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Red Dead Redemption 2 - Kein Grund, beeindruckt zu sein ...

... wenn Götter mal wieder Wunder vollbringen.

Ein Rockstar-Spiel hat es schon nicht einfach. Da spielt man das wohl beeindruckendste Stück Software mindestens des Jahres, alles läuft wie eine Eins und dann sitzt da der doofe Kritiker und verzieht keine Miene. Aber was soll ich sagen: Von Rockstar erwartet man eben als Minimum das Beste und ausgehend von einem zweistündigen Open-World-Intermezzo ist Red Dead Redemption 2 genau das. Der Meilenstein, der Marker, was heutzutage geht, ein Statement dessen, was möglich sein kann. Und ja, es war beeindruckend, allein schon, weil das, was es ist, auf einer PS4 Pro läuft als wäre diese ein Hochleistungs-PC. Aber hey, es ist Rockstar, das erwartet man halt.

Als Prequel zum Vorgänger sind erst einmal Neueinsteiger herzlich willkommen, das sei vorweg gesagt. Ihr müsst jetzt nicht hektisch anfangen den ersten Teil zu spielen, auch wenn ihr das ruhig tun könnt, schließlich war der auch schon ein Ausnahme-Titel. Dann fallen euch viele, viele Dinge auf. Kleinigkeiten am Rand, die euch bekannt vorkommen, NPCs hier und da, aber vor allem, dass der Hauptcharakter des ersten Teils, John Marston, hier auch auftaucht. Noch nicht geläutert, sondern voll drin in der etwas schrägen Van-der-Linde-Gang, wie auch Arthur Morgan, der Antiheld der Stunde.

Arthur hat eine durchaus nachvollziehbare Motivation, als Outlaw herumzuziehen, wurde er doch als Jugendlicher halbtot von der Van-der-Linde-Gang auf der Straße gefunden. Mit der Zeit wurde er zur rechten Hand des Anführers, der sich selbst als Philosophen-Dieb sieht. Seine Profession als Mittel, um die Freiheit und Unabhängigkeit zu erreichen, die ein so großer Teil des amerikanischen Traums war. Aber Hand aufs Herz, der Mann ist ein Räuber, zigfacher Mörder und auch Arthur kein Heiliger. Das ist klar und darauf baut auch die eigentliche Handlung auf, der ihr nach und nach und von Mission zu Mission folgt.

Aber was viel wichtiger in der Anspielzeit schien, das waren nicht die nett inszenierten Missionen. Es war die Welt, in der sie spielten. Sicher, das ist jetzt wirklich das, was Rockstar macht, aber es hier als Western-Sandbox in Aktion zu sehen, war, auch wenn man mir das jetzt vielleicht nicht ansah, schon hinreißend. Vor allem, als natürlich gleich wieder alles aus dem Ruder lief. Die Steuerung ist ein wenig eigen, vor allem, wenn man gerade ein paar Wochen mit Shootern zubrachte. Also verpasste ich erst mal meinem treuen Pferd einen Faustschlag in die Seite - ich wollte aufsteigen - und es revanchierte sich mit einem ordentlichen Austreten der Hufe, sodass Arthur auf dem Boden saß. Das hatte ich wohl verdient. Nachdem sich mein Pferd wieder etwas beruhig hatte, fand ich einen Typen, der von einer Schlange gebissen wurde und dabei war, elendig zu verrecken. Ein Gegengift hatte ich nicht, also, als der nette Kerl, der ich bin, gab ich ihm den Gnadenschuss. Leider kam eine Kutsche des Weges, deren Insassen die Leiche, meinen Colt und den Fakt, dass ich seine Taschen durchwühlte, komplett missverstanden. Also musste ich den Kutscher und eine erstaunlich widerstandsfähige Reisende erschießen. Keine Zeugen in den Weiten der Prärie.

