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Project C: Die neue Sci-Fi-Welt des Designers hinter Half-Life und Dishonored wird euch

... und welche Rolle die Cloud dabei spielt.

Vor einigen Jahren war die Cloud das große Thema auf Microsofts E3-Konferenzen. Den echten Durchbruch hat sie im Gaming-Bereich bis heute nicht geschafft, was nicht heißt, dass das Thema vom Tisch wäre. Ganz im Gegenteil. "Die Cloud ist die nächste Revolution im Gaming-Bereich", sagt Benjamin Charbit, CEO des Pariser Entwicklerstudios Darewise Entertainment. "Und wir nutzen sie zu 100 Prozent aus."

Darewise entstand im Januar 2018, neben Charbit (Assassin's Creed) zählen Viktor Antonov (Art Director von Half-Life 2, Dishonored) und Samuel Kahn (Ghost Recon, The Division) zu den Gründungsmitgliedern. Seitdem arbeiten sie an ihrem Debütprojekt, das bis jetzt noch den Titel Project C trägt. Charbit beschreibt es mir gegenüber als "Next-Gen-Social-Adventure". Es ist ein Sci-Fi-MMO, das die Cloud in Gänze ausnutzt. So lautet der Plan.

"Dank unserer Partnerschaft mit Improbable ist es uns möglich, eine gigantische Welt mit tiefgreifender Simulation zu erschaffen", erzählt er. "Tausende Spieler rund um die Welt teilen sie sich." Es gebe weder Spawns noch Despawns von Kreaturen beim Betreten und Verlassen eines Gebiets. Jedes Wesen in dieser Welt sei persistent. "Sie leben, essen, ruhen sich aus und reisen", fügt er hinzu. Durch die Cloud seid ihr zudem nicht an einen Standort gebunden. Die Entwickler möchten erreichen, dass ihr von überall aus auf die Spielwelt Zugriff habt. Das Spiel laufe aktuell plattformübergreifend auf dem PC und Mobilgeräten.

Für die Gestaltung der Sci-Fi-Welt ist Half-Life-2- und Dishonored-Visionär Viktor Antonov verantwortlich, dessen markanter Stil sich bei vielen Spielern eingeprägt haben dürfte.

Mit der Situation rund um Crackdown 3, das Microsoft damals als Titel anpries, der die Cloud für maximalen Effekt ausnutzt - es erscheint in dieser Woche -, sei das nicht zu vergleichen. "Crackdown 3 nutzte Cloudgine, die Epic Games im letzten Jahr übernahm", sagt Charbit. "Das sind zwei absolut verschiedene Situationen. Improbables Technologie ist betriebsfähig und 300 Techniker kümmern sich um die Entwicklung."

Gleichzeitig half Improbables SpatialOS-Technologie dabei, die Entwicklungszeit zu verkürzen. Charbit geht davon aus, dass die Macher so zwei Jahre einsparen. "Wir wechseln derzeit zu ihrem neuen GDK, das es Entwicklern im Grunde ermöglicht, das Netzwerk als native Ebene der Unreal-Engine zu behandeln", erklärt er. "Darüber hinaus arbeiten wir eng mit ihnen zusammen, sprechen über die Roadmap, Arbeitsabläufe und solche Sachen. Die Technologie ermöglicht es uns, eine statische Welt, wie du sie mit früheren Technologien hast, um eine aktive Simulation zu ergänzen. Wir haben aggressivere Optionen im Hinblick darauf, die Spieler dauerhafte Veränderungen an der Welt vornehmen zu lassen."

Für Charbit folgt die Entwicklung eines Triple-A-Projekts immer dem gleichen Ablauf. Alles beginne mit einer starken Vision. Dann komme die Konzeptionierung und die Verfeinerung in der Pre-Production-Phase, bevor während der eigentlichen Entwicklung mit größeren Änderungen zu rechnen sei. "Ich kann keine konkreten Beispiele nennen", erläutert er. "Aber einige der Projekte, an denen ich arbeitete, waren am Ende meilenweit von ihren ursprünglichen Konzepten entfernt."

Die Menschheit kolonisiert eine fremde Welt.

