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The Surge 2: Test - Handwerkliche Meisterschaft sucht noch nach Emotionen

Die Zukunft wird halt mau, haben wir verstanden.

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The Surge 2 glänzt mit seinen spielerischen Mechaniken, den harten Kämpfen und dem Crafting. Aber bei Story und Setting ist man noch am Üben

The Surge 2 ist der beste Beweis, dass ein Spiel manchmal mehr als die Summe seiner Teile ist. Vieles von dem, was ein Dark Souls bietet, findet ihr genauso in The Surge. Das langsame Erkunden, der in sich verschachtelte und sich langsam öffnende Level-Aufbau, der sehr taktische Kampf, der wenig Spielraum für Mätzchen lässt. Und ja, auch der harte Schwierigkeitsgrad sowie die Wiedergeburt an bestimmten Punkten ist wieder dabei. Aber es lässt kalt. Maschinell. Wie passend.

Irgendwann in der näheren Zukunft gibt es was mit KI, ein Blitz, die titelspendende "Surge", eine Art halb-magische - weil in unseren aktuellen Wissenschaftsbegriffen eher halb erklärbare - Welle an Energie rollt über die Welt und sorgt dafür, dass alles im Chaos versinkt, nachdem sich normale Bewohner in Cy^borg-Mutanten verwandeln. Der Ground Zero des Elends ist Jericho City, eine ideale Stadt der Zukunft, die nun im Chaos von Fraktionen versinkt, die abgeschottet um das Überleben kämpfen. Ihr wacht als frei definierbarer Held mittendrin auf. Leider in einem Gefängnis, in dem Reste der Polizei noch für ein wenig Ordnung sorgen sollen, aber darauf könnt ihr, von Amnesie gebeutelt, wie es sich gehört, keine Rücksicht nehmen. Ihr erledigt alles, was sich euch in den Weg stellt, tretet hinaus in die Stadt und versucht, die Ursache für alles zu ergründen. Mehr zufällig. Weil irgendwas muss man ja tun, wenn man schon mal da ist und Charaktermotivation als überbewertet abgehakt wird.

Der Weg wird weniger durch das definiert, was ihr von den verbleibenden NPCs als Informationen bekommt, sondern davon, wo ihr hinkönnt, ohne, dass man euch dort mit zwei Treffern plattmacht. Das ist ehrlich gesagt kein so großes Problem, da auch so angedacht. Das merkt man schon an den "Echos", die ihr immer wieder findet und die euch ein paar Story-Brocken zuwerfen, indem sie als eine Art Hologramm Hinweise zum Ursprung des Surge geben. Sogar ein paar Nebenquests wurden eingebaut, sehr viel konkreter ausformuliert, als man es von From Software gewohnt wäre und die NPCs führen sogar Multiple-Choice-Gespräche. Aber nichts davon schafft es, einen inhaltlich so richtig in den Bann zu ziehen. Die Geschichte bleibt steril wie seine stereotypen Akteure und dient in erster Linie als Ausrede für den eigentlichen Spielablauf.

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Das erstaunt mich dann immer, wenn doch so viel offensichtliche Arbeit in diese Aspekte floss, nur um im generischen zu enden. Hätte man doch gleich knapper halten können. Aber dann komme ich auch aus der Zeit der Run'n'Guns und Shoot'em Ups. Wen interessiert die Geschichte, wenn das Gameplay passt, und hier hat Deck 13 einiges zu bieten. The Surge 2 fühlt sich noch einmal sehr viel polierter an als der Vorgänger, sei es in den Bewegungen und Kampfabläufen, vor allem aber auch im Leveldesign. Die Stadt selbst mag nach nicht viel aussehen und ihr braucht hier keine Anor-Londo-Momente erwarten, aber von den "Huch, ich bin zurück am ersten Lagerfeuer"-Fahrstuhl-Erlebnissen finden sich da doch so einige.

Die einzelnen Gebiete sind ein wenig untereinander, vor allem aber in sich selbst mit Liebe verschachtelt worden. Zu sehen, dass der so lange erkämpfte Weg in Richtung Boss noch mal einen dezent versteckten Schlenker per Lift in Richtung rettendes Lagerfeuer - sorry, Medibox - macht, büßte bis heute nichts von seinem Glücksgefühl ein. Die im Gegensatz zum Vorgänger deutlich stärker ausgeprägte Vertikalität wirkt dabei Wunder und so ist The Surge 2 für Deck 13 ein großer Sprung in Richtung des Tages, an dem sie das inhaltlich etwas Hölzerne ablegen und ein echtes Souls schaffen werden.