Das ist sicher eine Art Arthur auch fröhlich weiterzuspielen und seine "Ehre"-Anzeige in die eine Richtung zu bewegen. Ohne Frage wäre ich dann bald ein gefürchteter Outlaw im ganzen Land. Aber das muss nicht sein und da die Steuerung langsam in Fleisch und Blut überging, kam die Interaktions-Taste immer mehr zum Tragen. Ihr könnt jede Person mit dem Trigger anvisieren und sie Grüßen, bedrohen oder kontextsensitiv nach Dingen befragen. Jede Person. Und sie reagieren sehr unterschiedlich. Manche grummeln vor sich hin, andere gehen auf euch zu - später wird hier auch die Ehre eine größere Rolle spielen, wenn es einen deutlicheren Ausschlag in eine Richtung gibt -, manche verraten euch Dinge, andere nicht. Es ist keine Welt, in der gleich geschossen wird. Ich stolperte über ein Lagerfeuer mit ein paar Mitgliedern einer anderen, verfeindeten Gang und in jedem anderen Spiel wären sofort die Kugeln geflogen. 08/15-Feinde am Rande des Weges sind halt dafür bekannt. Aber diese hier standen auf, winkten mit ein paar unfreundlichen Worten ab, dass ich mich verziehen soll. Ich ging näher, ohne eine Waffe in der Hand und sie wiederholten sich und zogen ihre Waffen, aber nach wie vor ohne zu schießen. Die Welt von Red Dead 2 versucht, angemessen auf das Bedrohungspotenzial zu reagieren, das von euch selbst ausgeht. Wäre ich mit gezogenem Colt auf das Lagerfeuer zugelaufen, dann hätten sie schneller ihre eignen in der Hand gehabt und viel früher geschossen. So aber blieb es erst mal bei nur drei Toten in der Wüste und ich zog weiter.

In einer kleinen Stadt - ein loser Begriff an der Wild Frontier, es waren kaum mehr als zwei Dutzend Häuser, eine Kirche und ein großer Stall - gab es dann noch mehr Gelegenheit zu testen, was die offene Welt so macht, wenn ich meinen Schabernack treibe. So nannte man das wohl, wenn ein Typ in die Stadt kommt, von einem anderen Typen genervt ist, der Spenden für was auch immer sammelt und dann mit einer Knarre vor dessen Nase herumwedelt. Der Spendensammler ist aus einer früheren Mission bekannt, aber das war mir egal, ich schickte ihn in die Wüste. Oder zumindest in die Prärie. Dorthin flüchtete er erst einmal, also auf dem Pferd hinterher. Dort erkannte der arme Mann, dass sein Plan einen Haken hatte, der nächste Ort weit weg ist und es eigentlich hier ja einen Sheriff gibt. Ich hielt mich an mein "keine Zeugen"-Mantra und probierte ein wenig Bogenschießen. Trotz der verbesserten mehrstufigen Dead-Eye-Zielhilfe mit bis zu fünf Zielmarkierungen stellte ich mich zu dusselig an und der Wald, in dem wir uns befanden, war auch nicht das einfachste Areal für Bogenschießen vom Pferd aus. Also schaffte es der Gute zurück in die Stadt und fast bis zum Sheriff. Vorher ritt ich ihn aber wenigstens noch mal um. Was das Auge des Gesetzes sah, darüber nicht erfreut war und seinerseits in Form des Sheriffs eine Waffe zog.

Hier hätte ich es jetzt eskalieren lassen können. Tat ich aber nicht, sondern drückte die Interaktionstaste und wählte "Hände hoch". Meine, nicht seine. Da der Mordversuch wohl nicht so klar war und ein wenig öffentliche Ruhestörung nicht so schwer wiegt kostete mich der Spaß eine Nacht mit staatlicher Vollverpflegung und acht Dollar Strafe. Man kann die Nacht hier sehr viel teurer verbringen, denn während tagsüber die Händler sich an ihre Öffnungszeiten halten und das Stadtleben der ehrlichen Arbeiter seinen Weg geht, kommen nachts die Paradiesvögel raus, im Saloon geht es bunt zu, die Karten fliegen tief, die Corsagen rutschen tiefer und Whiskey - mit "e" - fließt frei. Die Welt hat einen konsistenten Tag-Nacht-Rhythmus, mit dem ihr euch arrangieren müsst, wollt ihr Einkaufen oder Feiern oder einfach nur die richtigen Leute treffen, aber nicht nur das. Diese Leute - zumindest die mit einem Namen, was an solchen Orten auf die meisten zutrifft - sind ebenfalls alle konsistent mit der Welt verankert. Der Spendensammler jedenfalls nutzte die Gelegenheit meiner Zwangsübernachtung, das Weite zu suchen. Sein Stand war abgebaut, er selbst unauffindbar, aber mir wurde versichert, dass er irgendwo wohl sein wird.