Als unabhängiges Studio, das an einem "Games-as-a-Service"-Projekt arbeite, sei das anders. Hier habe alles mit einem einzelnen Versprechen an die Spieler begonnen. "Lasst uns ein Triple-A-Spiel machen, bei dem keine langen Spielsessions nötig sind, um Spaß zu haben", erklärt Charbit. "Wir alle sind große MMO-Fans, finden aber keine Zeit mehr dafür, weil unsere Leben heute anders sind. Es gibt so viele Ablenkungen und Verpflichtungen. Wir spielen keine Spiele mehr, die uns dazu zwingen, zwei Stunden auf der Couch zu sitzen. Vielleicht ab und an, aber wir möchten die Freiheit haben, die Spielwelt jederzeit und überall zu betreten."

Dass Project C ein Sci-Fi-MMO ist, ist zum Teil Charbits früherer Arbeit bei Ubisoft zu verdanken. Dort arbeitete er immer an Spielen mit einem Bezug zur Realität. "Ich liebe das Genre, wenngleich es von einem Design-Standpunkt aus gesehen sehr einschränkend ist", sagt er. "Sci-Fi bietet so viele Möglichkeiten für eine Menge witziger Dinge. Und Viktor hat einfach ein Händchen für die Gestaltung von Sci-Fi-Welten, die dich umhauen."

Zugleich sagt er, dass das Team die Bezeichnung "MMO" ungern verwende. Viele Spieler sehen diese als Akronym für MMORPGs. "Sie stellen sich eine Menge, Quests, Grinding und so weiter vor", erzählt er. "Wir nennen es lieber eine gigantische und persistente offene Welt." Science-Fiction als Hintergrund mache vieles möglich. Schauplatz ist die fremde Welt Corvus, die von der Menschheit zur Kolonisierung freigegeben wird. Eine Welt voller Möglichkeiten und Gefahren. Dort gibt es Kreaturen und Rohstoffe, die auf der Erde nicht existieren - und Überbleibsel einer uralten Zivilisation.

Spieler arbeiten zusammen, bauen eine virtuelle Gesellschaft auf.

"Im Mittelpunkt des Designs steht die Erschaffung einer lebendigen, atmenden und interaktiven Welt", erklärt Charbit. "Denk weniger an Disneyland, mehr an Westworld. Die Menschheit hat vor kurzem entdeckt, dass sie Teil einer galaxieumspannenden Zivilisation ist. Und eines der ersten Resultate nach dem Beitritt zu dieser Zivilisation ist, dass die Menschheit die Erlaubnis erhält, ihr erstes extrasolares Sonnensystem zu kolonisieren."

Die Planeten, die die Spieler kolonisieren, erstellt Darewise schrittweise. Die Werkzeuge dafür arbeiten prozedural, werfen aber nicht zufällig neue Inhalte aus. Vielmehr kümmern sich Designer und Künstler um die Gestaltung. Derzeit sei die Spielfläche noch klein, da die Macher die grundlegenden Systeme des Spiels testen und anpassen sowie neue hinzufügen. Sobald die optimale Menge an Spielern, Pflanzen, Tieren und anderen Dingen für jedes Biom feststehe, könne die Spielwelt schnell erweitert werden. "Unsere bisherigen Tests stimmen uns zuversichtlich", sagt er.

Das Ziel der Entwickler ist, dass sich kurze (ein paar Minuten) und lange (über Stunden) Spielsessions lohnen. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, sich mit der interaktiven Welt zu beschäftigen. Als Beispiel nennt er Spieler, die Clans gründen und zusammenarbeiten, um Siedlungen zu erschaffen. Und manche davon befassen sich mit dem Layout, den gewünschten Gebäuden und Verteidigungsmaßnahmen. Das sei eine eher langfristigere Aufgabe.

Auf dieser Welt findet ihr auch Überbleibsel einer alten Zivilisation.

