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Die Idee hinter dem neuen Intellivision ist alles andere als "retro"

Make the Couch great again!

Der erste Gedanke kommt einem sofort, vor allem, wenn man in letzter Zeit mal Dinge wie die "Atari Mini Arcade" in der Hand hatte: "Mann, noch so ein Pseudo-Retro-Ding, das da mit einem, vor einer Million Jahren guten Namen noch ein paar Dollar kratzen geht." Wie könnte es anders sein, IntelliVision war in den späten 70ern etwas, das mit Atari konkurrierte. Aber vergesst das. Vergesst, dass es mal ein IntelliVision gab, das seit den frühen 80ern keine große Rolle mehr spielt. Ich werde hier auch keine Hardware-Geschichtsstunde halten, es ist nämlich einfach nicht nötig. Stattdessen lasst uns über die Idee des Gamings zu dieser Zeit reden und wohin diese sich in den fast 40 Jahren seitdem entwickelt hat.

"Gaming wie früher" ist normalerweise der Schlachtruf des Retro-Gamings. Damit ist in der Regel gemeint, dass man Spiele aus der Zeit nimmt und auf mal mehr, mal weniger moderne Hardware bringt und diesen Spielen so einen zweiten Auftritt verpasst. Das ist nicht weiter verwerflich, aber es ist eigentlich nicht "wie früher", denn es erfasst nicht den ganzen Aspekt dessen. Spielen wie früher umfasst dann nicht die Plattform an sich, die Controller, die Updates und alles was zur der für Gelegenheits- bis Nicht-Gamer sehr hohen Komplexität einer Spielkonsole oder gar einem Gaming-PC gehört. Wenn man das "wie früher" ernst meint, dann müsste man all das auch noch runterbrechen.

Das liegt daran, dass Gaming einen dramatischen Umbruch in den 80ern machte. Dieser hieß Super Mario Bros. Es ist für sehr viele Leute damals das erste Spiel gewesen, bei dem es nicht um einen Highscore ging oder mit einem Freund kurz ein paar Aliens abzuschießen, sondern das sie durchspielen wollten. Zusammen mit dem überwältigenden Erfolg veränderte es die Art, wie Designer und Spieler über Games dachten. Sie wollten diese immersiven Welten, Komplexität und mehr. Das ist der Grund, warum wir heute God of War und GTA in all ihrer Pracht haben. Das war ein ganz natürlicher Prozess, aber er erfordert heute bei einem neuen Spiel echte Hingabe. Die Steuerung lernen, die Regeln einer neuen Welt erkunden, sie zu meistern und eigentlich erst nach ein oder zwei Stunden wirklich zu spielen. Alles Gründe, warum viele von uns spielen. Wir wollen diese Komplexität. Meistens.

Mal geben 'zum Spielzeug greifen' und nicht 'die Konsole hochfahren'.

Es gibt die Momente, in denen einem der Arcade-Gedanke fehlt. 20 Minuten lang mit einem Freund auf der Couch etwas zocken. Es gibt diesen Gedanken oft genug in der Indie-Ecke, aber auch hier habt ihr die Hürde der Komplexität des Systems und der Controller. Einen NES- und gerade noch einen SNES-Controller konnte jeder erfassen. Einen DualShock oder selbst einen Joy-Con, da sieht aus eigener schmerzhafter Sozialerfahrung die Welt anders aus. Das ist die erste Hürde. Dann ein Spiel finden, das man eben mal schnell starten und zu zweit auf der Couch spielen kann. Durch den Job habe ich einen gewissen Überblick, dass es da Dinge gibt, ihr teilweise sicher auch, aber das sind nicht die Spiele, mit denen sich die Plattformen der breiten Masse an Menschen vorstellen. Kein Wunder.

Was also bringt der Intellivision Amico, wenn es das, was es will, richtig macht? Ich sehe es als eine Art parallele Zeitlinie, die sich jetzt mit unserer überschneidet. Es ist kein besserer oder schlechterer Weg, ein Game zu spielen, es ist ein anderer. Ganz so, als hätte es Mario und immer komplexere Spielprogression nicht gegeben, setzt es auf die alten Pick-up-and-Play-Konzepte der Spielhalle und der frühen Konsolen. Diese taten das oft genug aus technischer Not heraus, aber ebenso oft entwickelte sich daraus auch eine Tugend. Mit diesen Begrenzungen das Maximale aus 20 Minuten herausholen, das war die Kunst und es ist eine, die mir gelegentlich ein wenig verlorengegangen erscheint.

Bowling auf der Wii funktioniert bis heute. Letztens erst wieder mal probiert.

Schaut man sich den Katalog an, den der Amico mitbringt, dann muss man natürlich trotzdem unwillkürlich an Retro-Erinnerungs-Ausbeutung denken, aber dann wiederum braucht man wohl einfach ein paar Namen, die man schon einmal gehört hat. Pong ist irgendwie Pflicht, wenn man eine Konsole rausbringt, die in ihrer Konzeption mehr an eine Pong-Machine der 70er erinnert. Missile Command kennt man halt auch noch und wenn schon David Perry und Tommy Tallarico mitmischen, können sie auch gleich Earthworm Jim 4 machen. Warum nicht? Schließlich klingt das für alle erst mal aufregender als Skiing oder Cornhole, eine Art Mischung aus Minigolf und Curling. Aber so "lame" diese mitgelieferten Starttitel auch klingen, bei jedem reichte ein Blick, um sich direkt zu denken: "Ja, das verstehe ich, das würde mit ein paar Freunden auf der Couch und ein paar Bier sofort und ohne Hürden Spaß machen."


Hier könnt ihr das Intellivision Amico auf der Seite von Intellivision vorbestellen.

Hier findet ihr einen Überblick über das Intellivision-System und die Spiele

Hier geht es zu Ankündigung der VIP-Vorbestellung für das Intellivison


Damit sind am Ende die Grundvorgaben noch wichtiger als diese ersten Titel: Jedes Spiel muss einen Couch-Koop haben, gewisse Qualitätsstandards in Sachen Politur erfüllen - was hoffentlich einen Desaster-Shop wie bei Ouya oder Android ausbremst - und es darf trotzdem nicht viel Geld kosten. Das forciert praktisch den Arcade-Gedanken hinter allem und sorgt (hoffentlich) dafür, dass ich mit meinem neuen 250-Euro-Spielzeug nicht nur einen Zuckerschub mit den ersten guten Spielen bekomme und das Gerät danach unter einer Flut schnell produzierten Mülls beerdigen kann, sondern dass ein zumindest relatives Qualitäts- wie auch Gameplay-Fokus-Versprechen eingelöst wird.

Deathmath für die ganze Familie.

Der Intellivision Amico wird keine Konkurrenz-Konsole, egal für was, das gerade am aktuellen Markt unterwegs ist. Es wird scheinbar auch kein Retro-Gimmick wie die Minis. Es greift einfach etwas auf, das irgendwann mal da war, immer noch sporadisch existiert und fokussiert es. Multiplayer auf der Couch mit einfach zu erfassenden Konzepten, mit denen man mal für eine halbe Stunde, mal für einen halben Abend zusammen Spaß hat. Es ist mehr das Äquivalent zu einer Tischtennisplatte, nur eben handlicher und weniger sportlich. Aber bei Tischtennis hat auch noch nie jemand nach Level-Progression gefragt und trotzdem hatten viele damit Spaß. Auch die, die nie einen PS4-Controller anfassen würden.

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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