Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Lonely Mountains: Downhill: Mein persönliches Lieblingsspiel der EGX Berlin

Der Berg ruft. Und ruft. Und ruft.

Was für eine schlichte Eleganz doch in dem Konzept liegt: Du und dein Bike gegen den Berg. In Wahrheit ist natürlich alles sehr viel komplizierter. Der Berg ist ein launisches Biest und die Zeit - in Form der eigenen Ambition und der all deiner Freunde - sitzt dir im Nacken. Aber diese Einsamkeit im steten Weg nach unten, mal eine sich sachte windende Serpentine hinunter, mal die fast senkrecht wirkende Abkürzung, die man irgendwann entdeckte und sich nur mit angehaltenem Atem hinunterwagt, fühlt sich ein bisschen wie Ferien an.

Das Rauschen der Winde, die den Gipfel streicheln, zwitschernde Vögel, das Geräusch von spritzendem Kies und blockierenden Reifen auf blankem Stein - das hat was von Extremsporturlaub und echtem Eskapismus, auch wenn die visuelle Umsetzung alles andere als fotorealistisch ist. Konkret und irgendwie real wirkt auf diesen einsamen Bergen trotzdem alles.

Keine Zielmarkierung gibt euch vor, wo es langgeht. Der Berg verrät es euch.

Nicht REAL-real, aber anfassbar und echt. Dafür sorgen die fixe erhöhte Kameraperspektive und die betont kantigen, aus wenigen Polygonen bestehenden Objekte, die mit viel Gefühl für das richtige Licht und geschickte Tiefenschärfe den Eindruck erwecken, in einen handgemachten Schaukasten hineinzublicken. Auf ein Modell vielleicht, eine Miniatur, auf deren Format man sich gedanklich gerne und ohne größeren Fantasieaufwand schrumpfen lässt.

"Handgemacht" stimmt vor allem auch deshalb, weil laut Entwickler Jan Bubenik, der zusammen mit Co-Designer Daniel Helbig Megagon Industries gründete, auf diesem und den drei anderen Bergen jede einzelne Blume manuell platziert wurde. Der Eindruck, dass man hier nichts dem Zufall - oder prozeduraler Generierung - überließ, bestätigt sich im Spiel schnell. Jagt man auf der Suche nach Bestzeiten von einem Checkpunkt zum nächsten das Gebirge hinunter, findet man nicht nur in der sich ab und an verzweigenden Normalroute (kenntlich gemacht allein dadurch, dass dieser Weg ein wenig abgenutzter aussieht) eine ausgefuchst designte Rennstrecke, sondern links und rechts des Weges Dutzende mögliche, drastische Abkürzungen. Jede davon ist ein Geschicklichkeitstest für sich. Ein paar, ist man sich sicher, entdeckt man ganz allein und saust sie als erster Mensch vor allen anderen herunter.

Beim ersten Versuch wird man noch recht häufig von etwas plötzlich auftauchenden Hindernissen überrascht. Mit zunehmender Streckenkenntnis und Radbeherrschung ist das aber kein Thema mehr.

Das ist natürlich Nonsens. Aber es motiviert, sich nach einigen Erkundungsfahrten aus all den möglichen Routen seine persönliche Idealstrecke zusammenzupuzzeln. Hier schleicht sich in den Ruhepausen, wenn man nach einem Sturz zum letzten Kontrollpunkt zurückgesetzt wird, in den Zen-Status immer wieder auch Kopfarbeit ein, denn euch hilft niemand auf die Sprünge, wo es noch einmal auch noch lang ging und wie ihr diese eine Passage noch mal am besten fahrt. Insofern: "Einmal den Berg runter" kann jeder und braucht dafür beim ersten Mal alles Mögliche zwischen zehn und 20 Minuten. Aber dabei wird es nicht bleiben, weil man nach einem Run schon alle alternativen Routen gedanklich durchspielt und sich den Kopf zerbricht, wie man eine bestimmte Stelle am besten meistert. Und dann ist man wieder drin und versucht es noch mal.

