn's hart auf hart kommt, geht nämlich selbst mein i7 7700 mit GTX 1080 noch unterhalb der 60 FPS in die Knie.

Durchblick behalten und ihr nehmt all die tollen Waffenteile auch mit nach Hause. (Mothergunship - Test)

Ansonsten: Ja. Das hier ist ein mehr als nur solider Shooter, von der Bewegung her nah am Unreal-Modell, der den Tanz durchs Gefecht bei Dauerfeuer und gleichzeitigem Energiemanagement zur Kunstform ernennt und damit trotz häppchenweiser Darreichung zu stundenlangen Sessions verleitet. Neben der Kampagne gibt es noch das Endlosspiel, in dem man bisweilen die aberwitzigsten Waffen des gesamten Spiels konstruiert und eine weitere willkommene Möglichkeit, einfach weiterzuspielen. Aber bis man so weit ist, hat man längst genug irrsinnigen Freude aus diesem Titel gezogen, um den erfreulich schmalen Kaufpreis von 25 Euro zu rechtfertigen.

Mothergunship hat sowohl in Konzept als auch Durchführung noch Luft nach oben, keine Frage. Aber diese unentwegt in Bewegung begriffene Suche nach der Mutter aller Waffen ist wahnsinnig sympathisch und flutscht auch so schon wie wenig anderes dieses Jahr. Sucht mit. Ihr werdet viel trügerisch hirnlosen Spaß damit haben.


Entwickler/Publisher: Terrible Posture Games, Grip Digital/Grip Digital - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One- Preis: ca. 25 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: deutsche Texte - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: PC


PC-Spiele testen wir auf Lenovo Legion PCs und Laptops, die uns von Lenovo zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Hier erfahrt ihr mehr über Gaming-Laptops 2018 im Allgemeinen und hier geht es zur Website von Lenovo Legion Gaming.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Mothergunship

PS4, Xbox One, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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