In der Stadt lies sich schön das System der Nebenquests sehen, die auf der Karte nicht direkt mit der Gießkanne gestreut werden, sondern von euch gefunden werden sollen. An manchen kommt ihr einfach nah genug vorbei, so zum Beispiel ein Schriftsteller, der mit seiner Biographie über einen abgehalfterten Revolverhelden nicht so richtig vorankommt und euch bittet fünf seiner Kollegen zu finden, die sehr bunte Charaktere zu sein scheinen. Ihr bekommt diese ebenfalls nicht auf einer Karte direkt markiert, sondern in Form eines alten Fotos, auf dessen Rückseite ein paar Hinweise stehen, wo zuletzt von ihnen gehört wurde. Mal gucken, ob und wie euch das Spiel unter die Arme greift, wenn ihr euch diesen Orten nähert, aber der Ansatz den Spieler und sein Gehirn etwas mehr in die Quest-Lösung einzubeziehen, scheint vorhanden. Für andere Nebenquests müsst ihr die Ohren aufsperren, wenn euch der Büchsenmacher am Morgen im Smalltalk verrät, dass der Doktor im Ort irgendwie komisch ist, weil Leute reingehen, die dann den ganzen Tag nicht wieder rauskommen. Schaut ihr euch die Praxis genauer an, stellt ihr fest, dass ihr durch ein Fenster im Hinterzimmer eine Art Schmiergeldbüro der gegnerischen Gang sehen könnt. Was ihr damit anfangt, bleibt euch überlassen, denn immer noch wurde keine Quest auf der Karte markiert, aber eine Gelegenheit, die andere Truppe zu ärgern und ein paar Dollar zu machen ist das sicher. Und angesichts der Interaktionsmöglichkeiten eine, die sicher mehr Optionen bietet, als nur mit gezogener Knarre beim Doc vorbeizuschauen. In ein paar Wochen werde ich mich darum kümmern, jetzt wurde es Zeit, noch mal im Stall vorbeizuschauen.

Der Stall ist die Werkstatt des 19. Jahrhunderts und so könnt ihr hier Pferde kaufen, verkaufen und frisieren lassen. Wortwörtlich, ihr könnt eurem Gaul Zöpfe und Farbe für Mähne und Schweif verpassen. Das Pferd ist im Gegensatz zu den Autos in GTA aber kein Wegwerfartikel, sondern hier orientierte man sich ganz klar an Zelda: Breath of the Wild. Oder man hatte die gleiche Idee, wie auch immer. Wenn ihr ein Pferd neu bekommt, dann ist es noch ein wenig skeptisch und zurückhaltend. Oder geht auch schon mal durch, wenn plötzlich Kugeln fliegen oder eine Schlange es aufschreckt. Wenn ihr euch aber gut darum kümmert, es auch mal streichelt und vor allem viel Zeit mit ihm verbringt, dann wird es nicht nur zuverlässig bim zum Letzten. Es lernt auch Tricks, wie eine 180-Grad-Wende aus vollem Galopp in Form einer Vollbremsung mit viel Rutschen oder sogar Trippelschritt-Dressurtricks. Daneben ist das Pferd natürlich auch ein laufendes Inventar, denn auch wenn Arthurs Tragfähigkeit und Taschenformat nicht ganz realistisch ist, er ist stark eingeschränkt, was er einfach so am Körper tragen kann. Spätestens bei der Jagd wird das deutlich, wenn er einen erlegten Hirsch schultert. Dessen frisch abgezogener Körper ist auch eines der zahllosen Beispiele für die Detailverliebtheit des Spiels, die man gar nicht genug würdigen kann und eben eine der Sachen ist, die man bei dem Entwickler praktisch für gegeben erwarten: Nachdem ihr den Hirsch vom Gaul nehmt, bleibt der Pferderücken noch für eine Weile blutig, bis ihr das Fell reinig oder es mit der Zeit verschwindet.

