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Crash Team Racing: Nitro Fueled - Test: Beuteldachs > Klempner

Mal wieder, ganz als wäre es '99.

Eurogamer.de - Herausragend Badge
CTR, oder Crash Team Racing: Nitro Refueld setzt im Gegensatz zum großen Konkurrenten weniger auf Glück und holt sich die Kart-Krone zurück.

Es ist eine eiserne Regel seit Jahren. Da kann Marios ehemaliger großer Konkurrent noch so traurig aus seinen zusammengewachsenen Augen blinzeln und (nicht zu Unrecht) sagen, "Sonic Racing ist aber auch nicht schlecht!": an der Macht von Klempnern, Prinzessinnen, Pilzen und Drachen auf Karts kommt keiner vorbei. Schon gar nicht, wenn sie gerade mit Mario Kart 8 Deluxe auf der populären Switch auf der Höhe ihrer Macht stehen. Keine Chance. Oder?

Auftritt Crash Bandicoot, wenn auch nicht gerade mit einem neuen Spiel. Crash Team Racing Nitro Refueled ist ein Remake, sicher. Daran gibt es aktuell keinen Mangel. Selbst Crash begnügte sich bereits mit einer Neuverpixelung alter Level. Aber Nitro Refueld geht den Schritt extra. Es will diesen Unterschied bei sich sehen, den ein großartiges Remake von einer Neudefinition eines Klassikers trennt. Beenox kniete sich rein. Sie bauten das alte 99er PlayStation-Spiel von Grund auf neu. Sie verdoppelten fast die Zahl der Strecken, indem sie die aus der PS2-Ära gleich mit reinpackten. Sie entwarfen sogar eine neue Piste. Und vor allem schauten sie sich an, was Crash Team Racing - ab jetzt CTR - zu einem der beliebtesten Party-Spiele auf der ersten PlayStation machte, untersuchten wie es ihm damals gelang, den Klempner in die Schranken zu weisen und analysierten messerscharf, wie ihnen das heute wieder gelingen kann.

Frisch, als wäre kein einziger Tag vergangen, geschweige denn 20 Jahre.

Der wie so oft größte Kritikpunkt an Mario Kart ist das Zufallselement. Der richtige Panzer zur richtigen Zeit kann kaum mit Skill besiegt werden. Alle Runden auf dem ersten Platz, nur um in der letzten auf die Vier zurückgeschossen zu werden … danke auch. Klaro, etwas Zufall gehört immer dazu, aber man kann schon argumentieren, dass er hier zu oft über Skill siegt. Diese Momente gibt es in jedem Kart-Racer und auch CTR ist nicht frei davon. Aber wo Mario Kart sich oft nach 60 Prozent Können und 40 Prozent Glück anfühlt - frei nach Gefühl über ein paar Hundert Runden geschätzt -, verschiebt sich das bei CTR deutlich in Richtung Können. 80-20 oder sogar noch weiter.

Erst einmal werdet ihr bei einem Treffer nicht ganz so drastisch zurückgeworfen. Das Schlimmste, was euch passieren kann, ist, irgendwo hängenzubleiben, das wird euch auch hier zig Plätze kosten, aber das könnt ihr nur selten jemand anders als euch selbst ankreiden. Erwischt euch eine Rakete oder werdet ihr die TNT-Kiste auf dem Kopf durch panisches Hüpfen nicht schnell genug los, dann heißt das bei ein wenig Abstand nicht gleich, dass ihr auch zurückfallt. Gleichzeitig ist auch ein Treffer beim Vordermann keine Garantie, dass ihr Plätze wettmacht. Das kann mitunter frustrieren, hinterlässt insgesamt aber schon ein viel größeres Gefühl von Fairness, vielleicht mehr als in fast jedem anderen Kart-Racer, die gern dazu neigenm, den Extras zu viel Macht zu geben.

Streckenkenntnis ist alles, aber das ist manchmal leicht gesagt.

Dann ist da das wichtigste Feature, das CTR von praktisch jedem anderen Kart-Racer absetzt, sei es, weil es überhaupt existiert oder weil es kompetent umgesetzt wurde: der Drift-Boost. Es gibt zwei Boost-Tasten, eine links und eine rechts. Drückt ihr eine und eine Richtung vollführt das Kart einen kleinen Hopser und beginnt dann in die Richtung zu driften. Dabei lädt sich innerhalb von ein, zwei Sekunden ein Boost auf. Drückt genau im richtigen Moment die andere Boost-Taste und ihr beschleunigt mit dem zusätzlichen Schub. Aber natürlich nicht geradeaus, sondern in die eingeschlagene Kurve hinein. Es ist eine sehr elegante Art sehr schnell durch auch sehr enge Kurve zu kommen, ohne langsamer zu werden - im Gegenteil sogar - oder wie bei so vielen Konkurrenten über die Jahre mit der Wand Ping-Pong zu spielen.