"Nehmen wir an, ich habe 15 Minuten Zeit", sagt er. "Ich verbinde mich über mein Mobiltelefon mit der Spielwelt, schaue mir die verfügbaren Aufträge an und sehe drei Lieferaufträge mit einer anständigen Belohnung. Ich belade mein Fahrzeug mit den gewünschten Rohstoffen, fahre zum Lieferort, lade das Zeug aus und verdiene mir schnell einige Credits. Habe ich fünf Minuten Zeit, verbinde ich mich mit der Welt, checke meine Farmen und sammle ein wenig Eisenholz, das ich dann für meine Clankollegen ins Lager werfe."

"Oder ich gehe in die Spielwelt, weil ich eine Benachrichtigung über einen Angriff auf meine Siedlung erhielt", ergänzt er. "Ich entdecke einige kleinere, von Sandhaien verursachte Schäden. Ich repariere es schnell und schicke meinem Clan eine Nachricht, damit sie auf dieser Seite einige Geschütze platzieren, um künftige Angriffe abzuwehren. Noch ein simples Beispiel: Ein Spieler stellt eine Verbindung auf seinem Handy her, erstellt einen neuen Auftrag für andere Spieler und loggt sich aus. Das wäre eine Interaktion von weniger als einer Minute."

Der gleiche Spieler könne sich später am PC mit anderen Kollegen aus seinem Clan zusammenschließen, um in einem unerforschten Teil der Welt nach neuen Rohstoffen zu suchen. Oder die Spieler agieren unabhängig voneinander und sammeln individuell benötigte Dinge, um Technologien, Verteidigungssysteme und Gebäude in der Siedlung zu verbessern. "Ebenso ist es möglich, dass die gleiche Gruppe einen Angriff auf die Siedlung eines erklärten Feindes organisiert", führt er aus. "Das resultiert in einer Menge Action und es gibt verschiedene Rollen, abhängig von der Ausrüstung der Spieler. Und es erfordert definitiv mehr Zeit."

Große Worte: Project C soll die Welt der Online-Spiele revolutionieren.

Die Entwickler haben insgesamt nicht weniger vor als eine Revolution der Online-Spiele. Ob das ebenso in der Hinsicht zutrifft, dass die Macher zum Beispiel keine Add-ons verkaufen und auf kostenlose Inhalte setzen, verriet Charbit nicht im Detail. Corvus vergrößere sich als lebendige Welt auf eine dynamische Art, neue Planeten kämen ebenso hinzu wie neue Bereiche auf vorhandenen Welten. Neben den Grundstücken gebe es klassische Inhalte wie Kleidung, Waffen, Fahrzeuge und Gebäude.

"Es basiert stark auf Systemen und der Manipulation dieser Systeme durch die Spieler, um neue Erfahrungen zu schaffen", sagt er. "Die Bau- und Fahrzeugsysteme sind modular. Es ist möglich, später neue Module zu ergänzen. Bewegung und Kampf basieren auf den Ausrüstungs- und Fahrzeugsystemen. Beide sind erweiterbar. Neue Kampf- und Bewegungsmethoden lassen sich einführen, wenn neue Ausrüstung in den Handelsposten der Planeten verkauft wird."

Im Endeffekt unterscheiden sich die meisten MMOs wenig voneinander, abgesehen von unterschiedlichen Szenarios und Franchises, die Verwendung finden. Wie gelingt es Project C, hier aus der Masse hervorzustechen? "Es gab einige tolle Erlebnisse in MMOs und MMORPGs", findet er. "Die meisten davon sind durch ihr Themenpark-Design eingeschränkt. Die Welt verändert sich nicht, vielmehr die Werte des Charakters. Das liegt vor allem an technologischen Einschränkungen. Indem wir den Zugriff auf Berechnungen und Speicherplatz dynamisch skalieren, ist es uns möglich, uns vom statischen Design der Spielwelt zu entfernen. Als Industrie haben wir weiterhin Schwierigkeiten damit, umfassende Simulationen mit zehntausenden Spielercharakteren zu realisieren, aber es ist heutzutage ein viel realistischeres Vorhaben."

Das Spiel setzt in vollem Umfang auf die Cloud.