Es wird Zeit, die Stadt zu verlassen - zügig, da ich auf dem Weg raus noch zwei Mitglieder der anderen Gang erschoss und so einen Mann rettete, den sie sich gerade vorgenommen hatten. Was es damit genau auf sich hatte, konnte ich nicht mehr erfahren, da ich keine Lust hatte, dem nahenden Sheriff zu erklären, wo die beiden Toten schon wieder herkommen und dass sie nichts mit den drei Toten in der Landschaft vor der Stadt zu tun haben. Irgendwie scheine ich die größte Gefahr in dieser Gegend zu sein, dabei wollte ich doch nur spielen. Das Lager der Van-der-Linde-Gang ist ein zentraler Ort für das Spiel, die Basis aller Operationen und ein ergiebiger Pool an Soap-Drama. Es sind halt ein Dutzend bunter Charaktere, die hier als mal mehr, mal weniger dysfunktionale Familie aufeinander hocken. Wer mit wem gerade Zoff hat, wessen Sorgen die größten sind, wer wen leiden kann oder auch nicht und wie Dinge wie Ehe so im Räuberlager ablaufen, über all das erfahrt ihr viel, wenn ihr nur durchgeht und ein wenig zuhört. Oder natürlich, ihr sprecht sie direkt darauf an, wobei euch das Spiel dann oft die Gelegenheit gibt, beschwichtigend oder verbal aggressiv auf die Person zuzugehen.

In diesem Punkt - und vielen anderen - zeigen sich deutlich mehr Rollenspielelemente als in vorigen Rockstar-Spielen. Arthur ist ein Outlaw, daran könnt ihr nicht viel ändern, aber was für einer, das definiert ihr über diese Gespräche und natürlich über euren Ehre-Faktor. Schließlich könnt ihr nicht jeden auf offener Straße erschießen und danach unschuldiges Lamm spielen. Leute reagieren vom Start weg anders auf einen Psychopathen als auf jemanden, der zwar den Bankraub macht, aber sonst versucht, ein anständiger Kerl zu sein, das gilt auch für die Bewohner des Lagers. Diese sind wie auch die anderen NPCs natürlich konsistent mit der Spielwelt verbunden, sie haben ihre Routine im Lager, ihre Aufgaben und bewegen sich durch die Welt, ohne zu teleportieren. Reitet ihr auf eine Mission, dann ruft ihr sie im Lager zusammen, sie kommen zu euch, satteln auf und es ist ein absolut nahtloser Übergang von euren freien Offene-Welt-Aktionen in die gescriptete Mission.

Bevor es noch zu den Missionen geht, bleiben wir für einen Moment im Camp, denn es wäre kein 2018er Spiel, wenn ihr eure Basis nicht hübsch machen dürftet. Investierte Dollar zahlen sich in besserer Lebensmittelversorgung und Wetterbeständigkeit aus und damit auch mit zufriedeneren NPCs. Da ihr selbst auch immer wieder mal was Essen müsst, um eure Werte für Energie, Dead-Eye und Ausdauer hochzuhalten, ist das auch ein wenig Eigennutz. Aber keine Sorge. Ihr müsst nicht alle paar Minuten ein Western-Sandwich bereithalten, damit Arthur nicht umfällt, aber gegen eine Mahlzeit an einem langen Tag hat er nichts. Diese Werte sind im sehr dezenten HUD - das eigentlich nur aus der Mini-Karte besteht - so lange verborgen, wie sie nicht beansprucht werden und dann auch nur als kleine Symbole über der Karte. Das hat natürlich den Vorteil, dass ihr mehr von der Spielwelt seht, was sich sowohl in detaillierten Orten wie dem Lager, aber natürlich auch dem beeindruckenden Panorama des Westens auszahlt. Und ja, es ist beeindruckend. Bis zum Horizont erkennt ihr kleine Feinheiten - in einer Form von PS4-Pro-4K, ich gehe mal von Checkerboard aus -, seht vom Hügel des Lagers aus ferne Kutschen und Vogelschwärme - auf die ihr schießen könnt, nur sehr wenig ist in diesem Western-Simulator Kulisse, fast alles in der Welt "real".

