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Test: Daemon X Machina lässt den Geist von Armored Core aufleben

Auch das waren nie perfekte Spiele ...

Einen Mech bauen und gegen andere Mechs antreten. Ich wünschte, das wäre alles, was dieses Spiel tun würde, denn das kann es sehr gut.

Das ist jetzt also das Spiel zum coolen Trailer damals, als die Switch noch jung und frisch war und es ist ... sehr japanisch? Furchtbar geschriebene Dialoge mit seltsamen Anime-Stereotypen in einem Sci-Fi-Mech-Universum, das könnte das Spiel zu einer ganzen Reihe von Serien aus den 80ern sein. Vom schicken Stil des Trailers bleibt im Rahmen der Handlung auch nichts mehr übrig, wenn undurchsichtige Söldnergruppen um vage definierte Territorien im Namen weitestgehend unerklärter Auftraggeber kämpfen, um eine nie wirklich exakt spezifizierte Bedrohung durch KI-Drohnen auszuschalten. Oder so. Astral Chain zuletzt hatte eine ganz ähnliche, Anime-stereotypische Handlung mit nur einem Unterschied: Sie war ganz gut. Man folgte ihr gern. Aber hier nach jeder Mission zwei neue Typen zu sehen, die direkt aus einem Cosplay-Wettbewerb in einem alternativen Universum stolperten, wird zu schnell schmerzhaft als dass man nicht immer wieder mal die Skip-Taste nutzen würde.

Okay, der Form halber: Böse KI sprengt einen Teil des Mondes, große Katastrophe folgt, KI will Menschheit zerstören, T2 und so, jetzt ist die Menschheit irgendwie neu in Super-Corporations sortiert und bekämpft sich genauso gern wie die KI. So die Richtung jedenfalls. Nimmt alles irgendwann pseudo-dramatische Wendungen, muss niemanden kratzen, der die letzten 30 Anime-Jahre nicht nur mit Disney verbrachte.

Es ist mal wieder Weltende.

Was das Spiel selbst angeht, nun, da sind die Wurzeln absolut eindeutig: Irgendjemand - wahrscheinlich alle, vor allem aber Kenichiro Tsukuda, Producer von Armored Core - bei Marvelous First Studios mochte From Softwares Armored Core Serie oder hat direkt an ihr gearbeitet. Hierzulande hatte diese Hardcore-Pseudo-Sim-Mech-Serie nie wirklich Fuß fassen können, aber in Japan war es immer eine große Sache, mit den Mechs aus Armored Core herumzuheizen, diese endlos aufzurüsten und andere Mechs wegzuschmelzen. Warum auch nicht, wer bitte mag keinen guten Mech-vs.-Mech-Kampf? Was auch der Grund wäre, warum Daemon X Machina dann trotz genereischer, schlecht präsentierter Story funktioniert. Einmal auf dem Schlachtfeld, folgt man dem Missionsmarker und holzt Mechs weg. Ein echter Gewinner in Sachen Gamedesign-Lehre. Oder fast zumindest.

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Erst einmal, was Daemon X Machina wirklich gut hinbekommt: Das Gefühl für Bewegung. Es fühlt sich nicht nach dem 100-Tonnen-Spektakel westlicher Mech-Titel an. Stattdessen laufen diese gut erkennbar von Macross-Designer Shōji Kawamori entworfenen Ungetüme relativ leichtfüßig, vor allem aber gleiten sie elegant und ohne Verzögerung per Boost, schlagen Haken oder sausen gut beweglich durch die Luft. Es ist ein fast ideales Moment in der Beschleunigung, das euch die Bewegungen erlaubt, die man sonst aus den Animationen kennt und es fühlt sich verdammt gut an. Auch die Waffen haben eine gewisse Wucht, selbst wenn es hier ruhig noch etwas ruppiger sein dürfte. Trotzdem, einmal im Kampf mit der Beweglichkeit des Mechs angefreundet, ist es Anime-Mech-Animation als Spielgefühl umgesetzt, und zwar so, dass die Stickbewegung allein Spaß macht.

Die meisten Szenen reduzieren sich auf herumstehende NPCs mit Glückskeks-Sprüchen.

Der Kampf selbst ist meist auch nur das: Bewegung. Die Kunst ist nicht, mit den Waffen präzise zu treffen, das übernimmt größtenteils die Lock-On-Automatik. Sie liegt darin, den Gegner überhaupt im Visier zu behalten. Gerade bei den stärkeren KI-Feinden geht es nur darum, den Feind vor sich im Sichtfeld zu halten, während er mit schnellen Haken ebenfalls versucht, euch auszumanövrieren. Dieser Teil ist mitunter herausfordernd, vor allem gegen mehrere Mech-Gegner zugleich. Etwas, das euch leider nicht jede Mission bietet, denn es gibt eine ganze Menge Füller, die mehr durch Masse statt Klasse glänzen und bei der ihr einfach eine Drohne nach der anderen für zwei Minuten wegholzt und euch gepflegt langweilt. Immerhin gibt es übergroße Bosse, die das dann wieder ein wenig wettmachen und viel Bewegung und sogar ein wenig Taktik erfordern.