Ein definierendes Element des ersten Surge war es, dass ihr Waffen und Rüstungen vom Gegner abtrennt - wortwörtlich -, was euch zuerst Blaupausen für diese Teile und dann Crafting-Materialien einbringt. Das hat sich in The Surge 2 nicht geändert und im Gegensatz zu einem Souls oder weit mehr einem Sekiro könnt ihr kaum darauf hoffen nur mit Skill und dem, was man so zufällig findet, das Ende oder auch nur den zweiten Abschnitt zu erreichen. Crafting und auch ein wenig Grinding ist praktisch Pflicht. Dabei wollte ich es erst nicht glauben, dass das Anvisieren von Körperteilen beim Gegner schnell zur zweiten Natur wird, aber doch: Nach nur einer Stunde hackte ich grundsätzlich und ohne weiter nachzudenken nur auf Bereiche, die Rüstungs- und Waffenbelohnungen versprachen, und hatte meinen Spaß dabei. Eigentlich ist es ja auch nicht so viel anders: Ihr visiert an, mit dem rechten Stick schaltet ihr die Trefferzonen durch und ist eine gelb umrandet, dann bekommt ihr, was der andere trägt, meistens zumindest.

Natürlich müsst ihr es erst noch bauen. Das tut ihr an den Ruhepunkten, wo ihr - wie in Souls - auch levelt und damit eure Beute in Form von Schrott - statt Seelen - nutzt. Solltet ihr nämlich sterben und nicht den Weg zurück zum letzten Sterbepunkt schaffen, ohne vorher wieder zu sterben, dann ist dieses Loot weg, während alles andere, was ihr sammelt, permanent erhalten bleibt. Kann ich ab jetzt "siehe Dark Souls" schreiben? So oder so, ihr habt eine Blaupause und wenn ihr genug Material habt, dann baut ihr euch eine neue Waffe oder Rüstungsteile. Wenn nicht, dann wieder raus, mehr Extremitäten abhacken und vor allem auf den guten Upgrade-Schrott bei starken Feinden hoffen. Ich hätte nie gedacht, dass mir das wirklich Spaß machen würde, aber The Surge 2 schafft es trotz seiner klinischen Umgebungen und Geschichte durch gutes Gameplay-Design diesen Verbesserungszyklus motivierend am Laufen zu halten.

Das wäre natürlich nicht der Fall, wenn der Kampf keinen Spaß machen würde und das gelingt hier vor allem durch das Aufbrechen der üblichen "Decken und Kreisen" Techniken. Der Schlüsselwert ist wie immer Ausdauer und wenn ihr blockt und Treffer kassiert geht die so dermaßen in den Keller, dass Konter nur sehr begrenzt möglich sind. Ausweichen und Wegspringen dagegen kostet nur einen Bruchteil und funktioniert weit schneller und raumgreifender als es selbst umgerüsteten Souls-Helden vergönnt ist. Am Ende nutzte ich nur sehr selten das Blocken und stattdessen ging ich an den Feind ran, forderte seinen Angriff heraus, sprang hin und weg und landete meine Treffer. Da es genug Variationen in den gegnerischen wie auch den eigenen Angriffsmustern gibt - bei einem selbst hauptsächlich über unterschiedliche Waffen realisiert -, bleibt das herausfordernd und motivierend. Hart, aber fair. Manchmal brutal schwierig, aber immer so, dass eine Runde mehr danach wie eine Verlockung als eine Bürde klingt. Nun, meistens wenigstens.

Die Bosse waren teilweise schon ganz schön heftig, wenn man ein wenig zu voreilig war, die eigene Rüstung noch nicht dort, wo sie sein sollte und man mit einem guten Treffer nur ein Tausendstel Energie raubte, während er mich fast schon spielerisch durch die Arena pustete. Respektiert den Grind und das Crafting, kann ich da nur sagen. Immer wichtiger wird im Laufe der Zeit dabei, dass ihr komplette Rüstungssets zusammenklaubt und ausrüstet, denn die geben euch teilweise elementare Buffs, die sehr spezifisch für bestimmte Bereiche und Bosse sind. Ignoriert das und legt euch auf eine bestimmte Rüstung fest - so wie ich das in fast jedem Souls tat - und es wird sich schwer rächen. Angesichts eines so ausrüstungsverliebten Designs wundert es dann nur, dass das Crafting selbst in den Menüs visuell so wenig intuitiv umgesetzt wurde. Was habe ich, was brauche ich, das findet man nicht wirklich übersichtlich an einem Ort.