Wie zu Anfang erwähnt, nahm Darewise Entertainment im Januar 2018 seinen Anfang. Seitdem hat sich das Design von Project C weiterentwickelt, die Grundpfeiler seien nach wie vor intakt. Wichtig war es den Machern, so schnell es geht eine spielbare Version zu entwickeln. "Um die Ideen zu testen und zu sehen, ob sie Spaß machen", erzählt er. "Wir erstellten bis Mai einen spielbaren Prototyp mit integriertem SpatialOS, unseren Werkzeugen zur Erstellung der Welt und dem Entity-System. Dann testeten wir die ersten Versionen der Mehrspieler-Fahrzeuge, eingeschränkte Bau- und Reparatursysteme, das Sammeln von Rohstoffen sowie KI-gesteuerte Tiere und ein paar Aufträge für die spielbare gamescom-Demo im August."

"Die Systeme, die uns gefielen, haben wir seitdem mit stabilem Code ausgestattet", fügt Charbit hinzu. "Wir ergänzten neue Werkzeuge für die Weltgestaltung, entwickelten das Design der Fahrzeuge, Spielercharaktere sowie anderer Dinge weiter und wechselten von der SDK- zur GDK-Version von SpatialOS."

Alle zwei Wochen entsteht seinen Angaben zufolge eine neue Version. Dazwischen experimentiert das Team mit neuen Prototypen und entwickelt vorhandene Systeme weiter. Es sei eine Live-Entwicklungsphilosophie, bei der es keine klassische Vorproduktion, Produktion oder einen Launch gebe. Alle Systeme entwickle das Team parallel, um immer eine spielbare Version zu haben.

Von überall aus sollt ihr euch in die Spielwelt einloggen können.

Die größte Herausforderung bestand für ihn in der Zusammenstellung des Teams. Es sei eines der größten Probleme, mit dem neue Unternehmen zu kämpfen hätten. "Wir haben im letzten Jahr mehr als 20 sehr erfahrene Entwickler eingestellt", sagt er. "Die nächste Herausforderung ist, all diese Leute auf die gleiche Linie zu bringen und die Tools und Pipelines für die Entwicklung auszuarbeiten. Wir formten in diesem Jahr nicht allein die Spielwelt, sondern ebenso diese Gruppe von talentierten Leuten zu einem hocheffizienten Team mit einem Sinn für Kameradschaft und gegenseitigem Vertrauen. Wir sind nicht einfach Entwickler in einem Studio, wir haben Spaß zusammen. Daher ist das Studio ein toller Ort zum Arbeiten. Die Herausforderung ist jetzt, diese Kultur beizubehalten, während wir auf die doppelte Zahl an Mitarbeitern heranwachsen."

Hinter dem Projekt steckt eine Menge Erfahrung. Diese Erfahrung mache das Team effizienter, schneller. Es sei nicht nötig, Prozesse erst zu erlernen. Das ermögliche es den Entwicklern, mehr Chancen zu ergreifen und mehr Dinge zu tun. "Durch unsere 'Immer spielbar'-Entwicklungsphilosophie ist es möglich, jederzeit Spieltests durchzuführen und das Erlebnis kontinuierlich zu verbessern. Es gibt keine Wochen oder Monate, in denen was nicht funktioniert oder in einer Art und Weise in der Entwicklung steckt, dass es das Spiel davon abhält, spielbar zu sein."

Intern entwickelt Darewise Project C auf dem PC, die übliche Vorgehensweise. Das Kontrollschema unterstütze dabei ständig Maus und Tastatur sowie Konsolen-Controller, der Client-Code wird für PC und Konsolen kompiliert. "Ebenso spielen wir es durch eine Streaming-Partnerschaft auf Mobilgeräten", erklärt er. "Das ermöglicht ein Spielerlebnis in PC-Qualität auf jedem Smartphone mit Touchfunktion, das wir bis jetzt getestet haben. Die Steuerung entwickelt sich weiter und ein kleiner Client kommt für den mobilen Zugriff zum Einsatz."

An echtem Spielmaterial mangelt es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch, was sich in diesem Jahr ändert. Darewise' Pläne klingen ambitioniert. Die spannende Frage ist, wie es den Entwicklern gelingt, ihre Visionen in die Realität umzusetzen und sich damit von der üblichen MMO-Formel zu entfernen. Eine Frage, auf deren Antwort wir noch eine Weile warten werden müssen.

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

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