"Real" ist auch das Wetter, denn zunächst findet ihr euch in sehr kalten und verschneiten Gefilden wieder - fantastisch, wie der Pulverschnee aufstiebt, wenn die Pferde durchreiten - und hier solltet ihr nicht nur mit einer Lederweste um den Leib herumlaufen. Im Lager habt ihr eine nach und nach umfangreichere Kleidungsauswahl, die nicht nur nach Geschmack gewählt werden sollte, sondern auch nach Notwendigkeit. Waffen wollen auch ein wenig gepflegt werden, sonst gehen sie kaputt. Das klingt zwar wie die Pferde auch nach Zelda, aber keine Sorge, alle paar Wochen ein wenig Waffenöl reicht hier, es ist nicht so, dass die Winchester nach zwei Tagen auseinanderfällt. Waffen haben natürlich unterschiedliche Werte und Qualitäten, wer Langeweile hat, darf seine Lieblinge auch mit Gravuren verzieren. Ein wenig Crafting darf nicht fehlen, dazu gehört hier auch Spezialmunition, die genau auf die Waffen angepasst sind.

Sobald ihr all das getan habt, geht es auf eine Mission und zwar gegen den Anführer der konkurrierenden Gang. Ein Gefangener im Lager verrät euch nach ein wenig nicht gewaltsamer Überzeugungsarbeit - Van der Linde ist sich allerdings nicht zu fein, um nicht angedrohte Kastration heranzuziehen, um zu erfahren, was er wissen will -, wo das Versteck liegt. Also aufgesattelt und auf geht es. Ihr reitet die Strecke ab und auf diesem Weg bietet es vergleichbar mit GTA einen wirklich nett geschriebenen und gesprochenen Plausch, der die Zeit verfliegen lässt. Vor Ort, einer Hütte im Wald, schleicht ihr euch heran und könnt nun mit dem Interaktions-Menü bestimmen, ob ihr selbst zur Sache geht oder Mitglieder eurer Gang im Stealth-Modus heranschleichen und sich um die Wachen kümmern sollen. Das geht für ein paar der Wachen gut, aber dann werde ich übermütig und versuche eine sehr weit weg hockende Wache mit dem Wurfmesser zu erledigen. Fast filmreif beugt er sich in der Sekunde zu seiner Suppe nach unten, das Messer landet im Baum hinter ihm und das ist dann der Startschuss.

Egosicht ist jederzeit und überall im Spiel möglich, aber persönlich fühlt es sich für mich bei Rockstar immer irgendwie "falsch" an. Wenn ihr das anders seht, dann wunderbar, wie gesagt, auch dieses Feuergefecht dürft ihr als First-Person-Shooter spielen. Ich halte mich da an die Schulterkamera und es ist das, was man erwarten darf: Eine geschliffene Version der GTA-Mechaniken mit einem einfachen Deckungssystem auf Tastendruck, Auto-Anvisieren beim Heben der Waffe - natürlich abschaltbar - und ordentlich Punch und Rückstoß in den "antiken" Waffen. Man merkt schon, dass damals Waffen noch nicht die verfeinerten Mordwerkzeuge von heute waren und das soll ja auch so sein. Dazu gehört auch, dass der Hahn gespannt werden muss, was über einen Extra-Trigger-Zug gelöst wurde. Daran muss man sich gewöhnen, oder aber man setzt immer ab, denn sobald die Waffe gesenkt und wieder gehoben wird, spannt Arthur automatisch den Hahn. Mit der Hilfe meiner NPC-Freunde ist das Lager schnell geräumt, der gesuchte Anführer nicht zuhause und das Leben geht weiter. Nicht die spektakulärste Mission, aber Enttäuschungen gehören zum Cowboy-Leben dazu.

