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Arcane auf Netflix: Besser werden Videospiel-Verfilmungen nicht mehr

Das ist es jetzt - packender kann es im Grunde kaum noch werden. Da muss sich selbst HBO mit The Last of Us anstrengen.

Meine Güte, was war das denn? League of Legends, eigentlich der gesamte MOBA-Sektor, war wie kaum ein anderer in meinen 15 Jahren in dieser Branche und als Spieler komplett an mir vorbeigezogen. Es ist nicht so, dass ich sie nicht verstünde. Mir ist vollkommen klar, worum es in einem MOBA geht und wie man es spielt. Aber gereizt hat es mich nie. Es gibt kaum ein Genre, mit dem ich so wenige tatsächliche Berührungspunkte hatte, wie mit diesem.

Mein Wissen über Spiele dieser Gattung blieb so oberflächlich wie über wenige andere in diesem Medium. Ich kann LOL und DOTA so gerade eben auseinanderhalten, weiß, dass League zeitweise der meistgespielte Titel dieser Erde war und dass die Welt Runeterra heißt. Aber das alles habe ich mehr oder weniger über spielekulturelle Osmose aufgenommen, nicht, weil mich der Spielablauf oder die Figuren selbst interessiert hätten. Das ist vermutlich - ziemlich sicher eigentlich - auch der Grund, warum ich mich erst jetzt an Arcane getraut habe.

Powders Charakterreise durch die erste Staffel nimmt einen mächtig mit.

Mein Stapel sträflich nicht geschauter Filme und Serien ist noch höher als bei den Spielen. Wenn es nur um Spiel-Umsetzungen geht (die bei mir nie besonders hoch im Kurs standen), habe ich seit einer Weile schon Castlevania auf meiner Liste - die Verfilmung eines Stoffes, den ich liebe. Nein, die Chancen standen einfach nicht gut für diese Animationsserie. Eigentlich ist es nur Netflix' ebenso großformatiger wie übergriffiger Trailer-Vorschau unseres Smart-TV zu verdanken - bei der ich seit Wochen nach einer Möglichkeit suche, sie mal endlich abzustellen -, dass ich Arcane eine Chance gab. Der kurze Clip sah wirklich fantastisch aus.

Und Tatsache, der war repräsentativ! Hier stimmt ja wirklich alles: Von der Art Direction, die den Look des Spiels respektiert und gleichzeitig unter den Animationsfilmen als Amalgam zwischen Handgezeichnet und spektakulärer 3D-Animation hervorsticht, bis zur erstaunlich schwermütigen, niemals aber erdrückenden Geschichte. Arcane hat einen universellen Vibe, diese Sendung kann man lieben, ohne überhaupt zu wissen, dass sie auf einem Computerspiel basiert.

Die gespaltene Stadt Piltover ist ein faszinierender und in ihren Konflikten überaus glaubwürdiger Ort.

Das ist wohl auch der Grund, warum Arcane alle anderen Werke in dieser Richtung um ein, zwei Köpfe überragt - Castlevania, das ich bisher noch nicht gesehen habe, mal ausgenommen: Die wenigsten anderen verfilmten Spiele-Franchises funktionieren nicht ohne ihre Verknüpfung zum Ausgangsmaterial. Und die Fans trinken sich Trash wie Resident Evil schon lange nicht mehr schön, nur weil mal jemand aus Hollywood ihre Leidenschaft mit auf der großen Leinwand legitimierte. In The Last of Us auf HBO setze ich einige Hoffnungen, aber die steht erst mal vor dem Problem, dass sie gegen die Geschichte des Spiels konkurriert, anstatt sie zu komplementieren. Das könnte ein Problem werden.

Arcane dagegen nimmt ein paar etablierte Charaktere aus League, denkt ein paar neue drumherum, und lässt die Figuren vor farbenfrohem Steampunk-Fantasy ihr Ding machen. Dabei gefiel mir vor allem, dass sich die Serie traut, Konflikte alles andere als sauber auslaufen zu lassen und überrascht an diversen Stellen mit unerwarteten Entwicklungen. Das Ende bekomme ich immer noch nicht aus dem Kopf. Hier gibt es massenhaft moralische Grauzonen und helle Flecken auf tiefschwarzen Seelen. Selbst Nebenfiguren werden bis in ihre finsteren Ecken ausgeleuchtet, wenn auch nur kurz, und sogar ein Verständnis für durch Traumata ausgelöste Psychosen stellt die Serie zur Schau.

Vom Design bis hin zum Sprecher: Silco ist jetzt schon einer der legendären Bösewichte der Popkultur.

Die Charaktere transportieren das kluge Dialogbuch mit nuanciertem Minenspiel auf Pixar-Niveau. Und wann immer es droht, ein wenig zu verkopft oder zu politisch zu werden, kommt eine Action- oder Kampfsequenz so voller Energie und Leben, dass man am Ende direkt zurückspult, um sie sich noch einmal anzuschauen.

Kurzum: Ich habe jede einzelne dieser 360 Minuten genossen und freue mich schon darauf, wieder in diese Welt eintauchen, die mir mit einem Mal so unfassbar reichhaltig und einladend erscheint. Vielleicht nicht unbedingt in League of Legends selbst, aber in Ruined King zum Beispiel, dem unsere lokale LoL-Kennerin Melanie kürzlich ihr Gütesiegel aufdrückte. Und wenn nächstes Jahr Staffel 2 von Arcane anrückt, wird es nicht drei Wochen dauern, bis ich mich bequeme, sie anzuschauen. Dann stehen Popcorn und Kaltgetränk am Tag der Premiere bereit.

Insofern: Haste gut gemacht, Netflix-Trailer-Autoplay, du nerviges dummes Ding, du! (Ich schalte dich jetzt trotzdem ab!).

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Ruined King: A League of Legends Story

PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC, Nintendo Switch

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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