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Technisch kann The Surge das, was es können muss. Die Kampfbewegungen sehen schön animiert und vor allem gut lesbar aus. Das Spiel legt euch hier keine Steine in den Weg, so wenig wie es das auch in der Wiedererkennbarkeit der wichtigen Orte tut - hier schwächelte der Vorgänger ganz schön. Die Stadt mag generisch und kurz zusammengefasst weder besonders schön noch technisch beeindruckend sein, aber sich in ihr zurechtzufinden ist kein Problem. Das gilt auch für die NPCs und Gesichter im generellen. Heute ist es ein Zeichen der Zeit, dass sich selbst verfehlte Triple-As wie das hoffentlich noch nicht abgeschriebene Anthem - Potenzial ist nach wie vor da, aber das nur am Rande - richtig schöne Gesichter gönnen, oftmals bessere Spiele wie The Surge 2 aber mit dem leben müssen, was am Ende der letzten Konsolengeneration en vogue war. Nun, besser unerfreuliche Fratzen in einem guten Spiel als anders herum nehme ich an. Zumindest sprechen sie kompetentes Synchron-Deutsch, das oftmals weniger gestelzt wirkt als die englische Version.

Um ein letztes Mal "es ist wie Souls, nur ein wenig anders" zu bemühen: Der Multiplayer ist passiv, das heißt, dass ihr keine anderen Welten betreten oder selbst geentert werden könnt. Stattdessen dürft ihr eure kleine Allzweckdrohne, die sonst gerne ballert und debufft, zum Tagging nutzen, um kryptische Botschaften zu verteilen. Auch findet ihr hier und da den geschundenen Körper eines anderen Spielers, den ihr plündern dürft. Das hat seinen Preis, denn der Gegner, der sein Ende war, ist in eurer Welt nun ein "Rache"-Gegner, der besonders stark daherkommt. Ein simples, willkommenes System, das für ein wenig Abwechslung entlang des Weges sorgt.

The Surge 2 ist ein großer Sprung in Deck 13s Quest zu einem eigenen Dark Souls. Das Leveldesign ist nun deutlich näher an der Qualität des Vorbilds und spielt gern und eifrig mit der Vertikalen und den Wegen, die das eröffnet. Das Looten gegnerischer Teile wurde optimiert, ist ein recht eigenständiges Konzept und kombiniert geschickt den sich motivierend spielenden Kampf selbst mit dem Grind'n'Craft, das hier eigentlich gar nicht mehr optional ist. All diese Mechaniken, von der Bewegung hin zum Aufrüsten, sind in sich schlüssige, wenn auch alles andere als komplett eigenständige, handwerklich äußerst saubere Arbeit, mit der ich lange viel Spaß hatte. Wäre es ein 90er-Shoot'em-Up, dann hätte The Surge 2 damit 99 Prozent dessen mit Bravour bewältigt, was für den großen Wurf nötig ist. Jetzt hat Deck 13 die handwerkliche Grundlage, um sich um vermehrt um Design und Emotionalität zu kümmern, dann sind sie auch in dieser Ära auf dem besten Weg dahin. Wobei man sagen muss: Es ist schon einfacher, aus dem Gothic-Horror der Souls was zu ziehen, als aus dieser modernen High-Tech-Apokalypse Nummer 17. Vielleicht sollte Deck 13 nicht unbedingt über The Surge 3 nachdenken, sondern all das nehmen, was sie hier erreicht haben - was sich mehr als nur sehen lassen kann und locker für 30 und mehr Stunden jeden fesseln dürfte, der eine soulige Herausforderung will - und in ein anderes Szenario verpflanzen.


Entwickler/Publisher: Deck 13 / Focus - Erscheint für: PS4, PC, Xbox One - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: 24.9.19 - Getestete Version: Xbox One - Sprache: Deutsch, Englisch - Mikrotransaktionen: nein


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In diesem artikel

The Surge 2

PS4, Xbox One, PC

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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