Der kleine Haken daran ist, dass das System zwar wunderbar funktioniert und genau und auch sehr präzise tut, was es soll: Das Zufallselement minimieren sowie Timing und Streckenkenntnis einfordern. Das sollte man schon wissen, denn es holt eben nicht so alle so gleichberechtigt hinters Steuer wie die Konkurrenz. Schnelle Richtungswechsel wie im Schloss zum Beispiel müssen euch im Schlaf vertraut sein, denn wenn ihr mit Boost aus der falschen Richtung kommt, dann ist es sehr schwer, wortwörtlich noch die Kurve zu bekommen. Auch ist die Drift-Boost-Kombo nicht in jeder Kurve ein Allheilmittel. Es kann euch sogar kosten, weil ihr zwar schnell seid, aber eine längere Strecke zurücklegt - oder das Schlimmstmögliche eintritt und ihr an der Wand hängenbleibt. Übung, Übung, Übung ist das Geheimnis, aber wenn ihr die Kunst des Boost-Drifts beherrscht, dann seid ihr der König. Wenn ihr sie komplett ignoriert, dann werdet ihr selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad Probleme haben, auch nur ein Rennen zu gewinnen. Es ist so Skill-basiert, wie ein Kart-Racer nur wird.

Vom Fahrstil eigentlich nicht meins, aber der Tiger ist sooooo süß!

Natürlich heißt das nicht, dass es gewisse Grundzüge des Genres komplett verleugnen würde. Dazu gehört auch das Gummiband, das scheinbar verpflichtend bei diesen Spielen ist. Der Frust darüber hält sich hier durch die recht kurze Stopp-Zeit bei Treffern in Grenzen, aber wer es komplett ablehnt ... Warum lest ihr dann überhaupt noch einen Kart-Test? Zur Pflicht gehören auch ein paar mitunter ganz schön versteckte Abkürzungen auf jeder Strecke und wie das Boost-Driften ist Kenntnis dieser spätestens gegen Pros oder auf dem dritten Schwierigkeitsgrad Pflicht. Dieser scheint zuerst unmöglich und später immer noch absurd hart, aber es geht. Wer sich gern in einer Strecke verbeißt, an seiner Technik feilt und jede Kurve austüftelt wird Erfolg haben, ohne mehr als die 10 bis 20 Prozent Glück in Anspruch nehmen zu müssen.

Eine generelle Streckenkenntnis zu bekommen, ist dabei nicht einfach. Das liegt schlicht an der Masse der Strecken und gerade die späteren und die ehemaligen PS2-Tracks haben es mitunter in sich. Keine Bande, enge Kurven, viele Boosts, die man in exakter Reihenfolge halten sollte. Dazu kommen viele Streckenhindernisse, wie zum Beispiel monströse Hammer-Statuen, die die Fahrer wortwörtlich plattmachen oder hungrige fleischfressende Pflanzen. Die müsst ihr kennen und meiden, kosten sie doch oft mehr Zeit als alles, was die anderen Fahrer euch antun können. So viele Kurse, so viel Abwechslung, mehr kann man von einem Kart-Racer nicht verlangen und wäre normalerweise mit deutlich weniger schon zufrieden.

Zu einer Kart-Strecke gehören Details, wie der Ruderer gegen den Strom am Wasserfall, und CTR geizt nicht mit solchen Feinheiten.

Bei den Fahrern gibt es zwar viel, was sich freischalten ließe, aber am Ende läuft es auf das Übliche hinaus: Durchschnitt in allen Bereichen, dann gibt es schlechte Kurvenlage mit hoher Endgeschwindigkeit, bei anderen Fahrern das genaue Gegenteil davon und dann sind da die, die schnell vom Fleck kommen, aber im Rest nicht glänzen. Ich sagte, dass CTR besser ist als Mario Kart, nicht grundlegend anders. Trotzdem, mehr Abwechslung in Form eines großen Cast mit vielen optischen Varianten bei den Karts und Farben, das kann gerade im Multiplayer nicht schaden.