Was in jeder zweiten Mission dagegen auffällt und einfach nicht mehr in das Jahr 2019 gehört, sind die winzigen Areale in denen ihr oft kämpft. Es gibt Barrieren, die sichtbar werden, sobald ihr euch nähert und wenn ihr mehr als ein paar Sekunden diese Grenzen überschreitet, war es das. Die Gegner dagegen haben keine Probleme, auch mal weit hinter die Linien auszuweichen oder wie die Bosse gern direkt an ihnen herumzutrampeln und so euren Aktionsradius einzuschränken. Dieser Aspekt erinnert mehr an ein SEGA-CD-Spiel dessen Namen ich vergessen habe, in dem man mit einem Hubschrauber genau dieses Problem hatte. Was 1995 noch okay war. Besonders frustig ist es, wenn ihr einen feindlichen Mech deutlich hinter dieser Grenze abschießt, denn an seine Reste wollt ihr eigentlich dringend ran.

Wenn ihr möchtet, könnt ihr auch den Mech verlassen, aber wenn ihr ernsthaft kämpfen möchtet, ist das selten die beste Idee.

Ein guter Teil des Japan-typisch überkomplexen Upgrade-Systems basiert darauf, dass ihr euch Körper und Extremitäten wie auch Waffen besiegter Mechs schnappt und diese später an eurem verbaut. Das oder ihr nutzt sie, um in der Fabrik durch Kombinationen neue zu kreieren. Dazu dürft ihr noch den Piloten selbst verbessern, wofür es auch eine Reihe von Fertigkeitenbäumen gibt. Das alles ist wahnsinnig umfangreich und lief normalerweise so ab, dass ich für vier oder fünf Missionen alles hortete, dann eine halbe Stunde in eher mäßig strukturierten Menüs zubrachte, um mich dann mit dem guten Gefühl eines deutlichen Boosts in die nächste Schlacht zu stürzen. Das ist auch nicht optional, denn neue Mechs gibt es nicht direkt. Wenn ihr also mithalten wollt, dürft ihr solchen RPG-typischen Ausrüstungsorgien nicht gänzlich abgeneigt sein. Die weitere Belohnung ist aber dann auch, dass sich die verschiedenen Loadouts, mit denen ihr experimentieren könnt, wirklich unterschiedlich anfühlen. Beweglich und nicht so stark spielt sich halt ganz anders als ein monströser Panzer mit einem Energieschwert und einem haushohen Schild. Damit herumzuexperimentieren, kann ich jedem nur raten.

Das Herz des Spiels: Baut den für euch idealen Mech.

So arbeitet ihr euch durch die Missionen, folgt der wirren Story, rüstet euch aus und nach ein bis zwei Dutzend Stunden erreicht ihr das Finale. Das könnt ihr auch im Koop tun, was nett ist. Was aber, gerade bei dem starken Fokus auf das Mech-Customizing, noch netter wäre, ist ein PvP-Modus. Die unterschiedlichen Setups, die ausgezeichnete Kontrolle über den Mech und das dann in Duellen gegeneinander, das klingt wie das perfekte Rezept für lange Abende. Und es wurde hier nicht umgesetzt. Nur Koop, das online und lokal - nicht auf einer Konsole, einen Splitscreen gibt es nicht -, aber kein PvP. Was fast schon tragisch scheint.

Ein wenig könnt ihr euch dann mit dem Look trösten. Die Umgebungen wirken meist eher wie Low-Polygon-Experimente aus den frühen 2000ern, aber die Mechs selbst sind grandios entworfen und animiert. Schade, dass sie so schnell vorbeihuschen. Hier möchte man manchmal eine Zeitlupe haben, um den Cell-Shading-Stil, der sehr nah am Detailgrad eines Macross Plus liegt - siehe erneut die Werke von Shōji Kawamori - besser genießen zu können. Nur hätte man ruhig bedenken dürfen, dass die meisten Spieler die Switch als portables Gerät nutzen und die Schriftarten für den kleinen Screen ein wenig sehr winzig ausfielen. Gut, dass man die meisten dieser Anzeigen eh nicht braucht ...

Ein klein wenig zu viel für so einen kleinen Screen.- Gut, dass das meiste davon nicht wirklich wichtig ist.

Wer Anime-Mechs bauen und in Bewegung erleben und kontrollieren möchte, bitteschön, es gibt wenig, was gegen Daemon X Machina spricht. Vor allem, da es durch die lange Abstinenz seit dem letzten Armored Core keinen echten Konkurrenten gibt. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen zwei Mechs auf den leider viel zu kleinen Schlachtfeldern fängt ausgezeichnet den Geist früher Anime-Mech-Action ein und setzt sie gelungen als Spiel um. Das ist es aber auch schon. Angefangen vom unübersichtlichen Interface, über oft eher belanglose Missionen in kargen, künstlich verkleinerten Landschaften, bis hin zur letzten Endes ebenso belanglosen wie viel zu unnötig komplex verschachtelten Handlung, bleibt hier nicht viel, was die Qualität der Action selbst komplementieren würde. Die Basis ist sicher da und wenn eine mögliche Fortsetzung sich dieser Schwächen annimmt, vielleicht noch einen PvP-Modus mit ins Rennen wirft, dann wird Daemon X Machina sehr schnell Armored Core hinter sich lassen. Ausgehend von dessen schleppender Evolution würde ich aber nicht unbedingt damit rechnen.


Entwickler/Publisher: Marvelous First Studio / Nintendo - Erscheint für: Switch - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Deutsch, Englisch, Japanisch und mehr- Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: Switch

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Daemon X Machina

PC, Nintendo Switch

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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