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Black Mirror 2

Sprechstunde im Geisterhaus

Die ältere Frau liegt regungslos auf dem Krankenbett. Eine Maschine überwacht blinkend ihre Lebensfunktionen. Darren steht daneben. Unvermittelt schnellt die rechte Hand der Patientin vor, hält ihn fest und die Frau flüstert: „Der Spiegel! Gehe nicht durch den Spiegel!“ Danach fällt sie zurück ins Koma – als sei nichts passiert. Das ist nicht das einzige unheimliche Ereignis, das euch in Black Mirror 2 erwartet.

Erinnert ihr euch an das Jahr 1987? Die Menschen trugen Fön-Frisuren, die man heute nicht mal seinem Hund zumuten würde und Jungs diskutierten auf dem Schulhof über Computerspiele wie Leisure Suit Larry oder Maniac Mansion. Wo bekommt man zum Beispiel das Kondom für die Prostituierte her? Sollte man den Hamster in die Mikrowelle stecken? Damals lagen Adventures im Trend. Ein Zustand, der ohne Vorwarnung endete. Plötzlich drehten sich die Pausengespräche um Schrotflinten und Basenbau. Rätsel wurden allenfalls noch von Lara Croft in Form von Schalterdrücken und Kistenrücken gelöst. Das klassische Point&Click-Adventure war wie Mona Sax am Ende von Max Payne 2 tot.

Aber so ganz dann doch nicht, denn seit etwa 2002 buhlen wieder regelmäßig Neuerscheinungen um die Gunst der Knobler. Positiv aufgefallen ist dabei vor fünf Jahren das Grusel-Abenteuer Black Mirror. Jetzt kommt der Nachfolger – ein Krimi, gemischt mit einer Prise Okkultismus und etwas Studenten-Romantik.

Im Fotolabor dürft ihr ein paar Fotos entwickeln. Natürlich nicht, ohne vorher das passende Zubehör einzusammeln.

Black Mirror 2 spielt 1993, zwölf Jahre nach dem Vorgänger und versucht mit einem Spagat sowohl die Liebhaber des Vorgängers, Gelegenheits-Tüftler als auch Arztroman-Leser unter einen Hut zu bringen. Die eierlegende Wollmilchsau des Adventure-Genres erwartet euch in den sechs Kapiteln in der amerikanischen Kleinstadt Biddeford und dem englischen Kaff Willow Creek trotzdem nicht (ganz), aber das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Mrs. Biba hat ein frisches Pfeilchen. Nicht in der Vase auf einem Tisch ihres Burger-Ladens, sondern im Gesicht. Schon wieder. Die Entwickler offenbaren viel Liebe zum Detail. In diesem Moment enden abrupt die Hintergrundgeräusche. Ein Fehler. Doch dass viel Herzblut im Spiel steckt, zeigt sich allein schon an den hübsch gezeichneten Hintergründen. Nur manchmal fällt auf, dass sich eigentlich nicht viel bewegt außer mal ein paar Wolken am Himmel, einem Riesenrad im Hintergrund oder natürlich den Menschen, die durchs Bild staksen. Von geschmeidige Animationen wie bei Assassin's Creed ist Black Mirror 2 jedoch einige Millionen Dollar an Entwicklungs-Budget entfernt. Großaufnahmen der Gesichter bei Gesprächen hätten trotzdem nicht geschadet.

Wer Black Mirror 2 installiert, sollte sich darauf einstellen, dass die Figuren mehr quatschen als eine durchschnittliche Friseuse. Das Abenteuer kommt dadurch nur zäh in Fahrt. Jeder Gegenstand, den man sich über die Hotspot-Taste anzeigen lassen kann, wird mit einem Kommentar bedacht, einige Dialoge erreichen Ausmaße einer kleinen Zwischensequenz.

Die Mini-Rätsel bieten nach einiger Zeit einen Lösungshebel unten rechts.

Das zehrt am Geduldsfaden des Spielers, da während einer Plauderei auch sämtliche Hotspots ausgeblendet sind und es sich nicht im Inventar kramen lässt. Überspringen darf man einzelne Laber-Passagen zwar, doch man möchte ja auch nichts verpassen. So lässt man zwangsläufig auch ein Meer von Nebensächlichkeiten über sich ergehen.

Doch Black Mirror 2 zieht aus diesem verbalen Schwall auch seinen Reiz, gerade für Personen, die sich gerne intensiv mit einem Spiel beschäftigen. Produzent Achim Heidelauf – siehe Interview Black Mirror 2 - zählt rund 110.000 Wörtern: „Das sind gut und gerne zehn Stunden Sprachausgabe am Stück, wir waren dafür rund zwölf Tage im Studio.“ Zum Glück mit guten Sprechern. Vertont wird Hauptfigur Darren Michaels, ein launischer Physikstudent aus Boston, in der deutschen Fassung des Spiels von Tim Knauer. Der Herr sprach (in den frühen Folgen) auch schon Randy Taylor, den mittleren Sohn aus „Hör mal, wer da hämmert“. Ob man Knauers Tonlage nun mag oder nicht, er verleiht der Figur Darren auf jeden Fall Tiefgang. Und das ist wichtig, denn Darren ist der Meister der Selbstgespräche und ein Großteil der Wörter gehen auf sein Konto.