Der wichtigste Modus dort ist natürlich der Vier-Spieler-Split, der brav mit dem gleichen Tempo läuft wie der Rest des Spiels: 30 Frames. Das wäre wohl der einzige Kritikpunkt, denn ich hätte gerne - zumindest optional - auf ein paar der hinreißenden Details verzichtet, um auf die doppelte Bildrate zu kommen. Es stört bei einem Kart-Racer nicht groß, das ist kein Dirt Rally oder Assetto Corsa, wo es Pflicht wäre. Aber trotzdem, in der Zeit von Pro und X hätte es sich gehört. Aber wie gesagt, es ist nicht so, dass man nichts dafür bekommen würde. CDR Nitro Fueled sieht nicht nach einem alten Spiel aus, in keiner Weise. Außer vielleicht bei den frohen Farben. Damit geizen moderne Spiele meist etwas.

Das Einhörner-Land der Prinzessin ist die perfekte Übungsstrecke, bis ihr den Boost-Drift perfektioniert habt.

So ist dann auch der Battle auf der Couch gegen vier Freunde der gleiche ungebremste Spaß, der er damals war. Mehr noch, denn damals war der einzelne Ausschnitt schon etwas gestaucht, kein Wunder bei den damaligen TVs und Auflösungen. Hier, egal ob im recht schlicht gestrickten Battle-Modus auf seinen eigenen Maps oder allen der zahlreichen Strecken, ist es mit das Beste, was einer kleinen Gruppe in Besitz einer Kiste Bier und einer Konsole passieren kann. Zeitloser wird lokaler Multiplayer eigentlich nur bei Bomberman. Online dagegen ist CTR derzeit mit Vorsicht zu genießen. Es gab zwar keine Lags, aber das Matchmaking sollte sich lieber in "Zufallsgenerator" umbenennen und vielleicht ist es auch nicht mehr als das. Publisher angefragt, "Patch incoming", aber am Ende halte ich das bei einem Kart-Racer fast für bedeutungslos: Holt euch gefälligst eure Freunde ins Haus! So muss das gespielt werden und nicht anders!

Was die Umsetzung, das eigentliche Remake des 20 Jahren alten Titels angeht, ich habe es ja zwischen den Zeilen schon anklingen lassen: Beenox hat es richtig krachen lassen! Erst einmal sieht CTR 2019 absolut fantastisch aus, in keiner Weise wie ein auch nur fünf oder zehn Jahre alter Titel, geschweige denn ein PSOne-Werk. Es wirkt nicht mal wirklich wie ein "Nice-Price"-Titel, der es mit um die 40 Euro ja ist. CTR geht noch einen Schritt weiter als Crash selbst oder Spyro zuletzt, die ihre Wurzeln dann doch etwas mehr zeigten. Klanglich gibt es nichts zu meckern, auch wenn die Melodien an sich natürlich Geschmackssache sind. Meins waren sie nie, aber sie passen perfekt zum Genre, das gebe ich sofort zu.

Damit und mit der erwähnten Flut an Strecken und Fahrern nicht genug: Ihr habt die Wahl zwischen dem leicht modifizierten Nitro-Fueled-Modus mit Schwierigkeitsgraden, anpassbarem HUD und etwas komplexeren Timings beim Boost, Cheats - siehe hier die Cheats und Codes zu CTR 2019 - oder ihr schaltet zum Original-Modus, dann sind alle Regeln wie früher. Eigentlich fehlt nur ein Klassik-Modus für die Grafik, aber ob der so eine gute Idee gewesen wäre, bin ich mir nicht sicher.

Und wie bei Hüpfer-Crash und Spyro zuvor: Jetzt bitte endlich neue Spiele!

Party, like it's '99! Damals schon hat ein Beuteldachs dem Klempner gezeigt, wie man es besser macht und wie seine Zukunft aussehen könnte. Jetzt könnte sich Geschichte wiederholen und beide Wettbewerber sind stärker als sie je zuvor waren - dramatisch gesprochen zumindest. Aber ja, wo Mario Kart 8 Deluxe fast alles richtig macht, legt Crash Team Racing einen drauf. Es hat zwar ein paar Strecken weniger, dafür jedoch das intelligentere, mehr auf Skill ausgerichtete System, das Können belohnt und Glück auf das für das Genre nötige Minimum zurückdreht. Es bietet optisch eine Menge, bringt einen echten Schatz an abwechslungsreichen Strecken mit, jeder spielerische Aspekt wirkt optimal abgerundet und natürlich rockt der 4er-Splitscreen die Couch. Wenn ein Patch jetzt noch für 60 Frames sorgt, dann hat es wirklich alles.

Wenn das nicht passiert, dann geht hier auch nichts unter. Wie vor 20 Jahren hat sich es sich das hier verdient: Crash Team Racing: Nitro Fueled ist das beste Kart-Racing, das es gibt. Mal gucken, wie Marios Antwort darauf diesmal ausfällt.


Entwickler/Publisher: Beenox/Activision - Erscheint für: PS4, Xbox One, Switch - Preis: ca. 40 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: Xbox One

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