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Gylt und Kine - Ein Blick auf Google Stadias Indies

Für Gylt kauft man kein Stadia. Aber mit einem Stadia kauft man Gylt.

Nach jetzt ein paar Tagen in Googles Streaming-Welt muss ich sagen, dass ich prinzipiell mit der Technik zufrieden bin. Wie schon im ersten Artikel zu Google Stadia gesagt, mit einer recht allein nutzbaren 100/40-Leitung und dem Chromecast Pro ist es durchaus ein Vergnügen, noch mal eine Runde Destiny 2 in 4K/60 zu genießen und die ersten Mission nach langer Zeit erneut zu erleben.

Aber das ist ein wenig das Problem für mich und sicher auch viele Core-Gamer: So nett Red Dead 2, Destiny 2, Mortal Kombat und andere der großen Titel sind, wir kennen sie halt schon, hatten oft genug Gelegenheit, sie im Sonderangebot zu kaufen, oder wollten sie eh nie spielen. Es ist nicht die Technik, es ist die Software, die angeboten wird, wo es aktuell für mich scheitert. Ob daran zwei kleine Indies etwas ändern können, einer davon immerhin exklusiv?


Kine - Gwen Frey

Erhältlich für Stadia und fast alles andere, 19,99 Euro

Mögt ihr Jazz? So richtig? Und könnt ihr euch wunderbar zu Jazz konzentrieren? Wenn ja, dann ist Kine was für euch. Es ist sogar nur etwas für euch, denn jeder andere, der auch nur eine der beiden Fragen mit Nein beantwortete, sollte gehörigen Sicherheitsabstand halten. Der sehr abstrakte Dreh- und Kipp-Puzzler erinnert ein wenig an Dinge wie Fez, nur dass ihr hier eine Reihe von Musikinstrumenten zur großen Bühne bringen müsst. Dazu könnt ihr sie kippen, drehen und manchmal auch eigene Bewegungen nutzen, denn jedes Instrument hat ein bestimmtes Muster, nach dem es sich strecken kann, um entfernte Plattformen zu erreichen. Mitunter müssen auch die Bewegungseigenschaften mehrerer Instrumente kombiniert werden, wobei ihr zwischen den einzelnen umschaltet, um so neue Wege zu bauen.

Klötze drehen bleibt Klötze drehen, auch wenn es redselige Instrumente sind. Aber mit Jazz wird es noch viel schlimmer (für mich).

Kine ist durchdacht, clever und ehrlich gesagt, trotz aller Versuche mit einer an den Haaren herbeigezogenen Emotionalität innerhalb einer hanebüchenen Story, unglaublich kalt und leblos. Es ist ein durch und durch technisches Puzzle-Spiel, rein für die grauen Zellen und als solches durchaus eines der soliden, ohne jetzt wirklich zu glänzen. Was es für mich dann aber leider endgültig ruiniert, ist der hektische, komplett unpassende Jazzsoundtrack. Was dem Spiel selbst an Gefühlen abgeht, sollte hier wohl induziert werden und ich kann mich dabei nicht konzentrieren. Es wird besser, wenn ich den Soundtrack abschalte, aber dann habe ich halt einen etwas öden, persönlichkeitslosen Puzzler. Ich kann es hier im übertragenen wie im wortwörtlichen Sinne drehen und wenden, wie ich will, Kine hält mich auf Abstand, so wie es von mir und Jazz nicht anders kenne. Freunde des etwas obskuren Sub-Genres der Jazz-Block-Puzzles können ihm ja mal eine Chance geben.


Gylt - Tequila Works

Erhältlich exklusiv für Stadia, 29,99 Euro

Gylt ist da eine andere Lage. Tequila Works ist unter den kleinen Studios eines der größeren, machte sich bereits mit Rime und Sexy Brutale einen Namen und Gylt ist eine sehr eigene Mischung. Im Grunde kombiniert es die Stimmung der Goonies mit Silent Hill, Alan Wake und Little Nightmares. Und es funktioniert. Richtig gut. Ihr habt ein Puzzle-Action-Adventure, dessen Handlung ungefähr das ist, was rauskommt, wenn Silent Hill sich mehr mit Schul-Mobbing als Thematik für psychologische Verwirrungen beschäftigt hätte. Monster, Riesenaugen, seltsame Schaupuppen, Parallelwelten - es ist alles da.

Nicht das neue Silent Hill, das ich erwartet hatte, aber ich nehme es.

Es gibt in Gylt allerdings auch kein Element, das nicht an ein anderes Spiel erinnert: Der Aufbau und die Karten aus Resi und Silent Hill, das Anstrahlen mit einem gebündelten Taschenlampenstrahl kommt direkt aus Alan Wake, viele der kleinen Physikrätsel aus allem, was jemals was mit Wasser, Strom, Drehrädern und Feuer gemacht hat. Der Stil könnte direkt ein erster Versuch für Little Nightmares sein. Nicht so poliert, nicht so experimentierfreudig mit den Perspektiven und Ausleuchtungen, aber schon sehr schick. Gylt ist durchgehend ein Fall von "besser gut geklaut, als schlecht erfunden" und kommt damit wunderbar durchs Leben. Zu erfahren, was es mit dieser seltsamen Welt auf sich hat und wohin die Reise hingeht, ist derzeit auf jeden Fall das, was mich an Stadia hält.

Unheimlich genug ist Gylt und sogar tiefgründiger als es sein müsste.

Beide Spiele sind technisch wenig beeindruckend, die 4K60 von Stadia oder ihre eventuelle Abwesenheit spielen hier keine echte Rolle. Aber es hat sich auch hier über Stunden gezeigt, dass das Streaming an sich wunderbar funktioniert und nach Minuten dachte ich nicht mehr daran, dass hier nichts auf irgendeiner Box im Haus installiert ist, sondern alles nur über die Leitungen direkt fließt.

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Trotzdem, das ist jetzt nichts, was die breite Masse zu Stadia locken wird. Kine würde ich wirklich nur sehr gezielt vielleicht einer Handvoll von Menschen auf dem Planeten empfehlen, wenn überhaupt. Gylt schlägt sich da sehr viel besser, als gelungene kindgerechte Variante großer Horror-Titel und damit werde ich jetzt sicher noch etwas zeit verbringen, auch wenn es jetzt sicher kein Halo oder Uncharted ist. Für Gylt würde ich sicher kein Stadia kaufen. Aber wenn ich Stadia hätte, würde ich mir sofort ein Gylt gönnen. Und das nicht nur, weil da sonst noch nicht viel da ist, für das ich Geld ausgeben könnte.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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