Dass das so gut funktioniert, liegt an dem simplen Regelwerk, das euch wenig mehr in die Hand gibt als Gas, Bremse, Richtung - optional relativ zum Fahrer mit links/rechts Steuerung (erwies sich beim Anspielen als optimal) oder absolut und von der Kamera aus gesehen - sowie eine an eine Ausdauerleiste gebundene Sprintfunktion. Den Rest erledigen die Eigenschaften der unterschiedlichen Bikes, die Untergründe, über die ihr sie peitscht, und die akkurate Physiksimulation. Sprünge gibt es nur dann, wenn ihr mit Schwung über eine "Rampe" fahrt, und alles was als solche durchgeht. Um Tricks macht ihr euch keine Gedanken und nicht einmal den Winkel des Rades beim Aufprall müsst beziehungsweise könnt ihr beeinflussen. Alles was zählt ist, nicht zu tief zu fallen und dass die Längsachse des Rades bei der Landung in Bewegungsrichtung zeigt.

Die Anspiel-Session dominierte immer wieder dieses kurze Luftanhalten, wenn man sich an Stellen wie dieser ein Stück weit der Schwerkraft heillos ausgeliefert fühlt.

Es fühlt sich einfach griffig an, wenn es griffig sein soll und vermittelt den Kontrollverlust, wann immer man mal wieder zu schnell war oder den Untergrund über- oder eine Kurve unterschätzte, genau richtig. Eine gute Fusion aus aufgeräumter Optik und gezielt eingesetzten Soundeffekten. Ihr wisst immer, woran es lag, wenn ihr euch hingelegt habt. Und natürlich gibt's gemeine Ragdoll-Effekte, wenn sich euer Fahrer mal wieder um einen Baum wickelt oder einen Canyon hinuntersegelt. Wird einfach niemals alt.

Standardmäßig ignoriert der Zeitnehmer alle Fehlversuche und reiht nur die Zeiten aller unfallfreien Etappen aneinander. Aber es gibt auch unbarmherzigere Spielmodi, bis rauf zu dem, in dem einem gar keine Fehler unterlaufen dürfen. Ich sehe sich schon jetzt eine vergleichbar verbissene Bestzeiten-Community um Lonely Mountains: Downhill versammeln wie um Trials. Mir gelangen mit meinem zweiten und dritten Versuch schon drastisch schnellere Läufe, bis ich schließlich bei 2:27 Minuten landete und auf meine kurze Freude darüber direkt der Impuls folgte, es gleich noch einmal zu versuchen.

Oder doch direkt rechts runter? Gute Ideen von schlechten zu unterscheiden - das ist der Stoff, aus dem Bestzeiten gemacht sind.

Die Suche nach Abkürzungen, der Rausch, wenn man eine ausgedehnte gemeine Schikane mit einem Tempo nahm, das man ein paar Meter zuvor noch nicht für möglich gehalten hätte, das Puzzlen um die beste Route, denn "hey, man ist alleine hier und hat alle Zeit der Welt" - das zieht einen immer wieder hinein in ein Spiel, das einen originellen Spagat zwischen Spannung und Entspannung schlägt.

Es sollte bei meinen drei Versuchen bleiben, denn ich hatte auf der EGX noch andere Dinge anzuschauen. Das hier blieb trotzdem bis zum Schluss mein persönlicher Liebling - und als ich zu Hause ankam, lud ich mir direkt die 1-Minute-Demo herunter und spielte auch die noch einmal eine gute Stunde. Es kommt selten vor, dass ich einem Spiel nach einer Messe noch so lange nachhänge.

Wer findet, das klingt alles spitzenmäßig, der muss sich leider noch ein bisschen gedulden. Bis das Spiel mit all seinen vier Bergen, Routen, Abkürzungen und versteckten Locations fertig ist, hat das Jahr 2019 schon ein paar Monate auf dem Buckel. Wenn Lonely Mountains: Downhill so gut wird, wie es sich am vergangenen Wochenende präsentierte, warte ich gern.


Entwickler/Publisher: Megagon Industries - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Geplante Veröffentlichung: 2019 - Angespielt auf Plattform: PC

In diesem artikel

Lonely Mountains: Downhill

PS4, Xbox One, PC, Mac, Nintendo Switch

Verwandte Themen
Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
Kommentare