Das zeigt sich auch in der ersten gezeigten Mission, die etwas früher in der Handlung spielt. Ein Zug soll überfallen werden und alles ist ganz sauber geplant. Es läuft perfekt. Bis zu dem ersten Moment im Plan, in dem das Dynamit die Gleise sprengen soll. Es zündet einfach nicht. Also schnell aufgesprungen, über das Dach geflitzt, ein wenig durch die Waggons geballert und den Zug zum Stehen gebracht. Das wollte der Lokführer mit seiner treuen Kohleschaufel zwar verhindern, aber ein verbessertes Prügel-System mit mehr Moves und vor allem sich direkter und präziser anfühlender Steuerung beenden seinen Widerstand schnell. Die restlichen aus dem nun gestoppten Zug springenden Wachen schnell noch erledigt und dann wird in einer netten Szene der gepanzerte Waggon eines berüchtigten Industriemagnaten des Staates geplündert. Das ist sicher immer eine gute Idee und praktisch eine Garantie für eine ruhige und ereignislose Zukunft. Und zuletzt dürft ihr noch entscheiden, was mit den drei überlebenden Wachen passiert. Nun, Arthur hat vergessen sein Gesicht zu maskieren und irgendwie schleicht sich dann immer eine Heat-Referenz in einen Rockstar-Artikel. Wie auch in dem legendären Gangster-Film würde es für mich heißen: Keine Zeugen. Ein Konzept, dass ich auch hier ja bereits ausgiebig erprobt habe.

Gerade kam noch die News rein, dass es natürlich auch einen Online-Modus geben wird, der euch ganz tolle Sachen bieten wird. Was das genau ist, das werdet ihr nicht direkt zum Start des Spiels erfahren, aber ein offener Beta-Test ist noch für November angesetzt.

Red Dead Redemption 2 ist das, was man von Rockstar erwartet. Und das ist nicht weniger als das Beste, was aktuell möglich ist. Wieso also sollte ich besonders beeindruckt gucken, wenn auf dem Screen das Beste läuft, was aktuell möglich ist? Dabei waren es nicht die beiden Missionen, die einen natürlich doch vorhanden extraordinär positiven Eindruck hinterließen. Diese waren okay. Das, was halt so passiert, wenn man in einer offenen Welt eine Geschichte erzählen will und das auf eine dramaturgisch ausgesprochen kompetente Art tut.

Aber die Welt selbst und die Interaktionsmöglichkeiten mit ihr sind das, was Red Dead Redemption 2 auf ein neues Level hebt. Ihr marodiert nicht unbedingt dauernd waffenschwingend durch eine Kulisse. Es lädt euch ein, die Waffe stecken zu lassen und euch durch den Westen zu bewegen als wärt ihr ein normaler Mensch. Sicher, es ist eine gefährliche Welt, aber eben auch eine, in der eine Drohung oft genug reicht, eine gezogene, aber nur locker gehaltene Pistole Eindruck schafft und wenn Kugeln fliegen, dann ist das kein belangloses Alltagsereignis, sondern etwas, das den Charakter weiter prägt. Das zusammen mit der Detailverliebtheit, sowohl visuell wie auch in vielen Gameplay-Feinheiten, ergibt nicht weniger als einen endlos ambitionierten Wester-RPG-Simulator vom einzigen Studio, dem man aktuell zutrauen kann, diese Art von strukturiertem Größenwahn auch tadellos umzusetzen. Und wie es aussieht, haben sie erwartungsgemäß auch genau das getan. Kein Grund also beeindruckt zu sein, wenn die Götter der Branche Wunder vollbringen. Aber angemessen freuen dürft ihr euch auf dieses Monster von einem Spiel, das da im späten Herbst auf euch zureitet.


Entwickler/Publisher:Rockstar Erscheint für:PS4, Xbox One (PC Version bisher ohne Termin oder überhaupt direkte Ankündigung) - Geplante Veröffentlichung: 26. Oktober 2018

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